Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. Mai, Teil 2

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ war der Titel einer philosophischen Reise per Buch, die Richard David Precht 2007 zu großem Erfolg führte, weil er ein Thema der Zeit, die Frage nach der eigenen Identität im Plural stellte. Zu recht. Das beweist nun auch der Film ENEMY.

 

ENEMY

Gleich gesagt. Ein sehr pfiffiger Film, den Sie sich nicht entgehen lassen sollten, auch wenn Sie des öfteren zwischen den Gegebenheiten schweben. Im Kopf, meinen wir. Denn nichts ist wirklich so, wie es scheint, ist eine der Grundtatsachen dieses Films, der keine Grundtatsachen hat. Es ist am sinnvollsten, nicht dauernd mit dem Kopf die Volten des Films nachzuvollziehen, sondern sich dem Wundern anheimzugeben.

Schließlich tut dies der sehr disziplinierte Kopfmensch, der Professor für Geschichte, den Jake Gyllenhal als Adam so überzeugend spielt, wie seinen Doppelgänger, mit dem der Film anfängt, den wir aber für Adam halten müssen. Ja, uns schüttelt der kanadische Regisseur Denis Villeneuves ganz schön durcheinander in diesem Thriller, wo man oft nicht weiß, wo es langgeht. Und jetzt beim Niederschreiben überfällt uns wieder die Sucht, so manche Szene noch einmal sehen zu können, denn mit der Erfahrung gegen Schluß hätte man manche Szene am Anfang sicher anders interpretiert. Insbesondere den Anfang.

Da denkt man erst einmal an EYES WIDE SHUT, auch deshalb, weil es um Geheimgesellschaft, auf jeden Fall Geheimes geht, und weil abartige Sexualpraktiken mit nackten Frauen auf Hochhackigen und Tieren angedeutet sind, in denen eine Spinne eine große Rolle spielt. Natürlich muß man bei Spinne, bei Riesenspinne gar, unmittelbar an die nun leider doch verstorbene, aber uralt gewordene Louise Bourgeois denken, deren Spinnenungetüme in der Welt herumstehen. Solche Tiere tauchen dann auch völlig unvermittelt im Film auf, durch den uns der Regisseur wie durch einen Alptraum leitet, allerdings nicht unser Alptraum – eigentlich – sondern der des Geschichtsprofessors Afonso, im Original mit den Vornamen Tertuliano Máximo.

Der Film fußt nämlich auf dem Roman des Portugiesen José Saramago, der 2002 als O homem duplicado erschien. Der brave Professor, der mit seiner Freundin gepflegte Langeweile, ausgedrückt in fadem Sex verbindet, sieht in einer DVD, die er vor sich hin abspielt – sich selbst. Es ist aber der Schauspieler Daniel Santa-Clara, der im bürgerlichen Leben Anthony Claire heißt, den wir erst später auch als den identifizieren, der bei dem lüsternen Spinnentreffen dabei war. Denn der hat es faustdick hinter den Ohren, ist aber erst einmal sehr empört, als sich der brave Professor bei ihm meldet und hält ihn für einen Spanner, Spinner...oder sonst was. .

Nein, wir wollen die Geschichte nicht runtererzählen, sondern nur die Hinweise geben, woran sie sich entlang hangelt. An den Frauen beispielsweise. Denn auch dieser Anthony hat eine, eine richtige (Melanie Laurent), die hochschwanger ist und diejenige ist, die die Abwehrversuche ihres Mannes, den angeblichen Doppelgänger ins Leere laufen zu lassen, untergräbt, diesen beobachtet, aufsucht und erkennen muß: ihr Mann ist verdoppelt. Allerdings ist das Doppel sehr viel anständiger. Was daraus folgt? Viel.

Verfolgen Sie den Faden selbst und helfen Sie anderen, ihn zu entwirren. Denn der Film macht einen auch leicht ärgerlich. Er ist einerseits spannend und beunruhigend, gibt andererseits mehr Fragen als Antworten und läßt den Zuschauer auch immer wieder im Trockenen sitzen, wo er auf Regen und Schleierhaftes eingestellt wäre.