babyBABYLON BERLIN ab heute im Ersten ab 20.15 Uhr, seit gestern in der Mediathek, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das haben solche Mammutunternehmungen an sich, daß sie am Anfang erst einmal hochprozentige Zuschauerzahlen erreichen, dann abflachen und dann wieder aufflammen, je nachdem. Diese vierte Staffel hat es in sich und wird immer politischer, weil es jetzt um die Zeiten 1930/31 geht und die Nazis immer virulenter, immer gefährlicher, immer einflußreicher, immer brutaler werden. Man – und das heißt hier der Polizeipräsident persönlich – muß mehr über diese gefährlichen politischen Extremisten herausfinden, weshalb sein Mitarbeiter Gereon Rath (Volker Bruch), der einst aus Köln nach Berlin kam, sich bei den Nationalsozialisten als Sympathisant einschleicht.

Eigentlich ist er ein Nazihasser und was er jetzt durchmacht, wenn er ausgerechnet von Charlotte „Lotte“ Ritter (Liv Lisa Fries) in einer Mitarbeiterkonferenz bei der Polizei als Nazi-Mitläufer entlarvt wird, kann sich jeder denken, vor allem, wenn er aus den vorausgegangen Sendungen weiß, daß es zwischen den beiden mehr als knistert! Lotte, die als Gelegenheitsprostituierte anfing, um ihrer Schwester notwendige Operationen finanzieren zu können, dann Stenotypistin wurde, sich dann als Kriminalassistentin hochgearbeitet hat, ist total enttäuscht von dem Mann, den sie als Mann und als Mensch bewundert hat und zeigt es so deutlich, bis er nicht mehr kann und ihr die Wahrheit enthüllt und da ist es im Film wie im richtigen Leben, daß dies Geständnis zwischen beiden eine Nähe entstehen läßt, die nun endlich zur „Entladung“ kommen kann, die beiden werden ein Paar, was für die Handlung deshalb wichtig ist, weil sie sich gegenseitig bestimmte Informationen zuspielen können.

Ach so, man sollte den Begriff BABYLON noch mal dechiffrieren?! Die gesamte Serie folgt den Romanen von Volker Kutscher, die alle um die historisch echte Figur des Ernst ‚Buddha‘ Gennat (Udo Samel),  Chef der Berliner Mordkommission, ranken, der durch seine Ermittlungsmethoden, die heute alltäglich sind, aber damals bahnbrechend waren, gewaltige Ermittlungserfolge tätigte. Die Fälle spielen im Roman und in den Verfilmungen die Hauptrolle und es beginnt gleich mit einem Mord durch einen Nazi in Polizeiuniform, der verschleiert wird und umgekehrt dem protestierenden Proletariat in die Schuhe geschoben wird, aber die Großstadt, der Moloch Berlin wird in den Filmen sehr viel anschaulicher als in geschriebenen Worten, spielt hier die eigentliche Hauptrolle, weshalb die ‚Hure Babylon‘, von der mit historischem Bezug zum babylonischen König Nebukadnezar die Bibel spricht, hier auf den Sündenpfuhl der Zwanziger Jahre angespielt wird, wo nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auch der Obrigkeitsstaat flöten ging und sich neue demokratische Ordnungen und Legitimationen erst einspielen mußten, weshalb – das erlebt man immer wieder bei totaler Umgestaltung von Gesellschaften in Krisenzeiten – Chaos und Auflösung der Sitten die Folge ist, was sich leicht in Kriminalität und Sexsucht äußert.

Das wäre sehr viel leichter an den Figuren, die historischen Personen nachempfunden sind, zu exemplifizieren, aber das Personenkarussell ist so umfangreich, daß gleich eine lange Serie daraus würde, wir aber nur auf die nun beginnende vierte Staffel verweisen wollen. Also greifen wir einige Personen heraus, die historische Bezüge haben. Da ist besonders auffällig Alfred Nyssen, dem Lars Eidinger, eine hinreißende widerliche Gestalt gibt. Ein Aufschneider aus Unsicherheit, hängt er am Rockschoß der Mutter, muß diese aber mit Hilfe anderer auch bekämpfen, fällt in alle Richtungen um, weil er keine Haltung, keine innere Struktur hat. Nachdem er am Anfang als Liebhaber der Sorokina auffiel und als Verschwörer der Schwarzen Reichswehr, ist er nun mit Helga Rath (Hannah Herzsprung) liiert, die in Köln sich mit Gedeon Rath zusammengetan hatte, dem Bruder ihres (angeblich) toten Mannes. Doch als sie in Berlin auf ihren Schwager trifft, ist dieser längst anderweitig orientiert. Die vielen Spielarten der Abneigung und Gemeinheiten zwischen Alfreds Mutter und Helga füllen die Sendungen, bis dann durch eine Entführung beider eine irre Situation entsteht, die für eine der beiden tödlich endet. Die Figur des Alfred Nyssen soll auf den Industriellen Fritz Thyssen verweisen, denn die deutsche Industrie war mit den Nazis verbandelt. Heute ist längst durch Historiker belegt, daß Hitler mit seinen Nazis entscheidend von dieser Industrie finanziert wurde.

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Heute in der ARD ab 20.15 Uhr