baby2BABYLON BERLIN ab heute im Ersten ab 20.15 Uhr, seit gestern in der Mediathek, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine der witzigsten, auch aufregendsten Szenen hängt mit den Personen Samuel Katelbach (Karl Markovics), Elisabeth Behnke (Fritzi Haberlandt) und Hans Litten (Trystan Pütter) und dem Herrn zusammen, der als Kurier für das Gericht wichtige Papiere mit sich führt. Hintergrund ist ein Gerichtsverfahren gegen Samuel Katelbach. Dieser ist ein freiberuflicher Schriftsteller aus Wien und analysiert in Zeitungsartikeln die politische Situation Berlins (seine Figur lehnt sich an Carl von Ossietzky - Weltbühne) - an, der Pläne der Nazis zur Aufrüstung an die Öffentlichkeit brachte, von diesen verfolgt, vor Gericht gestellt und verurteilt wurde und 1938 an den Folgen seiner Folterungen starb).

Katelbach wohnt zur Untermiete bei Elisabeth Behnke, bei der anfangs auch Gereon Rath gewohnt hatte und Kardakow aus den ersten Serien. Katelbach ist als einziger Untermieter übrig geblieben, den Behnke rührend versorgt und vor den immer wieder nachfragenden Verfolgern zu schützen versucht. Er hat durch Recherche mit Hilfe von Rath Geheimnisse der Nazis entdeckt, die Staatsverrat sind und will in einem Prozeß dies offenbaren. Aber der Vorsitzende Richter ist ein linientreuer Nazi, ein besonders schlimmer Jurist, der ihn verurteilt und eine Revision nur zuläßt, wenn die Behauptungen, die er aufstellt, durch entsprechende staatliche Unterlagen im Original bewiesen werden können.

Wie diese nun in den Besitz des ihn vertretenden Anwalts Hans Litten gelangen, der als Anwalt der kleinen Leute und der politisch Verfolgten wie eine Laus im Pelz der Nazis saß und sehr viel bewegen konnte, das wird in der Serie in einer langen Szene urkomisch dargestellt, indem Elisabeth Behnke am Bahnhof den ihr bekannten abreisenden Kurier anspricht, der sie jahrelang nicht gesehen hatte, wohl in sie verliebt war und den sie motiviert, vor der Abreise mit ihr einen Kaffee zu trinken. Als Kellner verkleidet läßt er etwas fallen, was nötig macht, daß er unter den Tisch kriecht, wo er sich an des Mannes Tasche zu schaffen macht und die Papiere herausholt, die er schnurrstracks zum Anwalt bringt, der mit Lotte in einem Nebenabteil des Zuges sitzt und ihr in die Schreibmaschine die Abschriften diktiert, Kopien also, die Rath dann mit Siegel als angebliche Originale wieder in die Tasche des Kuriers steckt. Die Originale wird Hans Litten zur Verblüffung des Richters im Prozeß vorlegen können. Das hat Witz, hat Tempo, ragt als abgeschlossene Story im Gesamtgefüge hervor und vermittelt einen Moment lang Billy-Wilder-Gefühle.


Eine Figur, die eindrucksvoll durch die Serienteile geistert, ist auch Günther Wendt (Benno Fürmann), der als Persönlicher Referent von Paul von Hindenburg (Reichspräsident) und Mitglied der Schwarzen Reichswehr später Chef der Politischen Polizei wird. Auch dies ist eine Anlehnung an eine historische Figur, der in der Reichswehr geheime nationalsozialistische Zellen aufbaute. Hier spielt er doppelt falsch. Er hat einerseits ein leidenschaftliche dargestelltes Verhältnis zu einer leicht maskulin gekleideten jungen Frau aus linkem Milieu, die ihn übrigens aushorcht, und ist insgeheim schwul, was in teils absurden Szenen deutlich wird. Auf jeden Fall stechen seine Szenen heraus und auch der Mord an ihm. Die junge Frau heißt Marie-Louise Seegers (Saskia Rosendahl), ist Kommunistin, studiert Jura und ist Sekretärin des Anwalts Litten. Wie sich bei ihr Kopf und Herz in die Quere kommen, zeigt sich, als Günther Wendt von kommunistischen Partisanen erschossen werden sollte, was sie wußte und dennoch...

So kommt es, daß man schaut und schaut und sich eingesteht, daß einen die einzelnen Episoden, wenn man sie nacheinander anschauen kann, regelrecht süchtig machen. Man kann ohne Weiteres die zwölf Teile hintereinander wegsehen und dann gleich noch einmal, denn sie sind komplexer als man glaubt.


Wichtig:
Zum Schluß noch der Hinweis, daß die vierte Staffel schon 2021 gedreht wurde, den dritten Gereon-Rath-Roman Goldstein zur Grundlage hat und wieder aus zwölf Episoden besteht. Die vierte Staffel wurde ab Oktober 2022 auf Sky ausgestrahlt. Das Erste beginnt die Ausstrahlung heute mit den ersten drei von 12 Folgen, aber in der Mediathek kann man schon seit gestern fündig werden.

Foto:
©ARD

Info:
Heute in der ARD ab 20.15 Uhr