hahnreiVERSO SUD 29 vom 24. November bis 6./30. Dezember im Kino des DFF Frankfurt, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie herrlich, daß dieser kaum mehr bekannte Begriff HAHNREI in einem Filmtitel auftaucht. Wissen Sie, was das ist, ein Hahnrei? Wenn nicht, sollten Sie sofort den Film ansehen und wenn Sie ihn kennen, den Hahnrei als Begriff, dann können Sie in diesem Film eine köstliche sinnliche Darstellung erleben.

Es beginnt damit, daß Andrea (Ugo Tognazzi), ein Industrieller, der durchaus wohlhabend ist, mit seiner jungen Ehefrau Maria Grazia (Claudia Cardinale) in seinem palastähnlichen Haus glücklich das Leben der italienischen Schickeria der frühen 60er Jahre führt, wozu die gesellschaftlichen Treffen im Club, das Trinken, das Tanzen und das Schlafen mit den Frauen der anderen gehört. Und so kann sich auch Andrea eines Tages nicht einer Verabredung entziehen und es kommt zum Beischlaf mit einer anderen.

Und jetzt folgt eine sehr feinsinnige psychologische Wahrheit. Aus seinen Schuldgefühlen und der Erfahrung, wie leicht ein Ehebruch vonstatten geht, wird umgekehrt nun die Vermutung, ach was, die Gewißheit, daß seine Maria Grazia mit anderen Männern schläft. Er beobachtet sie, verfolgt sie, stellt sie zur Rede, die arme junge Frau ist schon völlig verzweifelt, weil sie ihrem Mann treu ergeben ist und seine Nachstellungen einfach nicht mehr erträgt. Was hier in einem Satz zusammengefaßt wird, hat im Film viele Episoden, die sich ständig steigern: bei ihm die Eifersucht, bei ihr die Verzweiflung.

Das kann man nicht so lustig darstellen, wie es auf der Leinwand erscheint, weil sich Andrea in seinem Wahn systematisch um den Verstand bringt. Diese Ehe ist die Hölle geworden für Maria Grazia.
Und gerade da, als sie eigentlich allen Fallen, die er ihr gestellt hatte, entgangen ist, einfach, weil sie keinen Liebhaber hatte, und er endlich sie als die einzig treue Ehefrau auf Erden erkennen könnte, zweifelt er an ihr und ihrer Treue, weshalb sie einfach seine Vermutungen bestätigt, sie habe mit einem anderen geschlafen.

Jetzt ist er beruhigt, jetzt endlich weiß er, was er immer schon ahnte, sie trieb es mit einem anderen. Sie hatte es ja bestätigt und endlich kann er ihr verzeihen, weil er damit sich ja auch selber verzeiht. Der Hit jedoch ist, daß, als er nun endlich mit seinen Verfolgungen und Eifersüchteleien aufhört, und ihr das strahlend durch’s Telefon mitteilt, wir im Bett neben ihr einen anderen Mann sehen Wenn sie das eh zugegeben hatte, was damals nicht stimmte, kann sie den Avancen eines attraktiven Mannes ruhig nachgeben ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Ihr Mann ist sein eigenes Opfer geworden und wird sie nie wieder.

Stellt man sich diese Handlung in einer deutschen Komödie vor, dann fehlt einem die Phantasie, wie man der Erdenschwere entgehen könnte. Hier dagegen im Film des Antonio Pietrangeli ist nichts derb, sondern leichtfüssig und witzig, aber im Hintergrund blitzt auf, wie satirisch diese Geschichte verläuft, wie zynisch sie sein könnte, aber nicht wird, weil das, was die antiken Dramen mit dem sardonischen Lächeln bezeichneten, hier eintritt, nämlich die Trauer, was sich Menschen antun, die eigentlich glücklich waren und hätten bleiben können.

Das ist keine große Geschichte, aber sie lebt von dem Witz der Situationsdarstellungen und der männlichen Arroganz und Angst, daß hinter den Machogefühlen das große Nichts, der Nebenbuhler wartet, der ihm die Frau stiehlt.

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