Sultanas Dream Still 1 MAIN STILLDas ZDF auf dem Filmfest Hamburg 2023, Teil 8

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) - Inés, eine spanische Animationsfilm-Regisseurin aus San Sebastian, ist nach Indien gereist, um ihre Beziehung mit dem indischen Künstler Amár zu beenden. In einer Buchhandlung fällt ihr zufällig "Sultana’s Dream" in die Hände, eine feministische Science-Fiction-Novelle aus dem Jahre 1905 von Rokeya Hossein. Dieses erstaunliche und visionäre Werk sowie dessen Autorin fesseln Inés sofort: Rokeya Hossein wurde 1880 in eine muslimische Familie in Bengalen hineingeboren und lernte Dank ihres Bruders heimlich Lesen und Schreiben.

Später widmete Rokeya Hossain ihr Leben der Gründung von Schulen und Berufsschulen für junge Mädchen, um Frauen auf ihrem Weg in eine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu unterstützen. Sie war für ihre Zeit visionär und hielt Vorträge und schrieb Essays, Artikel sowie Romane über die Stellung der Frau in Indien.

Zurück in San Sebastian verbringt Inés einige Zeit bei ihrer Mutter, einer pragmatischen Wissenschaftlerin, die es ablehnt, sich von Träumen hinreißen zu lassen. Doch Inés beschäftigt sich weiter mit der visionären Inderin Rokeya Hossein und deren Lebenstraum. Beim Besuch eines Museums trifft Inés den Philosophen Paul. B. Preciado, der über die Notwendigkeit von Träumen räsoniert und dessen Interesse an Hosseins Frauen-Utopie Inés weckt. Nach einem Besuch bei ihrem Vater, einem Filmproduzenten in Rom, der dort seinen Lebenstraum lebt, indem er filmische Träume schafft, beschließt Inés, Rokeyas und ihr eigenes "Ladyland" zu finden (und damit den Zugang zu ihren eigenen Träumen).

Inés kehrt nach Indien zurück und beginnt ihre Reise auf den Spuren von Rokeya Hossain. Ihre Suche beginnt an den Orten, an denen Rokeya Zeit verbracht hat: Inés fährt zu den Schulen, die sie gegründet hat, dorthin, wo sie gelebt hat, sowie zu ihrem Grab in Sodepur. Dort trifft sie die junge Lehrerin Sudahnya, die sich ebenfalls für die Feministin Hossein interessiert und die Inés fortan auf ihrer Suche nach "Ladyland"“ begleitet. Sudahnya macht sie mit Ranjeeta Mukerjee bekannt, einer Professorin für Gender-Studies an der Universität Kalkutta. Sie schlägt Inés vor, Vrindavan, die Stadt der Witwen, zu besuchen. Doch der Besuch dort gestaltet sich schwierig.

Zurück in Ahmedabad trennt sich Inés endgültig von Amár. In Gedanken versunken folgt sie einer Gruppe von blinden Frauen durch das Labyrinth dunkler und enger Gassen bis auf eine breite Esplanade, auf der die Garba abgehalten wird: ein Fest in Gujarat, bei dem traditionell die Geburt der Söhne gefeiert wird. Es ist eine Orgie aus Klängen und wütenden Schreien, zu denen die Menschen tanzen, bis sie in Trance geraten. Inés folgt den blinden Frauen weiter, die auf ein tunnelartiges, blendendes Licht zugehen. Nachdem sie den Lichttunnel durchschritten hat, trifft Inés auf Rokeya Hossein, die ihr die Tür zu ihrer eigenen Traumwelt zeigt, in der Inés Zugang zu ihren eigenen wie zu den Träumen aller Menschen hat.

"'Sultana's Dream" von Rokeya Hossain fiel mir in die Hände, als ich mich in einer Buchhandlung in Ahmedabad vor dem Regen schützte. Ich wusste sofort, dass dies der nächste Film war, den ich machen wollte. Aber wie geht man damit um? Wie kann ich die ursprüngliche Atmosphäre der Geschichte bewahren, voller Nuancen und Bezüge zu Bengalen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ohne sie mit meinem westlichen Blick zu verraten? Damals kam uns der Gedanke, dass sich die Geschichte um Inés drehen sollte, eine junge spanische Künstlerin, ein wenig verloren, ohne Leidenschaften oder langfristige Ziele, die nach der Entdeckung des Buches so fasziniert ist, dass sie beschließt, eine Reise nach Indien zu unternehmen, auf der Suche nach den Spuren der Autorin und von Ladyland selbst. Ich wandte mich an meine Bekannten in der Region, um Zugang zu den Texten, Romanen, Tagebüchern und Korrespondenzen der Autorin zu erhalten. Ich habe Informationen gesammelt und darauf basierend eine Route durch Rokeya Hossains Indien verfolgt. Ich spazierte durch die Landschaft des ländlichen Bengalen und versuchte, Farben, Gerüche und Geräusche aufzunehmen, welche die Autorin umgeben haben könnten. Ich besuchte ihr Geburtshaus, das Grab in Sodepur und die Schulen, die sie in Kalkutta gründete. Dies half mir zu verstehen, wie viel Mut sie brauchte, um sich einer patriarchalen Gesellschaft ihrer Zeit zu stellen.

In den letzten Jahren hat sich die Welt der Animation stark verändert. Es werden immer mehr unabhängige Filme produziert, die auf Graphic Novels basieren oder sich auf soziale Themen konzentrieren und das traditionelle Verständnis von Animation infrage stellen. Sultanas Traum ist ein Film, der von Herzen kommt und von dem Wunsch inspiriert ist, ein Publikum zu ehren, das nach einem Platz im Kino sucht, der eine persönliche und alternative Vision der Welt bietet." (Regisseurin Isabel Herguera)



Animationsfilm, Spanien/Indien/Deutschland 2023

Sektion "Kaleidoskop"

Vorführungen: Donnerstag, 5. Oktober 2023, 18.30 Uhr, Passage und Samstag, 7. Oktober 2023, 18.00 Uhr, Alabama

Stab

Buch                                  Isabel Herguera, Gianmarco Serra
Regie                                 Isabel Herguera   
Kamera                              Eduardo Elosegi
Ton                                    Gianmarco Serra, Simon Bastian
Art Director                        Isabel Herguera   
Schnitt und Musik              Gianmacro Serra
Produktionsleitung             Chelo Loureiro
Produzenten                      Diego Herguera, Mariano Baratech, Chelo Chelo Loureiro,
                                          Fabian Driehorst, Iván Miñambres                       

Produktion                         Sultana Films, Abano Producions, El Gatoverde Producciones,
                                          Fabian&Fred, UniKoCreative Europe, ICAA, Basque Country Fund,
                                          MOIN Film Förderung Hamburg Schleswig-Holstein, ZDF/ARTE

Redaktion                          Catherine Colas, Claudia Tronnier, Barbara Häbe                     

Länge                                80 Minuten    

Die Rollen und ihre Sprecher*innen

Inés                                   Miren Arrieta
Rokeya Hossein                Dedjani Mukherjee
Inés Mutter                        Miren Gabilondo
Sudahnya                          Nausheen Javeed
Amar                                  Manu Khurana   

und andere      
                                             

Foto:
©Verleih