Klassenzimmer1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Oktober 2023, Teil 3

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) – Die 13jährige Martina Thaler (Leni Deschner) lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter (Jördis Triebel) und ihrem jüngeren Bruder Oskar (Gabriel Salhab) in einer Hochhaussiedlung in Berlin. Da ihre Mutter als Krankenschwester Schichtdienst hat, muss sich Martina neben der Schule um ihrem Bruder kümmern. Doch dann bekommt sie durch ihre sehr guten Schulleistungen ein Stipendium für das legendäre Johann-Sigismund-Gymnasium im idyllischen Alpenstädtchen Kirchberg in Süd-Tirol.


Martina muss sofort losfahren, denn bis zu den Sommerferien hat sie eine Probezeit zu überstehen, um wirklich das Stipendium zu erhalten. In Kirchberg wird sie am Bahnhof von der taffen Jo Trotz (Lovena Börschmann Ziegler), dem gutmütigen boxenden Matze Selbmann (Morten Völlger) und dem kleinen Uli von Simmern (Wanja Valentin Kube) abgeholt. Die machen ihr auch schon auf dem Weg zum Internat klar, dass es an der Schule strickte Regeln gibt, denn die ″Internen″ und die ″Externen″ mischen sich nicht untereinander, da bereits seit vielen Schülergenerationen eine alte Rivalität zwischen ihnen herrscht und sie auch die Lokalitäten des Städtchens unter sich aufgeteilt haben. Während Jo mehr oder weniger bei den Internen den Ton angibt, wird die Gruppe der Externen von Ruda (Franka Roche) angeführt, der Tochter der Schuldirekto
rin Kreuzkamm (Hannah Herzsprung).

An diesen Streitereien können auch die Erwachsenen nichts ändern weder der Internatsleiter Justus Bökh (Tom Schilling), der es mit Geduld versucht, noch die Schulleiterin Frau Kreuzkamm mit Strenge.

Martina möchte sich eigentlich aus den ständigen Streitereien heraushalten, denn sie merkt recht schnell, dass ihre Leistungen doch nicht so überragend sind, wie sie gedacht hat. Doch sie kann natürlich ihre neuen Freunde, vor allem Jo, mit der sie sich ein Zimmer teilt, nicht im Stich lassen, da kaum ein Tag vergeht, an dem die Internatsschüler mit Ruda und ihrer Clique aneinander geraten.

Als dann Jo die Idee hat, dass sich in diesem Jahr an der Vorbereitung der jährlichen Schulaufführung des ″Fliegenden Klassenzimmers″ auch die Internen der Jahrgangsstufe beteiligen sollen, freut sich zwar die Direktorin, aber die externen Schüler wollen dann nicht mehr mitspielen.

Jo hat eine Idee, dass sie in diesem Jahr die Aufführung auf einem Video festhalten wollen und sucht mit Martina, Matze und Uli nach einem interessanten Drehort. Sie finden ihn in einem Eisenbahnwaggon in der Nachbarschaft der Schule. Erst später stellen sie fest, dass er bewohnt ist und zwar von einem geheimnisvollen Aussteiger, dem sie wegen des Schilds an seinem Waggon den Spitznamen ″Nichtraucher″ (Trystan Pütter) geben.

Klassenzimmer2Nach einer Geschichte, die ihnen Justus Bökh erzählt, erkennen Jo, Martina, Matze und Uli wer der geheimnisvolle Bewohner des Eisenbahnwaggons ist. Doch der hält sich aus den Streitereien zwischen den Schülern heraus, selbst als es zu einer Schlacht zwischen den beiden Gruppen kommt, denn der Graben zwischen Externen und Internen ist einfach zu tief.

Erst als es zu einem dramatischen Unfall eines Schülers kommt, müssen sowohl die internen als auch die externen Klassenkameraden erkennen, dass sich einiges ändern muss und sie jetzt endlich einmal zusammenarbeiten müssen…


″Das fliegende Klassenzimmer″ ist die vierte Verfilmung genau zum 90jährigen Erscheinen von Erich Kästners bekanntem Schul-Roman von 1933. Die früheren Verfilmungen stammen aus den Jahren 1954, 1973 und 2003 (immer passend zu einem runden Jubiläum).

Die erste Verfilmung des fliegenden Klassenzimmers von 1954 hält sich am engsten an die Romanvorlage, denn Erich Kästner hat das Drehbuch selbst geschrieben, Regisseur war Kurt Hoffmann. Kästner ist auch der Erzähler der Rahmenhandlung und spielt noch eine kleine Rolle als er selbst. Die Hauptrolle des Dr. Bökh spielte Paul Dahlke, der Nichtraucher, der mit richtigem Namen Dr. Robert Uthoff heißt, wurde von Paul Klinger gespielt. Der bekannte Sänger Peter Kraus hatte übrigens als 15Jähriger die Rolle des Jonathan ″Johnny″ Trotz in seiner ersten Filmrolle übernommen, auch Regisseur Michael Verhoeven hatte hier seine erste (kleine) Filmrolle.

