das arthouse kinoSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. Oktober 2023, Teil 5

Redaktion

München (Weltexpresso) – Sie spielen Max Frisch. Wer ist Max Frisch für Sie? Was bedeutet er Ihnen?


Ich kannte die Romane – „Stiller“, „Homo Faber“, „Mein Name sei Gantenbein“ – und eine Reihe seiner Theaterstücke. Das Spannende für mich war: Seine Romanfiguren haben eine Kraft, eine Stärke, eine Klarheit, etwas Modernes. Sie stellen sich den Umständen, müssen widrige Entscheidungen treffen, müssen sich in der Nachkriegszeit oder in einer erfundenen Welt wie in „Andorra“ elementaren Fragen stellen. Dafür habe ich ihn gefeiert. Auf der anderen Seite wusste ich nichts über ihn privat, für mich war er einfach immer nur dieser Gigant der deutschsprachigen Literatur, über jeden Zweifel erhaben. Das war ein Anreiz, ihn zu spielen.

Eine Lichtgestalt war er, wie wir heute wissen, im Privaten nicht.

Ingeborg Bachmann und er waren das Traumpaar der Nachkriegsliteratur, beide waren außerordentliche Persönlichkeiten. Wieso ist es dann zerbrochen? Wir kennen den Preis, den Ingeborg Bachmann bezahlt hat. Ich habe alles von Max Frisch verschlungen, was es an Bewegtbild und Interviews gibt. Da sieht man immer nur den smarten Max Frisch, ein Mann voller Witz, der tagespolitisch aktuell ist, der gescheit ist und sich wohlfühlt in seinem Metier. Im Zuge der Vorbereitungen und Filmarbeiten mit Margarethe und Vicky hatte ich die Gelegenheit, andere Sachen zu erfahren. Seine Eifersucht. Die Machtspiele. Die Schwächen. Das machte es interessant. Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, habe ich zu Margarethe gesagt: „Er ist ein ganz schönes...,“ naja, ich war sehr hart in meiner Formulierung. „Aber ich finde es toll, dass du diese Seite beleuchten willst. Ich glaube es dir, was du erfahren hast und was du weißt. Ich kann sofort nachvollziehen, warum du Ingeborgs Geschichte erzählen willst. Und warum du seine Geschichte erzählen willst.“

Ihr Max Frisch kann monströs sein, aber er ist immer Mensch, immer nachvollziehbar...

Sich da reinzupacken und hautnah dabei zu sein, mitzuerleben, wie die beiden es schaffen, sich Raum zu geben, dann aber auch den Raum zu nehmen, aneinander und ihren Ansprüchen zu scheitern, war eine starke Erfahrung. Er wollte gerne so sein wie seine Romanfiguren, so modern, was ihre Sexualität, ihre Offenheit anbetrifft, um sich aus der Umklammerung des Miefs der Nachkriegszeit zu befreien. Aber er konnte es nicht leisten, er hat es nicht vermocht. Er ist gescheitert. Mit seiner Eifersucht und an seiner großen Liebe, die er nicht teilen konnte.


Sie sind wunderbar als Max Frisch, raumgreifend, groß, etwas eitel, aber eben auch zart und sehr fein, gerade im Zusammenspiel mit Vicky Krieps... Gibt es denn einen Zeitpunkt, an dem Sie gemerkt haben: Die Chemie stimmt?

Das war gleich bei der ersten Begegnung. Das war noch bei Castingagentin Simone Bär, Gott habe sie selig, eine großartige Frau! Margarethe war dabei. Entweder ist es sofort da oder nicht. Hier war es sofort da. Ein Verständnis, ihr Spiel, ihre Aufmerksamkeit, ihre wachen Augen. Wie sie mit mir spielt, welche Fragen sie stellt. Nie penetrant, aufdringlich, anmaßend. Sie ist das genaue Gegenteil, einfach auf den Punkt. Sie ist eine Frau, die zierlich und klein wirkt zunächst und schlagartig erwächst zu einer Kraft, die einen umhaut und mitreißt, zu einer Größe, dass ich immer damit beschäftigt war mir zu sagen: Sei fokussiert, sei immer da für sie, um ihr etwas entgegenbringen zu können. Sei nicht abgelenkt, nimm sie wahr, mach dich nicht verrückt, höre ihr zu, sieh sie wirklich an, sprich mit ihr. Und lerne. Wir haben zusammen festgestellt: Das sind Glücksmomente, die man als Schauspieler oder Schauspielerin hat, wenn man das miteinander erlebt. Das ist das Nonplusultra für einen Regisseur, wenn man sie kreieren kann, diese Magic Moments, die aus dem richtigen Casting entstehen: Auf einmal ist etwas da, spürbar im Raum, obwohl es derselbe Text ist wie davor. Wir waren glücklich.

Wie haben Sie die Arbeit mit Margarethe von Trotta erlebt?

Es war ein großer Traum von mir, wenigstens einmal mit ihr arbeiten zu können. Jetzt kann ich nur weiterträumen, dass es nicht bei diesem einen Mal bleibt. Selten habe ich mit einem so vitalen und klugen Menschen gearbeitet, alle meine Hoffnungen haben sich erfüllt. Ich habe Margarethe von Trotta lange schon verehrt, für ihr Engagement, für ihre Haltung, für ihre großartigen Filme über großartige Frauenpersönlichkeiten, die im Deutschland nach dem Kriege nicht selbstverständlich waren und das Land auf ihre Weise entscheidend mitgeprägt haben. Wie Ingeborg Bachmann war Margarethe ihrer Zeit immer weit voraus, beides Künstlerinnen, die sich nicht verbiegen lassen, die immer ihren Weg gegangen sind, obwohl es diesen „Weg“ zu ihrer Zeit noch gar nicht gab.

Foto:
©camera zwo- das arthouse kino 

Info:

Besetzung & Stab

Ingeborg Bachmann.   VICKY KRIEPS 
Max Frisch.          RONALD ZEHRFELD 
Adolf Opel             TOBIAS RESCH 
Hans Werner Henze.    BASIL EIDENBENZ 
Marlene               LUNA WEDLER 
Tankred Dorst      MARC LIMPACH

Regie, Drehbuch     MARGARETHE VON TROTTA

 TECHNISCHE DATEN

Schweiz/Österreich/Deutschland/Luxemburg 2023 Laufzeit: 110 Min.