Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. Oktober 2023, Teil 6
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Der rundherum opulente Film der Margarethe von Trotta lief in diesem Jahr im Wettbewerb der Berlinale, auf der ich seit Jahren, Jahrzehnten insbesondere die Wettbewerbsfilme rezensiere. Das war in: Serie: 73. Internationale Filmfestspiele Berlin vom 16.– 26.02.23, BERLINALE, Wettbewerb 8. Da die Filme erst später, und wie dieser sehr viel später in die Kinos kommen und es dazu Pressevorführungen gibt, auf denen ich den Film ein zweites und drittes Mal wiedersah, wobei man immer sowohl Bekanntes bestätigt sieht, wie auch völlig Neues entdeckt, was ja nicht sein kann, denn man hatte es ja schon gesehen (?), ist es interessant, inwiefern sich Eindrücke widersprechen, ergänzen, vertiefen. Urteilen Sie selbst. Hier die Fassung vom 21. Februar 2023.
Ingeborg Bachmann, literarischer Star der Fünfziger, ihr Leben, ihre Beziehung mit Max Frisch, der sie nicht nur in ihren eigenen Augen verriet und dies im Roman Montauk auch noch der Welt mitteilte, bleibt für diejenigen, die das und ihren grauenvollen Verbrennungstod in Rom 1973 miterlebten, eine ewige Wunde. Ein Film über die beiden, wo gerade der Briefwechsel beider erschienen ist? Schwierig. Schwierig, zumal der Suhrkamp Verlag Margarethe von Trotta keine Vorabeinsicht gewährte. Aber, wenn schon nicht im Leben, geht das Drama für die Leinwand gut aus.
Den filmische Ausweg aus der schwierigen Gemengelage, siedelt die für ihre beeindruckenden Filme über Frauen (Hannah Arendt, Rosa Luxemburg, Die abhandene Welt, viel zu wenig beachtet….) bekannte Regisseurin, die auch das Drehbuch schrieb, in Ägypten an. Dort nämlich in der Wüste, in die sie (Vicky Krieps) den Literaten Adolf Opel (Tobias Resch) mitzunehmen bittet, was dieser gerne tut, hofft sie, zu sich zu kommen, nach dem Desaster mit Max Frisch. Auf dieser Reise, die sie als distanziertes Liebespaar per Sie unternehmen, findet sie – laut Film – eine Art von Heilung (rechts).
Die Handlung springt zwischen verschiedenen Zeiten, Orten und Menschen, das bekommt man aber gut mit. Die Orte sind am Anfang häufig Zürich, im zweiten Teil Rom und eben Ägyptens Wüste.
Kennengelernt haben sich die beiden persönlich in Paris im Juli 1958, wohin Max Frisch (Ronald Zehrfeld), von ihrem Schreiben beeindruckt, sie eingeladen hatte, da dort sein Stück gerade aufgeführt wurde. Sie sind voneinander beeindruckt, verliebt, aber Ingeborg Bachmann erlebt auch seine Übermacht über sie und flieht. Doch treibt es sie zu ihm und auf seine Bitte, seinen Wunsch, seinen Vorschlag, bei ihm in Zürich zu leben, geht sie ein. Wie es ist, wenn eine Frau in den Haushalt eines Mannes zuzieht, wie fremd nämlich, kommt nebenbei auch ins Bild. Doch entscheidend ist, daß sie ihn kreativ macht und er dauernd und schon früh morgens an der Schreibmaschine sitzt, die laut klappernd ihren Schlaf stört. So fängt es schon an. Er, er, er. Daß Frisch zwar raumgreifend und am Anfang auch besitzergreifend ist, bekommen wir mit, aber eben auch, daß er sie liebt und verehrt. Doch sie kann hier nicht schreiben. Nicht richtig, während sie seine Muse ist.
Sie geht zurück nach Rom, wo das erneute Zusammentreffen mit dem Komponisten Hans Werner Henze (Basil Eidenbenz), mit dem sie eine tiefe Freundschaft und innige Arbeitsbeziehung verband, ihr guttut, der grundlegend an ihre Schöpfungskraft appelliert und die Verantwortung, die ihre Kreativität mit sich bringe, der sie ihr Leben weihen müsse und sich nicht durch Liebe zu falschen Männern ablenken dürfe.
