Bildschirmfoto 2023 09 10 um 02.33.01Vom Festival des deutschen Films Ludwigshafen am Rhein

Michael Kötz
 
Ludwigshafen (Weltexpresso) - Manchmal hat ein Familienname schon so viel Gewicht, dass das einzelne Familienmitglied gar keine Chance hat, nicht mit einer gewissen Würde, ja mit adeliger Gelassenheit aufzutreten. Und dass, wo er doch, wie er erzählt, Komödien so gern hat, sogar das Alberne. Das Gewicht kommt trotzdem durch und in seinem Fall mit dem glücklichen Ergebnis einer freundlich gelassenen Persönlichkeit. Und die ist selten in der Welt des Films. Der Mann kann die skurillsten und furchterregensten Figuren verkörpern, am Ende ist er immer wieder derselbe freundlich gelassene Herr: Herzlich Willkommen Justus von Dohnányi!

Das „von“ im Namen kommt vom Ur-Ur-Urgroßvater. Der hieß Georg und wurde geadelt, weil er eine von den Türken belagerte Stadt mit Lebensmitteln versorgt hatte. Das war im Jahr 1653 und es war in Ungarn. Ein Nachfahre, Ernst von Dohnányi, wird ein berühmter Komponist sein in Ungarn und er wird eine deutsche Theaterschauspielerin heiraten. So kommen die Dohnányis nach Deutschland und so kommt Justus von Dohnányi zu einem Stammbaum, aus dem es kein Entkommen gibt. Denn dieser ungarische Komponist hatte einen Sohn namens Hans von Dohnányi und der wurde Jurist und Widerstandskämpfer im Nazi-Reich. Dessen Kind Nummer Eins wiederum heißt Klaus von Dohnányi und den kennen Sie alle als ehemaligen Bundesminister und Regierenden Bürgermeister von Hamburg. Ein anderes Kind heißt Christoph von Dohnányi und wird ein weltberühmter deutscher Dirigent. Und der ist der Vater unseres Ehrengastes heute, der Sohn aus erster Ehe mit der Schauspielerin Renate Zillessen.

Das mit der Musik und mit der Schauspielkunst, das zieht sich durch, nahezu durch Jahrhunderte. Eine unvermeidliche Angelegenheit. Aber er hat einen Ausbruchsversuch zumindest im Kopf gehabt. Justus von Dohnányi erzählt nämlich, dass er als junger Mann eigentlich eher Medizin oder vielleicht Biologie im Auge gehabt hätte. Aber, fügt er resigniert hinzu, er sei eben doch in einem Umfeld aufgewachsen, dass eine bestimmte Branche und den dazugehörigen Lebensstil nahegelegt hätte: „Es macht einen Unterschied,“ erzählt er, „ob Papa immer von neun bis fünf weg ist und daheim zum Beispiel von der Bankenwelt spricht oder ob man mitbekommt, dass die Eltern als Künstler teilweise auch von zuhause aus arbeiten und da im Liegen irgendetwas auswendig lernen.“

Schon in der Schulzeit des kleinen Justus werden Familienname und Status für eine gewisse Position gesorgt haben, ergänzt davon, dass der Vater als berühmter Dirigent beständig woanders hin musste und die Familie dauernd umzog. Lübeck, Kassel, Köln, Frankfurt, Hamburg. Aber geboren ist der kleine Justus ja in Lübeck. Wieso das? Ach, da hatte die Mutter Renate Zillessen ein Engagement am Theater. Sie hat übrigens bei Fritz Umgelter die Titelheldin in „Elsa Brändström“ gespielt. Da war Justus 10. Mutter Schauspielerin, Vater Dirigent und Intendant, unmöglich konnte Justus angesichts dieser Eltern bei der Idee bleiben, Arzt oder Biologe zu werden. Das wäre ihm ja in kürzester Zeit wie Verrat an der Familiengeschichte vorgekommen. Halt, nicht ganz: Politiker, wie beim Onkel oder Großvater wäre auch noch gegangen. Kriegsdienstverweigerer war er jedenfalls, gleich nach dem Abitur, humanistisches Gymnasium, was sonst. Latein, Altgriechisch, Englisch, Französisch. Jedenfalls teilweise. Fünf Schulen in drei Bundesländern hat Justus von Dohnányi besucht und „nicht gerne“, wie er sagt. Er erzählt das, als man ihn interviewt angesichts seiner Rolle als Schuldirektor in der „Schule der magischen Tiere“, wo er für seine Rolle, wie er erzählt, all die Figuren, die ihn genervt haben als Schüler gedanklich für seine Darstellung innerlich zusammengebaut habe. Mathe, Bio, Physik habe er geliebt, erzählt er dem erstaunten Gesprächspartner damals, der dann wieder entspannt ist, als Justus von Dohnányi hinzufügt, aber noch schöner sei das Quatsch-Machen in der Schule gewesen, habe ihn das Komödiantische fasziniert.
Na also, immerhin.

