Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. November 2023, Teil 6
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gregor Weber, der Leiter der Abteilung Bildende und dekorative Kunst am Rijksmuseum in Amsterdam, ist ein renommierter Experte des niederländischen Malers Jan Vermeer van Delft, auch Johannes Vermeer genannt. Kurz vor seinem Ruhestand möchte er noch versuchen, die größte Vermeer-Ausstellung aller Zeiten für das Museum zu kuratieren.
Das bedeutet nicht nur, dass er hofft, alle bekannten 37 Werke des Malers in der Ausstellung in Amsterdam zeigen zu können, sondern es soll auch geklärt werden, ob einige unsichere Werke wirklich von Vermeer sind. Außerdem versucht er auch zusammen anderen Vermeer-Enthusiasten und Experten das Geheimnis zu lüften, was das Besondere von Vermeers Bildern eigentlich ausmacht.
Über den holländischen Maler, der im Oktober 1632 in Delft geboren wurde und dort auch im Dezember 1675 starb, ist persönlich nicht allzu viel bekannt. So gibt es z.B. überhaupt kein Selbstbildnis von ihm. Wenn er als Maler im Bild auftaucht, hat er sich selbst immer von hinten gemalt (wie bei Die Malkunst - 1666/1668). Auch sind keine Briefe oder andere schriftliche Notizen über Kunst von ihm erhalten geblieben. Daneben fehlen auch Zeichnungen oder Studien, auch konnte bei keinem seiner Bilder nachgewiesen werden, dass es ein Auftragswerk war.
Johannes Vermeer ist sicher einer der bekanntesten niederländischen Maler des Barock. Heute gilt der Delfter Maler neben Rembrandt van Rijn als der berühmteste Künstler in der Epoche des sogenannten Goldenen Zeitalters der Niederlande. Um 1650 arbeiteten in den Niederlanden circa 700 Maler, die jährlich etwa 70.000 Gemälde fertigstellten. Dabei war Delft eines der vielen Zentren der Malerei – neben Amsterdam, Haarlem, Utrecht, Leiden, Den Haag und Deventer. Dabei hatten sich viele der Maler auf ganz bestimmte Sujets spezialisiert. Vermutlich wurden so etliche Millionen Bilder hergestellt, von denen heute kaum mehr zehn Prozent erhalten sind.
Vermeer schuf in seinen teilweise sehr kleinformatigen Bildern ganze Universen. Dabei stellt seine malerischen Qualitäten die Experten bis heute vor ungelöste Rätsel, denn er war ein absoluter Meister von Perspektive, Komposition, von den farbigen Schatten und besonders vom Licht. Außerdem war Vermeer bekannt für sein konturloses Zeichnen.
Da die 37 bekannten Gemälde Vermeers über den gesamten Globus verteilt sind – außer einem sind sie alle in Museen untergebracht – hat Gregor Weber versucht, möglichst viele der Bilder für die Ausstellung zu bekommen, auch damit man den zeitlichen Ablauf seiner Bilder und dadurch die Intension des Malers besser verstehen kann.
Doch nicht jedes Museum war bereit, die wertvollen Bilder zur Verfügung zu stellen. Als Gründe wurden z.B. genannt, dass das Bild für die Abiturprüfungen im Fach Kunst zur Verfügung stehen müsste (Das Mädchen mit dem Weinglas - 1659/1660) aus dem Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig oder dass die drei Bilder im Metropolitan Museum of Art in New York durch die Schenkungsverfügung das Museum nicht verlassen dürften.
Daneben war auch bei mindestens zwei Bildern nicht klar, ob sie wirklich von Vermeer stammen (es ist auch nicht bekannt, ob er Schüler hatte und wieweit seine zahlreichen Kinder in der Werkstatt mitgeholfen haben). So wurde kurz vor der Eröffnung von amerikanischen Wissenschaftlern behauptet, dass das Bild Mädchen mit Flöte (1669/1670), das in den National Gallery of Art in Washington D.C. hängt, nicht von Vermeer stammen könnte, da einige Teile des Bildes untypisch seinen. Man hat sich inzwischen darauf geeinigt, das es jetzt unter Studio Johannes Vermeer gehandelt wird.
