Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. September 2023, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt Filme, aus denen man gut gelaunt und innerlich gestärkt herausgeht, weil man auf einmal das Empfinden hat, daß die Welt doch ein kleines bißchen heller scheint, als die Nachrichten jeden Abend verkünden, was man selbst angesichts von Krieg, Verfolgungen, Naturkatastrophen auch so sieht. Gestärkt? Ja! Denn wir lernen Pierre (Grégory Gadebois) kennen, den Einsiedler oben auf dem Berg.
Eigentlich sind wir mit Vincent Delcourt (Lambert Wilson) unterwegs, dem Unternehmer, dem alles zu langsam geht, der aus dem Leben herausholt, was für ihn drinnen ist – und das ist eine Menge. Er reüssiert schon wieder mit einem neuen Produkt, dieses Mal ist es das Dating-Portal ‚Fast Match‘, rettet Firmen und zeigt sich superfit beim Marathon. Gerade fährt er ohne auf rechts und links zu achten durch eine herrliche Berglandschaft und da passiert es. Der schicke Wagen stottert und bleibt stehen. Außer einem Gehöft da oben ist weit und breit nichts zu sehen. Er eilt, trifft auf den sehr sehr geruhsam entspannten Pierre, der zwar sprechen kann, aber selten will. Doch, doch, antwortet er dann, er kann dem Gestrandeten helfen und den Motorschaden, nach dem es aussieht, reparieren. Aber das dauert. Und als erstes gibt es ein Omelette.
Doch auch als Vincent wieder in seine Welt eintaucht, bleibt etwas unrund. Was ist mit ihm? Erst hat er Panikattacken, dann fühlt er sich in seiner eigenen Welt fremd. Was ist mit ihm los? Er muß es ergründen. Da fällt ihm die klösterliche Stille hoch oben auf dem Berg bei Pierre ein. Er fährt einfach hin und der überraschte und abwehrende Eremit überläßt ihm mit Skrupeln und Zaudern eine Hütte weiter droben, die er selbst gebaut hatte, wie er hier überall mit den Händen vor allem Holz sehr gerne bearbeitet. Eigentlich haben wir uns über Pierre keine weiteren Gedanken gemacht. Das kommt aber noch.
Denn erst verspätet lernen wir die Hauptmotivation kennen, warum Vincent unbedingt hier sein will. Dieser Pierre ist ein Aussteiger auf höchstem Niveau. Er ist ein berühmter Meeresbiologe, von denen sich die Welt die Umwandlung von Plankton in CO2 verspricht – eine Hoffnung für die ganze Menschheit. Diesen Mann braucht der Unternehmer, der mit Hilfe des Wissenschaftlers ein großes Umweltprojekt beginnen will. Doch sein Burnout, das öffentlich war, bringt Vincent erst mal in Schwierigkeiten. Wie das so ist, stolpert der Unternehmer, fallen die Kurse seine Unternehmens. Hier ist das so dramatisch, daß seine Mitarbeiter, die nicht wissen, wo ihr Chef ist, selbst die Krise kriegen.
Das ist die äußere Geschichte. Der Film selbst aber ist emotional und intellektuell völlig auf das Aufeinandertreffen und den gestischen und wortwörtlichen Austausch der beiden gerichtet, der mit Esprit auf Seiten des Vincent mit scharfer intellektueller Klinge geführt wird. Da ist der Schauspieler in seinem Element und nutzt sein kurze Krankheit auch noch als moralisches Argument gegenüber Pierre, den er überhaupt mit den Argumenten des Weiterlebens der Menschheit in einer große Retterrolle bugsiert.
Wir sind ganz auf Seiten des Aussteigers Pierre, der so geruhsam und der Stille hingegeben sein Leben in den Bergen lebt und seine Holzprodukte wie Lebendiges formt. Und als Vincent ihn bittet, mitmachen zu dürfen bei dem Sägen und schleifen, was er vom Vaterhaus kannte, da kommen sich die beiden dann doch näher. Es ist kein Schlagabtausch der Worte, sondern nach und nach einer des gegenseitigen Verstehens. Jeder lernt etwas vom anderen. Denn auch Pierre kann von Vincent einiges lernen. Nicht nur, positiv in die Welt zu blicken, sondern vor allem seiner tief verehrten und verwitweten Schwägerin (Marie Gillain), die den Berg herunter wohnt, endlich seine Gefühle, die sie ja ahnt, zu gestehen.
Also haben beide was von ihrem Aufeinandertreffen. Ja, die Aktien gehen hoch. Und Èric Besnard, der schon mit BIRNENKUCHEN MIT LAVENDEL einen Hit landete, hat erneut einen schönen Film in die Welt gebracht.