Hans Beller und Udo Bayer zu Carl Laemmle im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie wäre es, wenn Hollywood, das doch bevorzugt amerikanische Geschichte auf die großen Leinwände der Welt bringt, auch eine Geschichte der Einwanderung von Pionieren brächte, die mangels guter, für sie passender Jobs innovativ sich auf das stürzten, was als Idee gerade Verwirklichung fand: nach der Erfindung der Fotografie nun die bewegten Bilder. Das Leben und Wirken des Filmenthusiasten Carl Laemmle wäre das beste Beispiel.

 

Mochte man das vor dem Montagabend, 12. Mai im Frankfurter Filmmuseum, sich nur mal gedacht haben, so wurde es am Abend selbst zur Gewißheit, daß Carl Laemmle, wie ihn sein Buch-Biograph Udo Bayer und Hans Beller - der mit dem neunzigminütigen Film DER TRAUMFABRIKANT CARL LAEMMLE auch eine Biografie in Bildern aus dessen Filmen zeigte – beschreiben, das beste Beispiel für solch einen US-Einwanderer und Filmpionier wäre.

 

Daß dieser Carl Laemmle aus dem schwäbischen Laupheim und spätere Gründer und Leiter der UNIVERSAL Studios als Regisseur angefangen hatte, bildete den Einstieg. Als hessische Premiere wurde HIAWATHA gezeigt, ein 12minütiger Film, mit dem Laemmle 1909 die jedem gebildeten Amerikaner geläufigen Verse von Longfellow (1855) verfilmte. Es geht um den mythischen Indianer gleichen Namens, einen legendären Häuptling wohl aus dem Irokesenbund (um 1500) , der um Land, um Frau und um Anerkennung ringt. Das Ganze findet am Wasser statt, dessen Fluten die Vergänglichkeit und die Gefahren zeigt, und hat einen Indianer zum Helden, der aufgeregt und ununterbrochen seinen Kampf ficht. Das wirkt heute schauspielerisch hektisch und naiv, wie aufgezogene Puppen ruckeln die Menschen, theatralisch, ja melodramatisch – aber mit dem großen Reiz, dem jeder Anfang von etwas beiwohnt. Hier der Entstehung der Filmgeschichte.

 

1909, das war noch für lange Stummfilmzeit und weil wir die Musik im Film so außerordentlich fanden, fragten wir nach und erfuhren, daß sie von einem Zeitgenossen stammt, vom Berliner Komponisten Manuel Göttsching. Unheimlich geradezu, wie das Serielle das Strömen des Wassers und den inneren Aufruhr von Hiawatha in Töne und in unser Gehör bringt. Dann wurde der Abend, der die beiden Gäste und Laemmle-Experten Udo Bayer und Hans Beller nach Frankfurt gebracht hatte, vom Vertreter des Ministeriums Günter Schmittecker und dem des Filmmuseums, Urs Spörri eröffnet, die der CV Films für die Vorführung von HIAWATHA dankten. Da konnte man noch nicht wissen, welch außerordentlich anregender Abend vor einem lag, der nach 23 Uhr immer noch nicht zu Ende war.

 

Keine schlechte Idee, daß erst einmal Carl Laemmle vorgestellt wurde und – so dachte man - hätte mancher Filmfan in Frankfurt überhaupt gewußt, was ihm im schönen roten Filmsaal entging, dann wären die Massen geströmt, was ein Argument für eine Wiederholung sein soll, denn sicher wird die Wahrnehmung von der wirklichen Bedeutung von Carl Laemmle als deutsch-jüdisches Auswandererschicksal und amerikanischen Filmpioniers und Begründer der UNIVERSAL Studios 1912 rapide wachsen. Allein die Zahlen! Mehr als 9 000 Filme produzierte der UNIVERSALboß, einer der mächtigsten der Zeit, der sich zudem gegen das Monopol des „Edison-Trust“ durchaus erfolgreich zur Wehr setzte. Dies hatten wir alles schon im Buch von Udo Bayer verfolgt, wie der kleine David gegen den großen Goliath die richtige Schleuder fand, eine Bewegung in Gang setzend, die heute als Independents gegenüber dem nur kommerziellen Kino immer noch eine wachsende Bedeutung hat.

 

Udo Bayer kündigte ein zweites Buch, ein Bildbuch mit 180 Bildern über Laemmle an, und Hans Beller wurde vom Filmmuseum quasi als Dauergast begrüßt, weil er eine Lecture über Montage gegeben hatte, was aufgrund dessen, daß sein „Handbuch der Filmmontage“ zu den Grundlagenwerken gehört, nahelag. Ein andermal wurde sein Film über Vico von Bülow vorgeführt. Da wir das – leider, leider - nicht mitbekommen hatten, hoffen wir hier auch auf eine Wiederholung. Beller ist auch Filmhistoriker, was es offiziell an den Filmhochschulen gar nicht gibt, und hat seinen schönen Filmtitel vom Traumfabrikanten bei Ilja Ehrenburg entliehen, der schon in den Zwanzigern von dem Film, dem Kino als Traumfabrik sprach.

 

Beller hatte fasziniert, wie einer, noch dazu ein Auswanderer, bzw. in Amerika Eingewanderter, sein ganzes Leben auf Illusionen aufbaute, auf den Aufbau einer Industrie von Illusionen nämlich. Als er seinen 1982/83 aufgeführten Film konzipierte, hatten ihn viele der Ideen von Carl Laemmle fasziniert, der z.B. auch der erste war, der das Starsystem schuf. Zuvor waren die auf Zelluloid auftretenden Schauspieler anonym, was Laemmle änderte und damit der Konkurrenz einen Schritt voraus war, weil Namen und Personen die Zuschauer emotional binden, woraus heute eine ganze Unterhaltungsindustrie geworden ist, mit Bunten Blättern und Abziehbildern. Fortsetzung folgt.

Foto: Christina Lott

 

Info:

Udo Bayer, Carl Laemmle und die Universal. Eine transatlantische Biografie im Verlag Königshausen & Neumann