In der zweiten Verfilmung von Regisseurs Werner Jacobs von 1973 wurde auf die Vorgeschichte verzichtet. Im Grunde gab es im Vergleich zum Buch nur wenige Anpassungen an die veränderten Lebensbedingungen der 1970er-
Jahre. Die größte Änderung war, dass die Handlung vom Winter – wie im Buch - in den Sommer verlegt wurde. Auch das Ende wurde deutlich verändert. Joachim Fuchsberger spielte Dr. Johannes ″Justus″ Bökh und Heinz Reincke war Dr. Robert Uthofft, gen. Nichtraucher. Bernd Herzsprung, der Vater von Hannah Herzsprung, spielt in diesem Film übrigens den Tutoren Theodor Laban.

Noch größere Änderungen gab es bei der dritten Verfilmung des Regisseurs Tomy Wigand von 2003, die in Leipzig spielt, dabei sind die Internen Thomaner. Außerdem wurden die Streitereien mit den externen Mitschülern, zu denen auch Mädchen gehören, zu Themen wie Schulwegmobbing u.ä. verändert. Die Rolle des Johann ″Justus″ Bökh hatte Ulrich Noethen übernommen, den ″Nichtraucher″ Robert Uthofft spielte Sebastian Koch. Bei der Freundschaft der Beiden, wurde auch auf die politischen Veränderungen durch den Mauerfall eingegangen.

Klassenzimmer3
Alle Filme – und das gilt auch für die neuste Verfilmung des Buches - geben die jeweiligen veränderten Zeitverhältnisse wieder. So sind jetzt erstmals nicht alle internen Schüler Jungen, sondern das Johann-Sigismund-Gymnasium ist auch in ihrem Internat eine koedukative Schule. Dabei erhielten die Mädchen ähnliche Namen wie ihre männlichen Vorgänger im Buch. So wurde aus Martin Martina, Johnny wurde zu Jo und Rudi Kreuzkamm wurde zu Ruda. Außerdem wurde mit Sebastian Frank der fünfte Hauptakteur der Internatsschüler weggelassen, vermutlich damit man ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter hatte.

Auch dieser Film spielt nicht wie im Buch im Winter, sondern im Sommer. Gleichzeitig wurde die Schule von Bayern nach Süd-Tirol verlegt. So fanden viele Szenen in dem malerischen Städtchen Glurns, mit seiner einzig erhaltenen geschlossene Wehranlage mit den drei Stadttürmen und eine ganze Reihe von Wehrtürmen statt. Dass aber die Schule von Bayern nach Süd-Tirol verlegt wurde, hatte aber vermutlich seine Gründe in den finanziellen Zuschüssen.

Ziemlich ärgerlich war dann doch der Kniff, dass Martina, die in Berlin eine Einser-Schülerin war, plötzlich in Mathematik eine 4- schreibt, damit Martina von Justus Bökh Nachhilfe bekommen kann und er dadurch erfährt, dass sie – wie im Buch - kein Geld für ihre Heimreise in den Sommerferien hat.

Regie führt beim hier besprochenen Film Carolina Hellsgård, das Drehbuch schrieb in Anlehnung an Erich Kästners Roman Gerrit Hermans. Bei der Besetzung der Schüler-Rollen wurde dabei auf Diversität geachtet, so stammt Jo, gespielt von Lovena Börschmann Ziegler z.B. aus Brasilien und ist bei Pflegeeltern aufgewachsen (Johnny Trotz hat ja bekanntlich einen Schiffskapitän als Adoptivvater). Leni Deschner, die bereits durch die Hauptrolle der Meerie in ″Himbeeren mit Senf″ (2021) bekannt wurde, spielt Martina, die zwar strebsam ist, aber nicht wie im Buch der Klassenprimus ist. Auch die anderen jungen Hauptdarsteller wie Morten Völlger als Matze, Wanja Valentin Kube als Uli, Franka Roche als aufmüpfige Ruda, Leander Schumann als Egerland, Holly Schiek als Sebi und Aaron Sansi als Musti machen ihre Sache sehr gut.

Doch auch in diesem Film stehen Tom Schilling (der bereits im Kinofilm "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" (2021) Erich Kästners Alter Ego spielte) als ″Justus″ Bökh und Trystan Pütter als ″Nichtraucher″ recht stark im Mittelpunkt. Dabei ist auch dieses Mal der Nichtraucher als Schüler ein Externer. Trystan Püttners Nichtraucher hat in diesem Film auch die Rolle des Erzählers übernommen. Beide Schauspieler durften dann am Ende des Films noch in der Kneipe singen, da ihre Charaktere früher zusammen eine Band hatten.