Das Rijksmuseum in Amsterdam zeigte die Ausstellung vom 10. Februar bis zum 4. Juni 2023. Bei der bisher größten Vermeer-Ausstellung konnten die zahlreichen Besucher 28 der noch bekannten 37 Werke des Künstlers sehen.
In ″Vermeer – Reise ins Licht″ gibt die renommierte niederländische Regisseurin Suzanne Raes, die auch selbst das Drehbuch verfasst hat, einen spannenden Einblick in die Realisierung dieser großartigen Vermeer-Ausstellung. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Bilder selbst, sondern sie folgt den Hauptakteuren, den Kuratoren Gregor Weber und Pieter Roelofs sowie den Restauratorinnen Abbie Vandivere und Anna Krekeler, bei ihrer Arbeit, ihren Gedanken und Gefühlen.
Die Dokumentation zeigt, welche Diplomatie es bedurfte, bis Gregor Weber die Vermeer-Bilder aus den verschiedenen Museen nach Amsterdam bekommen hat. Auch die Momente, in denen er keinen Erfolg hatte, werden gezeigt.
Spannend sind besonders die Untersuchungen der Bilder. Dabei wurde darauf hingewiesen, welche Bedeutung das Grün in Vermeers Bildern hat. Aber am Interessantesten sind sicherlich die Röntgen-Aufnahmen, denn durch das Scannen Schicht für Schicht, kann man mehr über das Auftragen der Farben, die möglichen Vorzeichnungen und Korrekturen oder die genutzte Leinwand erfahren (so zeigt sich z.B., dass zwei Bilder auf Teilen der gleichen Leinwand entstanden sind). Diese Untersuchen war besonders bei der Frage wichtig, ob das Bild Mädchen mit Flöte (1669/1670) wirklich von Jan Vermeer stammt oder evtl. ″nur″ aus seiner Schule. Auch wurde für die Ausstellung extra die Briefleserin am offenen Fenster (1657) aus der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden restauriert.
Insgesamt ist die Dokumentation ganz sicher ein Film für Zuschauer, die daran interessiert sind, wie ein solch großartige Ausstellung entsteht, welche Probleme es gibt und welche neuen Ergebnisse die Wissenschaftler heraus bekommen. Deshalb erzählt ″Vermeer – Reise ins Licht″ auch eine Menge über die Art, wie Johannes Vermeer gemalt hat, aber vor allem geht es darum, wie das Museumsmaterial zu der Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum letztendlich zusammen getragen wurde, welche Empfindungen die Wissenschaftler dabei hatten und wie das Ergebnis letztendlich ausgesehen hat. Das alles macht den Film dann auch für Laien ohne zu viel Vorwissen interessant und sehenswert.
Foto 1: Plakatmotiv der Ausstellung © Neue Visionen
Foto 2: Gregor Weber, der ehemalige Leiter der Abteilung Bildende und dekorative Kunst am Rijksmuseum vor Vermeers Briefleserin in Blau © Neue Visionen
Foto 3: Anna Krekeler, Gemäldekonservatorin und Forscherin am Rijksmuseum mit dem Vermeers Dienstmagd mit Milchkrug © Neue Visionen
Info:
Vermeer – Reise ins Licht (Niederlande 2023)
Originaltitel: Dicht bij Vermeer
Genre: Dokumentation, Vermeer, Ausstellung
Filmlänge: ca. 79 Min.
Regie: Suzanne Raes
Drehbuch: Suzanne Raes
Mitwirkende: Gregor Weber, Pieter Roelofs, Abbie Vandivere, Anna Krekeler, Jonathan Janson u.a.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih GmbH
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 09.11.2023