Nach dem Abitur, erzählt Justus von Dohnányi, sei er erstmal abgehauen. Er ging auf Weltreise, ein ganzes Jahr lang, von Kanada bis nach Venezuela hinunter. Er hat es also versucht, er hat sein Bestes gegeben, um vielleicht doch noch zu entkommen, irgendwie in diesem Jahr noch auf eine andere Idee zu kommen. Aber was tut er, frisch zurück in Deutschland? Der inneren Stimme seiner Familie folgend, bewirbt er sich und wird auch angenommen an der „Hochschule für Musik und darstellende Kunst“ in Hamburg. Später wird er noch vier weitere Ausbruchsversuche unternehmen, nämlich selber Drehbücher schreiben und selber Regieführen, aber im Wesentlichen ist die Sache gelaufen: Justus von Dohnányi wird Schauspieler. Und wir können uns nur beim großen Manitu bedanken, dass es so ist. Denn einer der besten ist er geworden.

Auf der Bühne zunächst, ab 1985 in Frankfurt im Schauspielhaus, ab 1998 in Hamburg am Thalia Theater. Eigentlich wollte ich gerade übergehen zum Film, was sonst, da fiel mir auf: 85 bis 98, wenn das stimmt, sind das immerhin stolze 13 Jahre am Theater allein in Frankfurt, Günther Rühle und Peter Eschberg hießen die Intendanten dort und Justus von Dohnányi war Nachwuchs. Dann kam das Thalia Theater in Hamburg. Das müssen ja in rund 20 Jahren unzählige Bühnenrollen gewesen sein? Wir wissen es nicht und geben freimütig zu: Erst sein Erscheinen im Kino und Fernsehen bringt es für uns. Der Film „Jakob der Lügner“ nach Jurek Becker von 1999 zum Beispiel, wo Justus von Dohnányi neben Robin Williams und Armin Mueller-Stahl auftritt. Verblüffend aber wahr: Im selben Jahr taucht der eigentlich noch wenig bekannte Schauspieler Justus von Dohnányi in einem James Bond Film mit Pierce Brosnan auf, als Bösewicht Captain Nikoli in „Die Welt ist nicht genug“. Und so geht es weiter: In der amerikanisch-deutsch-kanadischen Koproduktion „Bonhoeffer - Die letzte Stufe“ spielt Justus von Dohnányi Bonhoeffers Freund Bethge, Ulrich Tukur die Hauptrolle und Ulrich Noethen, der spielt darin jenen Hans von Dohnányi, der sein leibhaftiger Großvater war. 2001, in Oliver Hirschbiegels „Das Experiment“ ist Justus von Dohnányi dabei und zwar so gut, dass ihm die Rolle des Gewalt stiftenden Berus damals schon einen ersten Preis, den Deutschen Filmpreis als Bester Nebendarsteller einbringt. Er spielt dann im „Klassentreffen“, in „Wambo“ von Jo Baier und wieder mit Ulrich Tukur in „Der Stellvertreter“, im Tatort „Flashback“, in „Bluprint“ und in „Napola“ . Dort ist er 2004 erneut als Gau-Leiter ein finsterer Vertreter der Nazi-Zeit, auf die Justus von Dohnányi eine zeitlang geradezu spezialisiert war. Warum er? Irgendwie sieht er so deutsch aus und dabei so feinfühlig, dass man ihm kontrapunktisch jede Sauerei zutraut. So auch in Hirschbiegels „Der Untergang“ mit dem großen Schauspielmeister Bruno Ganz als Hitler, Justus
von Dohnányi als General Burgdorf.