Doch sie will ja mit Frisch. So geht dieser zwangsläufig auf ihren Vorschlag ein, nach Rom zu kommen. Keine Stadt für den Schwergewichtigen, was seine Ausstaffierung mit elegantem weißen Anzug, was sie schön findet, noch betont. Es holpert gewaltig zwischen den beiden, wo sie kapriziös durch die Stadt schwirrt und er schwerfällig hinterherdackelt. . Es ist ja schwierig, wenn nicht unmöglich, das Leben und Liebesleben zweier prominenter Menschen ‚korrekt‘ auf die Leinwand zu bringen. Aber davon muß man sich auch als Zuschauerin frei machen. Es wird die Struktur der Beziehung und damit auch die Problematik in ihrer Doppelgesichtigkeit gezeigt und das gelingt dem Film sehr gut: es geht nicht nur um die, dem damaligen Selbstverständnis der meisten Männer entsprechende Rollen, daß die Frau einkauft, kocht, das Leben organisiert, was nicht Bachmanns Sache ist, sondern auch um die Schwierigkeit, wie zwei Kreative, die ihrer inneren Stimme, wann schreiben möglich ist und wie es zu fördern ist, folgen möchten.
So erleben wir einen Mann, der fasziniert von der Frau, eben doch nicht neidlos ihre Auftritte – toll inszeniert ihre Rede Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar am 17. März 1959 in Bonn vor der Versammlung von lauter schwarzgekleideten Männern, ein Bild, wie es damals wirklich zuging, das heutzutage dann doch anachronistisch wirkt, Männerbünde, die jedoch auch heute bei Wirtschaftssitzungen noch anzutreffen sind – erlebt und gleich doppelt eifersüchtig ist, auf ihre Sprachfähigkeit und auf die Männer, die sie verehren, was ihr gefällt. Überhaupt das Gefallen. So waren sie, ästhetisch, die Zeiten, die immer noch die Nachkriegszeiten sind, und wo Frauen sich in eleganten Kleidern mit Handtasche und hohen Schuhen zeigen und bewegen, worin Bachmann Meisterin war, weil sie ihre feminine Ader ausleben konnte, wußte, was ihr steht und latent als Verführerin, die einen Mann zur Verfolgung animiert ‚ihren Mann stand‘.
Im Film kommen so viele Details vor, auf die man gar nicht alle eingehen kann, wie die merkwürdig gut-bürgerliche ablaufende Einladung von Gruppe 47- Mitglied Tankred Dorst, der seine Partnerin Marianne Oellers mitbringt, mit der sich dann, Jahre später - 1968 - Frisch zusammentut und sie heiratet. Der Pakt ist noch wichtig, den Bachmann/Frisch 1960 miteinander eingehen: Dritte und Vierte im geschlechtlichen Reigen sind erlaubt, aber keine Liebe. Doch 1962 ist es aus. Frisch verläßt Rom, womit jedoch erst einmal nur die äußere Trennung angesprochen ist. Um die innere ringt Ingeborg Bachmann zeitlebens.
Ja, es wäre eine gute Konsequenz, wenn die Zuschauer dieses Filmes die gerade herausgekommene Korrespondenz zwischen Bachmann und Frisch läsen. Denn dann kann man das beiderseitige Verhältnis noch besser einschätzen. Der Film-Max-Frisch ist ein sperriger Typ, der sich Sonne genug ist, aber er vermittelt neben dem Unverständnis für sie, auch seine Hingerissenheit zu dieser Frau. Vicky Krieps war mir lange eine seelenvolle Ingeborg Bachmann, bis ich ab irgendwann dachte, daß ihre Darstellung doch etwas zu viel Vicky Krieps und zu wenig Ingeborg Bachmann sei. Die hatte nämlich bei allem äußeren Liebreiz auch eine spröde Seite, eine Herbheit, etwas Widerständiges, wofür es für sie ja auch genug Gründe gab.
Fotos:
©Berlinale.de
Info:
Stab
Regie Margarethe von Trotta
Buch Margarethe von Trotta
Kamera Martin Gschlacht
Darsteller
Vicky Krieps (Ingeborg Bachmann)
Ronald Zehrfeld (Max Frisch)
Tobias Resch (Adolf Opel)
Basil Eidenbenz (Hans Werner Henze)
Luna Wedler (Marlene)
Marc Limpach (Tankred Dorst)
Roberto Carpentieri (Giuseppe Ungaretti)
Katharina Schmalenberg (Isolde Kurz)