Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. Oktober 2023, Teil 4
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In ihrem Dokumentarfilm beleuchtet die chinesische Filmemacherin Jialing Zhang die Auswirkungen staatlicher Überwachung. Besonders in China nimmt diese extrem beunruhigende Formen an, wenn dort jeder größere Stadtplatz flächendeckend mit Kameras ausgestattet wird und kein Schritt mehr unbeobachtet bleibt. Doch nicht nur im öffentlichen Raum, auch bis ins Private hinein reichen die Beobachtungsmechanismen der Behörden - schließlich trägt fast jeder heutzutage ein mobiles Endgerät mit sich, das für staatliche Zwecke ohne weiteres genutzt werden kann.
Während der CoViD-19 Pandemie wurde nicht nur in China anschaulich, wie die angeordneten Totalschließungen mittels elektronischer Datenverarbeitung effektiv und lückenlos kontrolliert werden konnten. Jialing Zhang, die inzwischen in den USA lebt, hatte sich mit diesem Thema 2021 auseinandergesetzt, als sie Nanfu Wangs Dokumentarfilm “In The Same Breath” produzierte. "Total Trust" stellt nun die staatliche Überwachung in einen größeren Rahmen. Denn, so die Regisseurin, was früher einmal eine beunruhigende Zukunftsperspektive und ein Thema für Science Fiction Filme war, ist inzwischen zur Realität geworden, die mithilfe von "künstlicher Intelligenz" immer ausgefeilter zu werden droht.
Jialing Zhang portraitiert drei chinesische Familien, die in unterschiedlicher Weise von staatlicher Überwachung betroffen sind. Zijuan Chen kämpft seit der Verhaftung ihres Mannes Weiping Chang 2020 für dessen Freilassung. Sie nimmt an Protestaktionen teil, sammelt Beweismaterial und unternimmt zusammen mit ihrem kleinen Sohn eine mehr als 2,000 km lange Reise zum Gefängnis, in dem eine Anhörung angesetzt ist - um dort dann wegen "Einreisebeschränkungen" über die gesamte Dauer des Prozesses in ihrem Auto festgehalten zu werden. Chang hatte sich als Anwalt für Mieter eingesetzt, die von Zwangsräumungen bedroht waren und im Zuge der #MeToo-Bewegung für Opfer sexueller Gewalt.
In diesem Rahmen traf er Sophia Xueqin Huang, eine Journalistin, die durch die Aufdeckung von Fällen sexueller Übergriffe in China bekannt wurde. Als sie wegen einer Reihe von Artikeln über die #MeToo-Bewegung verklagt wurde, lernte sie Chang kennen, der sie verteidigen wollte. Sie hatte ein Stipendium für Grossbritannien erhalten, wurde aber kurz vor ihrer Ausreise verhaftet und wartet seitdem auf ihren Prozess wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“.
Wenzu Li und ihr Mann Quanzhang Wang kämpfen gegen dessen Verhaftung und die damit einhergehende Willkür der Staatsgewalt. Wang zählt zu den mehr als 300 Anwälten und Aktivisten, die 2015 im Rahmen einer gross angelegten Verhaftungswelle ins Gefängnis kamen. Nach fünf Jahren wurde er zwar wieder freigelassen, steht seitdem jedoch unter Hausarrest und wird rund um die Uhr überwacht.
Der Film hat zwar eher Fernsehformat, wurde von verschiedenen Fernsehanstalten mitfinanziert, und findet wohl dort sein Publikum. Anhand von Alltagseinblicken, Interviews und anonym gedrehtem Filmmaterial macht Jialing Zhang anschaulich, wieweit staatliche Willkür mit den heute verfügbaren Mitteln gehen kann.
Foto:
©Verleih
Info:
Total Trust (Originaltitel: The Total Trust), Deutschland/Niederlande, 2023
Regie: Jialing Zhang
Kamera: Cuier (Anonymous), RCS (Anonymous), J.V. Chi (Anonymous)
Produktion: Filmtank
Koproduktion: Witfilm, Interactive Media Foundation, ZDF/ARTE, NTR
92 Minuten