Er wird zum Banker in einem Tatort von Lars Kraume „Wo ist Max Gravert?“ und dann darf er endlich 2005 in einer Komödie spielen, von Helmut Dietl, „Vom Suchen und Finden der Liebe“. 2005 ist auch das Jahr, in dem Justus von Dohnányi mit Mario Adorf eine der zwei Hauptrollen in „Enigma“ übernimmt, der Verfilmung einer Theaterinszenierung von Volker Schlöndorff, in der die beiden virtuos einen erbitterten Streit um eine Frau inszenieren, die gleichwohl niemals zu sehen ist, metaphorisch dafür, wie wenig sich begreifen lässt, was Liebe ist. Von nun an wird Justus von Dohnányi zwar weiterhin auch Nebenrollen spielen, zunehmend aber weiter oben in der Namensliste der Mitwirkenden stehen. Weshalb ich aus den folgenden 65 Spielfilmen - und ich zähle nie weniger als vier Spielfilme pro Jahr, die Justus von Dohnányi dreht, im Jahr 2015 waren es sogar acht, dafür dann 2016 nur einer, danach aber weiter immer mindestens drei Filme pro Jahr und das bis heute, da kann nicht viel Freizeit dabei gewesen sein – aus diesen unendlich vielen Filmen nehme ich jetzt mal großzügig nur noch die heraus, in denen er nicht nur präsent ist, sondern sozusagen superpräsent. Also nicht „Der geheimnisvolle Schatz von Troja“ oder den Tatort „Blinder Glaube“, wohl aber „Hardcover“ von 2008, wo Justus von Dohnányi Chico, dem Gangsterboss ein höchst komödiantisches Leben verleiht, nicht seinen wunderbaren Auftritt in „Buddenbrooks“ von Heinrich Breloer, dafür aber unbedingt „Männerherzen“ von Simon Verhoeven. Denn den Schlagerstar Bruce Berger, den er hier spielt, angelegt als klischeehafte Witzfigur, diesem Typ verlieh er eine geradezu verzweifelte Ernsthaftigkeit, die so das ganze überragende Können dieses Justus von Dohnányi zeigte. Er habe sich so stark mit seiner Figur des Schlagerstars identifiziert, dass er
nach Drehschluss angeblich das Kostüm nicht mehr habe ablegen wollen, erzählt man. Justus von Dohnányi bekommt den Deutschen Filmpreis für diese Rolle.

In „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ von Oskar Roehler spielt er den Regisseur Veit Harlan, dessen Werk aus dem Jahr 1940 bis heute in Deutschland verboten ist. Ich muss so viele schöne Filme weglassen, in denen Justus von Dohnányi mitwirkt, in der Fernsehreihe „Unter Verdacht“ oder in „Hindenburg“ oder „Der ganz große Traum“. Der Film Teil Zwei von „Männerherzen und die ganz große Liebe“ sei aber erwähnt, weil hier Justus von Dohnányi erneut zu Bruce Berger wird und auch dieser zweite Teil unter der Regie von Simon Verhoeven erneut für Begeisterung sorgt, bei Kritik und Publikum. 2011 spielt er mit unglaublicher Intensität den gestörten Vater im Tatort „Eine bessere Welt“ von Lars Kraume und erhält für diese Rolle mit Recht den „Hessischen Fernsehpreis“ 2011. Im Schwarz-Weiß-Film „Oh Boy“ von Jan-Ole Gerster, der den Deutschen Filmpreis in sechs Kategorien gewinnt, ist Justus von Dohnányi der einsame Nachbar Karl, er spielt in „Ludwig II“ von Peter Sehr und Marie Noelle, im Kinderfilm „Yoko“ den Zoodirektor und in „Hanni und Nanni 3“. Er ist Stefan Hansen in „Tod an der Ostsee“ und dann ist er Richard Wagner, Iris Berben die Cosima, in „Der Wagner Clan“ von Christiane Balthasar. „Großes Kino, große Oper“ wurde diesem Film bescheinigt, nicht zuletzt weil Justus von Dohnányi natürlich seinen Richard Wagner mit der ganzen bedeutungsvollen Aura des großen Komponisten ins Bild setzte, bei seinen eigenen Vorfahren kein Wunder.

