Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Oktober 2023, Teil 1
Hettie Macdonald
London (Weltexpresso) – Als ich den unglaublichen Roman von Rachel Joyce, DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY, las, war ich sofort fasziniert. Rachel setzt sich in ihrem Roman mit den großen Themen Trauer, Verlust, Schuld und Heilung auseinander, was ihm etwas Universelles verleiht. Ich finde, dass Harold ein außerordentlicher Held ist. Indem er mutig und voller Vertrauen Schritt für Schritt ins Unbekannte aufbricht, zeigt Harold, dass Heilung möglich ist.
Weil so viel der Geschichte in Harolds Kopf spielt, besteht die große Herausforderung von HAROLD FRY darin, diese Ereignisse im Film visuell darzustellen. Als ich das Drehbuch zum ersten Mal las, fielen mir hierfür sofort zahlreiche Möglichkeiten ein. Harold trägt sehr viel innere Unruhe und Konflikte in sich, zugleich ist seine Reise emotional, sogar poetisch. Aus filmischer Sicht bietet sich hier eine wunderbare Gelegenheit an, jemandem nah zu sein und ihm auf seiner Reise zu begleiten.
Die Natur sowie die Landschaft spielen dabei eine unglaublich kraftvolle Rolle, also hat uns zusammen mit den anderen Figuren auch England geholfen, Harolds Geschichte zu erzählen. Ich beschloss, dass die bestmögliche Herangehensweise wäre, die Reise selbst zu unternehmen – also stiegen die Kamera- frau Kate McCullough und ich ins Auto und fuhren Harolds Pilgerroute, den ganzen Weg von Kingsbridge nach Berwick-upon-Tweed. Es war eine sehr prägen- de Erfahrung - wir nahmen wahr, wie sich auf dem Weg nach Norden die Landschaft und die Leute änderten. Das Ganze half uns dabei, Harolds Pilger- reise zu verstehen. Letztlich war es diese Reise, die uns bestätigte, den Film in chronologischer Folge zu drehen. Die Drehorte und auch die Szenen wählten wir danach aus, was sich für die emotionalen Ge- gebenheiten der einzelnen Szenen richtig anfühlte. Da wir chronologisch drehten, konnte sich Jim, während er durch das Land zog, auf natürliche Art und Weise gehen lassen. Was für ein Glück, mit dem groß- artigen Schauspieler Jim Broadbent zu arbeiten. Natürlich müssen dabei auch die Locations stimmig sein. Ich glaube, es hat uns etwas so visuell Starkes gegeben, weil alles echt ist: Jim sah tatsächlich „verwittert“ aus, er lief wirklich da draußen. Das floss auf eine sehr schöne Art und Weise in seine Performance ein.
Es ist eine ziemlich große Herausforderung, die Figuren Harold und seine Frau Maureen auf die große Lein- wand zu bringen: Sie sind in Schweigen gehüllt und scheinen beinahe die ganze Zeit den Atem anzuhal- ten. Aufgrund der Tatsache, dass Jim Broadbent beim Erscheinen des Romans das Hörbuch eingesprochen hatte, war er die erste Wahl für die Hauptrolle. Zusam- men mit Penelope Wilton, die eine unglaublich präzise emotionale Komplexität und Tiefe einbringt, schafften sie es, ein Paar darzustellen, das voneinander ge- trennt war und doch in diesem zentralen Moment der Veränderung vereint ist.
Meine Hoffnung ist es, dass die Zuschauer*innen von diesen Darstellungen auf ähnliche Weise berührt werden und auch, dass sie dadurch die Wichtig- keit erkennen, auf Menschen zuzugehen sowie zu Menschen und Orten, die einen umgeben, eine Verbin- dung herzustellen. dass man auf die Leute zugeht und zu den Leuten und Orten um einen herum Verbindun- gen herstellt. Dies ist eine schöne und optimistische Geschichte, die uns dazu anspornt, tapfer zu sein, einen Schritt in die Dunkelheit zu wagen, auch wenn sie etwas beängstigend ist, um sich mit dem, wovor man Angst hat, zu konfrontieren. HAROLD FRY lehrt uns, dass Dinge sich ändern können und dass mit etwas Vertrauen auch etwas Gutes entstehen kann.
Info:
STAB
Regie. Hettie Macdonald
Drehbuch. Rachel Joyce, basierend auf dem Buch von Rachel Joyce
Kamera. Kate Mccullough
BESETZUNG
Harold Fry. Jim Broadbent
Maureen Fry. Penelope Wilton
Queenie. Linda Bassett
Länge 108 Minuten
FSK ab 12 Jahren