zweiSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Oktober 2023, Teil 4

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) – 
Dieser Film begann - wie so viele seiner Art - als Traum; darin eine heimelige und doch eigenartig fremde Bergwelt, ein Physikerkongress, der natürlich niemals stattzufinden scheint und eine amorphe “Verschwörung”, die bis zuletzt undurchsichtig bleibt. Und dieser Film soll sich anfühlen wie ein Traum; einer, der so eigenartig wie unterhaltsam sein darf, und der auch immer wieder auf ein Kino von früher - oder eher: auf eine amalgamierte Erinnerung eines Kinos von früher rekurriert - ein bisschen so, als hätten Hitchcock, Lynch (und viele andere, bekannte und vergessene Gestalten) auf dem Teppich einer alten Hotellobby Liebe gemacht.

Dazu gehört Musik: “Gebrauchsmusik” wie bei Hermann oder Misraki, die pathetisch und lärmend und naiv, aber auch komplex und filigran und widerspenstig sein muss. So wie das, was wir unter klassischer Filmmusik verstehen, ja die längste Zeit in einem merkwürdig spätromantischen Zwischenstadium gefangen blieb, und dabei zu den besten Zeiten in der Lage war, die gleiche Strecke Zeit mit genau so ironischer Distanz wie ehrlichem Gefühl zu füllen.

Genau diese Gleichzeitigkeit widersprüchlicher Haltungen und Gefühle hat mich bei diesem Film interessiert - folgen wir hier der tragischen (& vielleicht allzu altbekannten) Geschichte eines unentdeckten Genies oder betrachten wir die leicht paranoiden Verirrungen eines unfertigen Idioten, der metaphysischen Schatten hinterherjagt? Dieser Film tut immer beides. Schrödingers Katze ist hier sozusagen genial und hirntot zugleich. Und streift dabei en passant einige unverdaut gebliebene Phänomene des 20. Jahrhunderts, diesem langen währenden Jahrhundert, das es trotz aller realer Schrecken und der Entdeckung chemischer Psychedelika nicht geschafft hat, die alte Idee des Individualgenies zu zerstören, das glaubt, vom Schicksal geleitet zu sein und göttlichen Offenbarungen nachzugehen. Die Alternative - der Gedanke nämlich, ein indifferentes, chaotisches Universum zu bewohnen - bleibt für uns unerträglich - obwohl die Beweislage, die in diese Richtung geht, manchmal erdrückend scheint (und ich persönlich beiden Möglichkeiten ähnlich viel abgewinnen kann). Aber diese Unsicherheit lässt uns mit einer unbeantworteten - und vielleicht unbeantwortbaren - Frage zurück: Was hat das alles zu bedeuten? - und kann es überhaupt irgendetwas bedeuten?

Das Produktivste, was einer Antwort vielleicht nahe kommt, ist für mich das Multiversum des Kinos - und seine bis heute andauernde Fähigkeit, unsere kollektiven Träume und die Falltüren der sogenannten Realität miteinander zu verschmelzen, die alten Karten neu zu mischen. Genau wie Johannes wissen wir vielleicht gar nicht, wer die seltsame Musik geschrieben hat, die aus dem Flur zu hören ist; aber wir erkennen die Melodie.

Foto:
©Verleih

Info:
Stab
Regie    Timm Kröger
Buch     Roderick Warich, Timm Kröger
Roland Stuprich     Kamera


Besetzung
Jan Bülow    Johannes Leinert
Olivia Ross   Karin Hönig
Gottfried Breitfuß    Prof. Henry Blumberg
David Bennent    Kommissar Arnold
Philippe Graber.  Kommissar Amrein
Imogen Kogge     Anna Leinert