George Clooney, Regie und Hauptrolle, engagiert ihn 2013 für „The Monuments Men“ als Viktor Stahl, den deutschen Nazi-Offizier mit dem großen Gefühl für die Kunstschätze, wobei auch ein George Clooney auf den Kitsch der Verwendung des Nachnames „Stahl“ offenbar nicht verzichten wollte. Dafür spielt Justus von Dohnányi den Mann um so differenzierter bei diesen Dreharbeiten in Babelsberg und im Harz.
2015 erscheint Justus von Dohnányi im Murot-Tatort „Wer bin ich?“ von Bastian Günther, der bei uns den Medienkulturpreis erhielt, ein faszinierendes Vexierspiel um filmische Realitäten, in dem Ulrich Tukur alias Kommissar Murot nicht nur sagt, er wäre gern mal jemand anderes als dieser Murot, sondern in dem er auch davon schwärmt, wie gut er es fände, dass man seinen Tumor, den er in der früheren Folge „Das Dorf“ bekommen habe, danach für die anschließenden Folgen wieder so schön rausgeschrieben habe, das wäre wirklich erleichternd. Und dazu erscheint der damalige Regisseur der Tatort-Folge „Das Dorf“, und den spielt Justus von Dohnányi und das deshalb, weil er tatsächlich damals der Regisseur gewesen war. Ja, stimmt alles so, aber verstanden hat das von den sechs Millionen Zuschauern des Tatorts „Wer bin ich?“ damals höchstens jeder Zehnte.

„Jetzt sind sie verrückt geworden beim HR“, stand seinerzeit in fetten Lettern in der Bild-Zeitung. Justus von Dohnányi ist also auch Regisseur. Zum ersten Mal führte er 2007 Filmregie, nämlich bei dem Film „Bis zum Ellenbogen“, einer Komödie, für die er auch das Drehbuch verfasst hatte – und obendrein neben Jan Josef Liefers und Stefan Kurt auch mitspielte. Als Banker macht er da Urlaub in einer Berghütte, die dann zum Zufluchtsort wird für die drei … von der Tankstelle, hätte ich beinah gesagt. Ein Film um Gier und Streitlust, bei dem nicht nur der Reiche, sondern auch der Arbeitslose eine Nervensäge sind, eine überdrehte klamaukige Komödie. Musste offenbar sein nach diesen vielen, vielen Jahren intensiver Verkörperung der allerernsthaftesten Charaktere. Denn das fand Justus von Dohnányi ja schon an der Schulzeit überhaupt das Wichtigste: Das Quatsch-Machen, das Komödiantische also. Seine zweite Regiearbeit ist der besagte Tatort „Das Dorf“, damals der zweite Fall des noch neuen Wiesbadener LKA-Ermittlers Felix Murot, der da schon gleich totkrank mit einem Tumor im Krankenhaus landet. Der Film sei aus Raum, Zeit und jeder Krimi-Konvention gefallen, hieß es in einer Kritik. „Das Dorf“ wird für den renommierten Grimme-Preis nominiert.

Justus von Dohnányi wird auch beim nächsten Murot-Tatort Regie führen, „Schwindelfrei“ und diesmal auch das Drehbuch schreiben. Da ist dann Murot wieder vom Tumor geheilt und dafür bedankt er sich dann ja später. Dieser „Schwindelfrei“ von Autor und Regisseur Justus von Dohnányi sei nichts für Menschen, die die Bettdecke unters Kinn ziehen wollen vor lauter Spannung, schrieb ein Kritiker in der „Süddeutschen“, es sei eher eine Nummernrevue und eine traumschön gezeichnete Zirkusgeschichte mit einem Geständnis des Täters am Ende, das in Versform vorgetragen wird, ein Liebhaberstück.
„Desaster“ hieß dann der dritte Film, den Justus von Dohnányi als Regisseur realisierte und bei dem er wieder auch das Drehbuch schrieb, eine Komödie mit ihm, Jan Josef Liefers und Stefan Kurt, so wie schon bei „Bis zum Ellenbogen“, wieder ein Kinofilm, diesmal im Mafia-Mileu. Was er so möge an Komödien, wird er gefragt. Er möge jede Art dieses Genres, sagte er, besonders aber die schwarzen Komödien, wo eine Menge Unglück passiere, da gäbe es tolle Vorbilder.