Die Romanverfilmung
ist von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat ″besonders wertvoll″ ausgezeichnet worden, da die Geschichte wohltuend unaufgeregt erzählt worden ist und die Spannungsmomente aber die Entwicklung der Freundschaft innerhalb der Clique gezielt gesetzt wurden. Dadurch ist dem Film eine überzeugende Neuinterpretation des zeitlosen Klassikers gelungen. Die FBW Jugend Filmjury haben den Film mit 4,5 von 5 Sternen bewertet, da der Film greift in unterschiedlichen Handlungssträngen, die alle miteinander verwoben sind und deren Verlauf sich gegenseitig beeinflusst, viele wichtigeThemen wie Freundschaft, Familie, Feindschaft oder Schule aufgreift. Sie empfehlen unterhaltsame Neuauflage des berühmten Romans für Jungen und Mädchen zwischen 7 und 14 Jahren.

Klassenzimmer4Insgesamt ist ″Das fliegende Klassenzimmer″ eine gelungene Neuinterpretation mit kleinen Fehlern des klassischen Kinderbuchs von Erich Kästner. Auch in diesem Film können sich die jungen Zuschauer mit den Schülern identifizieren. Kinder und Jugendliche, die die älteren Filme nicht kennen, wird dieser Film ganz sicher gefallen, aber auch Erwachsene, die das Buch gelesen haben und die älteren Filme kennen, werden sehen, dass die
Geschichte über den Streit zwischen Internats- und externen Schülern und Schülerinnen mit leichten Anpassungen an die heutige Zeit im Großen und Ganzen gelungen ist, denn auch hier geht es um Freundschaft, Solidarität und auch um das Vergeben.

Zusatz 1: Ab dem 03.11.2023 wird es auch ein Hörspiel zum Kinofilm geben.

Zusatz 2: Tom Schilling als Justus und Trystan Pütter als Nichtraucher treten am Ende zusammen in einer Bar als ″Die Banditen″ mit dem Song Mit Träumen kann man fliegen auf.
Interpreten sind Tom Schilling, Trystan Pütter, Alexander Freund, Helge Preuss, Matthias Biermann. Text & Musik stammen von Alexander Freund, Helge Preuss, Matthias Biermann

Hier ist der Text:
Komm wir hau’n ab
Haben uns viel zu lang versteckt
Schon oft dran gedacht
Sind im Morgengrauen zurück

Denn das ist, was wir sind
Wenn wir unsere Lieder singen
Heben wir ab und wir schweben
Über die Dächer und das Leben
Über Berge, jedes Tier
Über Zweifel und das Meer
Angst verloren
Schatten vertrieben
Denn mit Träumen kann man fliegen

Dass die Welt nicht wartet
Haben wir schon verstanden
Doch wir auf sie
Über Wolken getanzt
Wir erfinden die Freiheit
Hab’n sie noch nicht verloren
Und heut wird sie gemeinsam
Wiedergeboren
Wiedergeboren

Über Berge, jedes Tier
Über Zweifel und das Meer
Angst verlor’n
Schatten vertrieben
Denn mit Träumen kann man fliegen
Denn mit Träumen kann man fliegen

Über Berge, jedes Tier
Über Zweifel und das Meer
Angst verloren
Schatten vertrieben
Denn mit Träumen kann man fliegen
Denn mit Träumen kann man fliegen

Foto 1: v.l.n.r.: Die Internen: Uli (Wanja Valentin Kube), Jo (Lovena Börschmann Ziegler), Martina (Leni Deschner) und Matze (Morten Völlger) © UFA Fiction / LEONINE Studios
Foto 2:
Internatsleiter Justus Bökh (Tom Schilling) weist die Internen zurecht, v.l.n.r.: Martina (Leni Deschner), Jo (Lovena Börschmann Ziegler), Matze (Morten Völlger) und Uli (Wanja Valentin Kube) © UFA Fiction / LEONINE Studios
Foto 3: Der Nichtraucher (Trystan Pütter) eilt den Kindern zur Hilfe, v.l.n.r.: Egerland (Leander Schumann), Sebi (Holly Schiek), Musti (Aaron Sansi), Ruda (Franka Roche), Jo (Lovena Börschmann Ziegler) und Martina (Leni Deschner). © UFA Fiction / LEONINE Studios
Foto 4: v.l.n.r.: Die Internen auf der Flucht: Martina (Leni Deschner), Jo (Lovena Börschmann Ziegler), Matze (Morten Völlger) und Uli (Wanja Valentin Kube). © UFA Fiction / LEONINE Studios

Info:
Das fliegende Klassenzimmer (Deutschland 2023)
Genre: Abenteuer, Romanverfilmung, Jugendfilm
Filmlänge: 86 Minuten
Regie: Carolina Hellsgård
Drehbuch:
Gerrit Hermans nach dem gleichnamigen Kinder- und Jugendbuch von Erich Kästner (1933)
Darsteller: Tom Schilling, Trystan Pütter, Hannah Herzsprung, Leni Deschner, Lovena Börschmann Ziegler, Franka Roche, Wanja Valentin Kube, Morten Völlger, Holly Schiek, Leander Schumann, Aaron Sansi, Gabriel Salhab u.a.
Verleih: LEONINE Studios
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 12.10.2023