Zum Tode des Schauspielers Walter Giller
von Romana Reich
München (Weltexpresso) – Wir können uns noch genau daran erinnern, meine ältere Schwester und ich, wie wir es als Kinder nicht fassen konnten, wie diese wunderschöne Dame des Deutschen Films, Nadja Tiller, elegant und von Welt und vor allem so richtig erwachsen, diesen uns grundsympathischen, aber doch eher jungenhaft schlaksigen Walter Giller, nonchalant dazu, hat heiraten können. Wir hielten das schon der Namen wegen für einen Aprilscherz oder schlimmer.
War aber beides wahr, die Heirat und die Namen, und Nadja Tiller muß oft gefragt worden sein, weshalb und wie das geschah, denn es gibt erstaunlich viele Antworten von ihr, die immer so in die Richtung gehen, sie sei halt an ihm kleben geblieben. Was Liebe nun wirklich ist, die Liebe zwischen zwei Menschen, die sowieso niemanden etwas angeht, das wollen wir hier den beiden überlassen und nur darauf verweisen, daß es nicht so viele Paar gibt, die es seit 1956 miteinander ausgehalten haben und mehr.
Walter Giller war Jahrgang 1927, hatte also als junger Bursche schon den Flakhelfer geben müssen, aber nicht im Film, sondern im wirklichen Leben, weshalb er aus der Kriegsgefangenschaft mit einem Lungenriß heimkehrte. Als Arztsohn lag die Medizin nahe, aber er ließ sie dann doch links liegen und arbeitete im Theater. Nicht als Schauspieler zuerst, sondern als Inspizient und das richtige Licht hat er auch gemacht. Das war in Hamburg an den Kammerspielen, wo er dann endlich in Thornton Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen“ mitspielen durfte.
Sein Nebenbeisatz für seinen ersten Theatereinsatz: „die Texte kannte ich ja schon“, eben aus seiner andersgearteten Theaterarbeit, die zeigen ihn als denjenigen, wie er auch wahrgenommen wurde: kein Haudrauf, auch kein Draufgänger, sondern einer, der im den Deutschen ungewohnten Genre des Understatement den Zurückgenommen, den Weltkommentierer und nicht den Weltveränderer gab. Kein deutscher Held. Davon hatten die Deutschen auch gerade genug gehabt.
1951 stand er dann zum ersten Mal vor der Kamera, ein hübscher Bursche inmitten anmutiger „Primanerinnen“ wie Ingrid André. Auch im „Hauptmann von Köpenick“ mit Heinz Rühmann gefiel er. Aber mit dem richtig guten und richtig entlarvenden „Rosen für den Staatsanwalt“ hat er sich in die Herzen der Zuschauer katapultiert. Er spielte den Underdog Rudi Kleinschmidt, den der Staatsanwalt – für immer im Gedächtnis durch Martin Held – als Landser wegen des Klauens von zwei Tafeln Schokolade zum Tode verurteilt hatte, was nur wegen des Kriegsendes nicht vollzogen wurde. Nach dem Krieg hatten aber in der Verwaltung und Justiz der Bundesrepublik die alten Leute weiterhin das Sagen. Also auch der Staatsanwalt, weshalb Rudi erneut zwei Tafeln Schokolade stahl, was die Vergangenheit ans Licht brachte und die war für den Staatsanwalt vernichtend.
Diese Auseinandersetzung stand für die ganze von den Nazis um ihre Jugend gebrachte Generation, die in Rudi in ihr eigenen Gesicht blickten, vor allem aber in die scheinheilige Fratze des Staatsanwalts, mit dem ja keine private, sondern eine gesellschaftliche Abrechung vorgenommen wurde. Walter Giller brachte das neben der Sympathie der Massen auch den Bundesfilmpreis 1960 ein. Leider war dieser Film von Wolfgang Staudte eine Ausnahme. Die Entwicklung der Bundesrepublik war in eine andere Richtung gegangen. Anpassen an gegebene Verhältnisse, hatten angesichts des massiven Kalten Krieges und des massiven Antikommunismus in mitten der wirtschaftlichen Hochkonjunktur ebenfalls Konjunktur. Aufarbeitung der Vergangenheit, erst recht mittels Film, kam sehr viel später.
Für Walter Giller, den Schauspieler hieß das einerseits eine Rollenfestlegung auf den sympathischen und harmlosen jungen Mann, der nie die erste Geige spielt, aber eben dazugehört und gemocht wird. Drei Männer waren so ein beliebtes Thema, das die Filme „Die drei an der Tankstelle“ oder „Drei Mann in einem Boot“ abdeckten. Bei diesen Dreien gehörte er immer auch noch dazu, nie war er der Eigentliche. Es war also das Komödienfach, in dem Walter Giller abgelegt wurde. Er hat das überlebt und muß wohl im richtigen Leben ein anderer Mensch gewesen sein, als die, für die er auf der Leinwand ausgesucht wurde. Daß er sich schauspielerisch unterfordert fühlte, hat er allerdings schon laut erzählt. Heute würde er in den vielen Fernsehspielen sicher Charakterrollen bekommen, die es in seinen Vierzigern und Fünfzigern in diesem Ausmaß nicht gab.
Das konnte auch Leander Hausmanns „Dinosaurier“, wo die Alten gegen die Banken punkten, nicht gut machen, in dem Walter Giller zwar eine gute Figur machte, aber der Albernheit des Films nicht entgehen konnte. Es wäre schön, wenn das Deutsche Fernsehen, anläßlich des Todes von Walter Giller in Hamburg mit 84 Jahren sich seiner Filme erinnern könnte und sie in einer eigenen Reihe spielte. Denn Giller war auch Ausdruck der alten Bundesrepublik, ihrer Anfänge und Abbrüche.