Aber es nützt ihm nichts, es wird wieder ernst. Und international. Justus von Dohnányi spielt mit im US-Film „Woman in Gold“ mit Helen Mirren und mimt dann den verzweifelten Täter in einem Polizeiruf 110 in der Regie von Christian Petzold mit dem Titel „Kreise“. Es folgt ein Kinderfilm, „Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“, immerhin was Lustiges. 2017 übernimmt Justus von Dohnányi die Hauptrolle in „Thimm Thaler oder Das verkaufte Lachen“, Regie Andreas Dresen, spielt den schwerreichen Baron und Vater des jungen Helden. Im selben Jahr wird er zum Bakterienforscher Robert Koch in der Fernsehserie „Charité“, spielt einen Ulrich Dattelmann in der Komödie von Leander Haußmann „Das Pupertier“, einen Dirigenten in Christian Petzolds „Transit“ und dann spielt er den Harry in Rudi Gaul´s Komödie um eine Dating-App, „Safari - Match me if you can“ hieß der Film. Sönke Wortmann macht Justus von Dohnányi in seinem Film „Der Vorname“ zum weltentrückten Musiker René, vier Jahre später dann in seinem „Der Nachname“ zum Pflegesohn René, der seine Stiefmutter, Iris Berben, heiratet. Können Sie sich im diesjährigen Programm anschauen. „Im Schatten der Angst“ heisst dann das Meisterwerk von Till Endemann, in dem Justus von Dohnányi neben Julia Koschitz so eindringlich beweist, welch großartiger Schauspieler er ist, dass ich nur hoffen kann, Sie haben den Film hier im Programm 2019 nicht verpasst.

Diesen Mörder mit tiefer Persönlichkeitsspaltung spielt er mit einer eiskalten Freundlichkeit, einer dermaßen unergründlichen Tiefe der Biografie, dass Sie den Kerl nicht mehr aus dem Kopf kriegen und sich, wie ich damals als ich den Film sah, nur noch fragen: Wie macht der das? Woher hat dieser Justus von Dohnányi diese unglaubliche Fähigkeit, während er jemanden spielt, zugleich heimlich ein anderer zu sein, wie als würde er sich hinter einer Maske verstecken können, während er so tut als gäbe es die gar nicht? Und das übrigens macht der Mann keineswegs wann immer eine Kamera läuft, sondern gezielt nur dann, wenn die Rolle es ihm nahelegt. Ansonsten kann er auch einfach ein netter Kerl sein, eindimensional und vielleicht nur ein bisschen verschroben, besonders gern übrigens, wenn er einen Lehrer spielt, Rache muss sein, so wie in „Eingeschlossene Gesellschaft“ von Sönke Wortmann. Er macht das dann sehr gut, aber eben nicht mit diesem doppelten Boden. Als würde er sich den, so unheimlich wie der ist, aufheben für besondere Fälle.

Was ein seltsamer Beruf, welch hohe Selbstbeobachtung der verlangt, wenn es so gut werden soll wie bei ihm!

Ein paar Filme habe ich jetzt ganz vergessen: „Als Hitler das rosarote Kaninchen stahl“, die internationale Produktion „Vier zauberhafte Schwestern“, „Heute stirbt hier Kainer“ mit einer wunderbaren Schießerei im Odenwald, „Die Schule der magischen Tiere“. Wenn Sie selber sehen wollen, mit welcher Präsent auf der Leinwand dieser Justus von Dohnányi erscheint, dann gehen Sie ganz einfach außer in den Film „2 Freunde“, den Sie gleich sehen werden, noch in den anderen Film mit ihm hier im diesjährigen Programm: „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Hans-Christian Schmid, wo es um das Drama der Entführung des Jan Philipp Reetsmas geht. Und wenn Sie eigentlich noch ´n bisschen mehr Privates wissen wollten von mir, also ob er eine Frau hat oder nicht, wie er so lebt und wo und was er privat so macht, Hobbys, versteckte Leidenschaften, Ängste in der Nacht oder so – ja dann, meine Damen und Herren, wird es ernst. Denn ich versichere Ihnen das einzige, was ich Ihnen dazu servieren kann, ist dieser Satz, nein, halt es gibt noch einen zweiten. Der erste lautet: „Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder, lebe in Hamburg und rede über Privates nicht gern“. Zack Bumm. Der zweite: „Ich bin Schauspieler geworden, weil mir das Schlüpfen in die Rollen Spaß macht und nicht, weil ich in den Glamourfaktor, den Ruhm, der mit diesem Beruf verbunden ist, besonders lieben würde.“

Das haben sie´s. Es wird nix. Sie müssen ihn nehmen wie er ist. Das aber ist er großartig – dieser Justus von Dohnányi. Meine Damen und Herren, mit großer Freude überreichen wir ihm nun unseren diesjährigen Preis für Schauspielkunst 2023 – Justus von Dohnányi.

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