Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 8. Mai
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Auch wenn man glaubt, man kenne jetzt das Thema der Judenverfolgung, ihrer systematischen Ermordung im Dritten Reich durch die Deutschen, dann zeigt einem auch dieser Film, daß man emotional und von den Details her nie auslernen wird. Mario Adorf hilft einem dabei, mit Würde und Witz das Unsagbare zu erzählen.
DER LETZTE MENTSCH
Tatsächlich muß man in diesem Film vom französischen Regisseur Pierre-Henri Salfatis den Schauspieler Mario Adorf zuallererst nennen. Er ist am 8. September 1930 geboren und hat über seine Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus in der Eifel erzählt und geschrieben. Seine Filmrollen sind fast unzählbar, wir kennen nur die Jahre 1995 und 2001, in denen kein Film mit ihm seine Premiere hatte, wobei dies auch an den Aufführungsdaten liegt, denn 1996 waren es dann gleich sechs Filme! Er war in seinen Rollen lange lange auf den Oberschurken, dann auch auf den liebenswerten Filou festgelegt. Sein dunkles Aussehen prädestinierte ihn einfach dafür.
Nun ist er schon lange weißhaarig und von der Statur her ein Patriarch. So haben ihn Fernsehfilme auch gerne dargestellt, als mächtigen Mann an der Spitze, durchaus noch viril und von tiefer Arroganz. Aber zunehmend erhielt er auch die Rolle der würdigen Greise. Er wurde leicht weichgespült und weise. Einen Überlebenden der Konzentrationslager, einer, der den Nazis von der Schippe sprang, einer, der im Weiterleben doch immer des Grauens der anderen gedenken muß, einen solchen spielt er nun hier. Er, das ist Marcus Schwarz, liegt im Gras und guckt in den Himmel, denn so kann man am besten über das Leben sinnieren. Auch über das Sterben. Das ist als nächste Szene dran.
Bei der Beerdigung auf einem jüdischen Friedhof wird ihm klar, daß er im jüdischen Ritus beerdigt werden will. Aber – seine jüdischen Wurzeln hatte er doch ausgemerzt. Er, der als Menachem Teitelbaum aus Ungarn stammte, hatte Theresienstadt und Auschwitz überlebt und sich mit dem Namen Marcus Schwarz in der Bundesrepublik ein neues Leben genommen und das alte samt Namen verdrängt. Für ein jüdisches Begräbnis braucht er aber den Nachweis seines Judentums. Die eintätowierte Häftlingsnummer von Theresienstadt ist kein Beweis. Ihm hülfen nur Beweise aus seiner alten Heimat, fordert der Rabbi.
Also macht sich Marcus auf den Weg nach Ungarn; er wird begleitet von Gül (Katharina Derr), die das Auto lenkt, wofür er bezahlt. Sie ist die türkische Freundin seines Nachbarn. Wir erleben also Station für Station die Rückverwandlung des Herrn Schwarz in den Jungen, Menachem, der er mal war. Beim Weg nach Hause – das ist Vác, eine ungarische Stadt am Donauknie, an der Eisenbahnstrecke des Orientexpress – gelingt es der munteren Gül schon gehörig, den Alten aus seinem Lebenspanzer zu befreien. Sie enteist ihn gewissermaßen. Entscheidend wird die Hilfe des Jugendfreundes, mit dem er seine verlorene Jugend und sein verlorenes Leben wiederfindet.
Vieles ist im Film vorhersehbar, weil die Stationen in der gleichen Weise ablaufen, daß Marcus fragt, andere antworten oder schweigen. Warum der Film sehenswert ist, na, wegen Mario Adorf. Er gewinnt dieser Rolle, die etwas sehr brav angelegt ist, eine menschliche Dimension ab, die changiert zwischen Pathos und Absurdität, zwischen träumerischem Vegetieren und knallhartem Witz. Und dabei zwinkert er uns auch noch zu. Überleben ist alles.
Am Montag, 12. 5. findet im Frankfurter Cinema um 20.30 Uhr eine Sondervorführung von DER LETZTE MENTSCH statt, bei der Mario Adorf und Katharina Derr anwesend sind!