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Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. Oktober 2023, Teil 7


Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wer in dem Alter ist, daß er Ingeborg Bachmann zu ihren Lebzeiten - 1926 (Klagenfurt) bis 1973 (Rom) - kannte, der weiß um die heftige Liebesgeschichte zwischen dem so sensiblen wie prätentiösen Star der damaligen Literaturszene aus Österreich und dem männlichen Pendant, dem Schweizer Erfolgsautor Max Frisch, deren Ende für die Dichterin demütigend war, als sich Frisch in Marianne Oellers verliebte.  

Ingeborg Bachmann hatte verschiedene Liebesbeziehungen, die tiefste und durch den Briefwechsel dokumentierte war das Verhältnis mit Paul Celan, weshalb Margaretha von Trotta, Buch und Regie, schon begründen mußte, weshalb sie gerade diese Jahre 1958 bis 1962 für ihren Film über Ingeborg Bachmann heraussuchte. Es sind schon deshalb interessante Jahre, weil Bachmann seit dem März 1959 mit der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden und ihrer Dankesrede– damals eine wichtige Angelegenheit und ihr Satz für die Ewigkeit: DIE WAHRHEIT IST DEM MENSCHEN ZUMUTBAR – zu den wichtigsten öffentlichen Stimmen Deutschlands gehörte. Für mich ist diese Szene auch im Film eine der wichtigsten, sieht man doch eine fast reine Versammlung aus Männern in schwarzen Anzügen als Zuhörern! Ja, so war das in der frühen Bundesrepublik und so blieb es noch länger.

Der Film beginnt mit dem Ende. Frisch (Ronald Zehrfeld) hat ihr (Vicky Krieps) den Abschied gegeben und ihr Fortsetzungsangebot erwidert er mit Wiehern. Das ist der Punkt, von dem an sich der Film in Erinnerung und Versuch der Heilung spaltet, wo zuerst die erste persönliche Begegnung in Paris und deren Folgen in der Rückerinnerung durch ihre Augen erscheint und ihr gegenwärtiger elender psychischer, mentaler und körperlicher Zustand den anderen Strang bildet, den sie mit der Ägyptenreise, die der Wiener Alfred Opel (Tobias Resch) unternimmt und sie zum Mitkommen auffordert, heilen will.

Die Jahre mit Frisch, erst in Zürich, dann Rom, entfalten mit Liebe zum Detail – es stimmt alles, die Einrichtung, die Kleider, die Atmosphäre, das Rauchen, das Trinken - , wie sich ein kreativer Mann eben mit einer ebensolchen Frau faktisch und körperlich durchsetzt. Eindringlich, wenn er als Frühaufsteher auf der Schreibmaschine klappert und sie deshalb nicht schlafen kann. Im Film ergeben sich ständig ‚Beweise‘, wie schwierig das ist, mit den Männern und den Frauen, potenziert, wenn es um geistig arbeitende Menschen geht, denn Inspiration und läßt sich nicht planen, um so schlimmer, wenn man ihr nicht nachgehen darf, wenn sie da ist. So also die Rückblende, die immer wieder abgebrochen wird durch die Gegenwart in der Wüste, in der die Handlungsarmut, die einfach gegenüber einem so prallen Leben mit Frisch eintritt, durch Gespräche mit Opel, mit dem sie eine Beziehung eingeht und allerlei erotischen Spielen, auch nicht durch die wunderbaren Sandwüsten, die Sonne und ihre Spiegelungen im Sand ein Äquivalent bilden können.

Die Regisseurin so wunderbarer Frauenfilme, Margarethe von Trotta, hat einerseits alles gegeben und einen sehr farbigen, ästhetisch stimmigen Film gedreht, der die Beziehung der beiden auf die Dominanz des Mannes und die Empfindlichkeit der Frau zurückführt und ihren Tod durch eine brennende Zigarette, viele Jahre später und bis heute nicht aufgeklärt, ob Unfall oder gewollt, gewissermaßen vorwegnimmt. Und dennoch und dennoch.

Ich hadere mit Zweierlei. Es kommt das literarische Wunderkind, als die Bachmann zu ihrer Zeit empfunden wurde, einfach nicht genug heraus. Während ein Schriftsteller von Romanen wie Frisch noch heute präsent ist, sind die Gedichte und Stücke, Erzählungen und weitere Prosa von Bachmann weit weniger bekannt, weshalb sie im Film mehr Raum hätten haben müssen. Aber das Entscheidende ist etwas anderes. Obwohl ich ein ausgesprochener Fan von Vicky Krieps bin – und das nicht erst seit heute, wo sich ihre spezielle Begabung, eine Person mit Haut und Haaren und vor allem unter der Haut darstellen zu können, endlich herumgesprochen hat – wird sie in diesem Film trotz aller Schauspielkunst einfach nicht zu Ingeborg Bachmann. Diese war viel diesseitiger, nicht so ätherisch, äußerlich nicht so empfindlich, eine schöne, innerlich komplizierte, einfach eine andere Frau als die sie Krieps darstellt. Leider. Denn der Film ist ansonsten großartig und Krieps auch.


Foto:
©Verleih


Info:

Besetzung & Stab

Ingeborg Bachmann.   VICKY KRIEPS 
Max Frisch.          RONALD ZEHRFELD 
Adolf Opel             TOBIAS RESCH 
Hans Werner Henze.    BASIL EIDENBENZ 
Marlene               LUNA WEDLER 
Tankred Dorst      MARC LIMPACH

Regie, Drehbuch     MARGARETHE VON TROTTA

 TECHNISCHE DATEN

Schweiz/Österreich/Deutschland/Luxemburg 2023 Laufzeit: 110 Min.