as theyAb 26. Oktober als DVD

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine Familie, die jeder, nein, dann doch nicht jeder, also: eine Familie, bei der eine Flut von Problemen zusammenkommen, was schon im einzelnen eine Familie schwer bewältigt. Das alles wird deutlich, wenn wir ausgehend von der Jetztzeit, wo Vater Eugene (Dustin Hoffman) schwer krank und von seiner Frau Barbara (Candice Bergen) dominiert, alle Hoffnung auf Tochter Abigail (Dianna Agron) ruht, die sich rührend um die Eltern kümmert und ihre schwierige Rolle hingebungsvoll mit Leben füllt.

Unter welchen Bedingungen aber Abigail dies tut, wie sie heute lebt, geschieden, zwei Kinder ist nur die eine Seite, die andere, daß in Rückblicken der Kindheit von Abigail auch die schon damals bestehenden Strukturen der Familie deutlich wird, die eben bis heute dauern.: Dominanz der Mutter, sich zurückhaltender Vater, sich heraushaltender Sohn.

Die Rückblenden bedeuten auch, daß der Zuschauer mitdenken muß, wo er sich gerade befindet, was aber wirklich nicht überfordernd ist. Im Gegenteil zur Situation von Abigail. Die soll nämlich jetzt für die Eltern entscheiden, eine Pflegekraft für den Vater zu engagieren, weil Eugene nicht mehr gehen kann. Das ist aber nur der Anfang vom Hinscheiden ihres Vaters, der an einer degenerativen Krankheit leidet, was die Eltern nicht wahrnehmen wollen. Das wird über kurz so schlimm, daß Eugene in ein Hospiz kommt mit der Lebenserwartung von sechs Monaten. Barbara, die wir von Beginn an als herrschsüchtige, alles bestimmende, sehr oft unangenehme Frau erleben, kann den baldigen Tod ihres Mannes nicht verwinden, sie bricht zusammen, was eine weitere Anforderung für Abigail bedeutet.

Nun will sie ihrem Bruder Nathan (Simon Helberg) nahebringen, daß er, der sich seit Jahren weigert, die Familie zu besuchen – nicht des Vaters wegen, wie er betont, sondern, weil er seine Mutter nicht besuchen will – seinen Vater besuchen soll. Da kann die arme Abigail aber reden wie sie will, er will einfach nicht. Also haben wir das zweite unangenehme Familienmitglied! Er wird wirklich als sehr unangenehm, total unempathisch dargestellt. Zwar besucht er den Vater dann doch, aber so richtig kommt keine Freude auf

Da der Film die Situation aus den Augen von Abigail schildert, nimmt ihre private Situation größeren Raum ein. Sie selbst ist mal brav, mal aufmüpfig, mal traurig, mal verzweifelt, immer aber sehr menschlich dargestellt. Das bezieht sich jetzt besonders auf die zunehmende Zuneigung zu ihrem Gärtner Jay (Justin Chu Cary), der für sie ein Fels in der Brandung wird im Gegensatz zu ihrem Exmann Peter (Charlie Weber) , der nur nervt, Ansprüche stellt und auch in dieser Situation seiner Exfrau jede Hilfe verweigert.

Bleibt das Abwarten des Vaters auf den Tod. Er hat mit Garrick (Julian Gant) einen wirklich helfenden Pfleger, der zusammen mit Abigail das Sterben begleitet. Die Beerdigung folgt, wobei Barbara mit ihrem toten Mann besser zurecht kommt, als mit dem sterbenden, was man verstehen kann. Weniger, daß der schmallippige Sohn, übrigens Professor an einer Universität mit einem interessanten Fachgebiet, seinen Vater nicht mitbeerdigt. Wie immer sind solche Beerdigungen, an die sich ein geselliges Zusammensein anschließt, ein emotionaler Ritt über den Bodensee. Aber das gehört zum Leben wie zum Tod. Auf jeden Fall ist Barbara mit der Veranstaltung hochzufrieden.

Abigail dagegen wird das erst, als ein halbes Jahr später ihr Bruder sie zur Abschlußfeier seiner Tochter einlädt, was sie freut und wohin sie dann fährt. Bruder und Schwester fallen sich in die Arme.

Hat man gemerkt, daß dieser Film bei der Betrachterin sehr ambivalente Gefühle auslöste? Ja, immer wieder geradezu Widerwillen? Das liegt sicher daran, daß man im Jahre 2021, als der Film gedreht wurde und 2022, als er herauskm, mit solchen Männern, die sich aus allem raushalten, wie der Sohn, schon seine Schwierigkeiten hat, dann aber noch zusätzlich ertragen zu müssen, daß die Frau, die sich als Familienmitglied vorbildlich verhält, ihrem Bruder hinterherläuft. Darf man an der Geschichte denn Kritik üben? Ja, dann nämlich, wenn ein Film die historische wie psychosoziale Dimension so außer acht läßt und sich eben nur auf die Darstellung der Familienaufstellung stützt und keine Meinung äußert.

Aber das ist nicht die Spitze des Eisbergs, eher eine persönliche Bemerkung. Was wirklich ärgert, ist die unzureichende Beschreibung der Charaktere. Candice Bergen gibt die mehr als kantige, weil herrschsüchtige Mutter beeindruckend. Das ist schauspielerisch ein Erfolg. Aber warum sie so geworden ist, oder ob sie immer so war, bleibt dem Zuschauer verschlossen, wie überhaupt die Kindheitserinnerungen der Abigail zwar einiges erklären, aber nicht die Ehe der Eltern, erst recht nicht die Person des Vaters dem Zuschauer deutlich wird. Das bleibt auf oberflächlicher Ebene.
Dabei wurde in den USA dieser Film, sehr beachtet, weil dessen Regisseurin die bekannte Schauspielerin Mayim Bialik (The Big Bang Theory) ist. Daß es ihr Debüt als Regisseurin und Drehbuchautorin ist und sie selber davon spricht, daß vor kurzem ihr Vater gestorben ist, was sie motiviert hat, macht die Sache nicht leichter. Ein Aspekt, der noch nicht zum Tragen gekommen ist, ist, daß es sich um eine jüdische Filmfamilie handelt, was aber nur ein Hinweis, aber keine Erklärung ist.

Foto:
Umschlagabbildungen

Info:
Stab:
Buch und Regie     Mayim Bialik

Darsteller

Dianna Agron als Abigail
Simon Helberg als Nathan
Candice Bergen als Barbara
Dustin Hoffman als Eugene,
Justin Chu Cary als Jay
Charlie Weber als Peter
Julian Gant als Garrick,
John Wollman als Dr. Ashkenazy
Sweta Keswani als Dr. Patel

As They Made Us - Ein Leben lang
DVD

USA, 2022
FSK ab 12 freigegeben 
Erscheinungstermin: 26.10.2023

Genre: Drama, Komödie
Spieldauer: 96 Min.
Regie: Mayim Bialik
Darsteller: Dustin Hoffman, Candice Bergen, Dianna Agron, Simon Helberg
Sprache: Deutsch, Englisch
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Bild: Widescreen