Wie das Kino des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums den 100sten Geburtstag dieser politisch-literarische Führungsfigur des 20. Jahrhunderts feiert
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das weiß man als Zeitgenossin eigentlich erst heute, welche Persönlichkeiten, wenige Frauen wie Hannah Arendt und mehr weiße alte Männer, weil diese mehr Macht und Einfluß hatten, den zweiten Teil des 20. Jahrhundert maßgeblich gestalteten. In Europa, aber das hieß damals die ganze Welt. Gerade ist hundertjährig Kissinger gestorben, der die neue Welt in besonderer Weise mit der alten Welt verwob. Aber er spielt in einem anderen Lager als Jorge Semprún oder auch John le Carré, denn diese beiden haben sich immer für die Unterdrückten und für die heimlichen Strukturen einer Gegenwehr gegen die verkrusteten Verhältnisse gewandt. Wobei auch Jorge Semprun ein 'Macher' war, einer, der sich sein ganzes Leben lang politisch betätigte und darob viel Unbill erlitt.
Grob sind es vier Sachverhalte, die, was Jorge angeht, als politische und kulturell herausragende Großtat gelten können. In MEIN LEBEN ALS FEDERICO SANCHEZ schreibt der am 10. Dezember 1923 geborene inMadrid, am 7. Juni in Paris gestorbener Semprún wie er von Frankreich aus den kommunistischen Widerstand gegen Franco organisierte, und als Sanchez immer wieder ins Francospanien einreiste, sehr erfolgreich, bis er dann doch von der Gestapo gefaßt wurde und im KZ Buchenwald eingesperrt wurde, was er u.a. in WAS FÜR EIN SCHÖNER SONNTAG schildert - und was er überlebt! Er hat dann weiter von Frankreich aus - vorwiegend schrieb er auf Französisch - an der Demokratisierung Spaniens weitergearbeitet und wurde, nach dem Tod von Franco vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Felipe Ganzáles 1988 zum spanischen Kultusminiter berufen, was er 1991 aufgab. In den 90ern konnte man ihn als Redner, als Intellekturellen in vielen Zusammenhängen hören. Unvergessen ein Gespräch im damaligen Amerikahaus, heute Instituto Cervantes in Frankreich mit Hans Magnus Enzensberger, wo Politik und Kultur Hochzeit feierte. Und dann der Börnepreis. Was Sempun damit zu tun hat, hat damals die FAZ in einer Glosse heruntergeputzt.
Der Börnepreis der Jüdischen Gemeinde Frankfurter, die an den spitzzüngigen und durchsetzungsfähigen Publizisten Ludwig Börne erinnert, gefeiert von den Intellekturellen und den Unterdrückten, verhaßt bei den bürgerlichen Unterdrückern, zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Nicht eine Jury stimmt mit Mehrheit über den nächsten Preisträger ab, sondern es wird eine Persönlichkeit ausgewählt, die selbst den nächsten Börnepreisträger bestimmt. Eine eigentlich weise Entscheidung, führen doch Jurys oft dazu, daß das Mittelmaß in Mehrheitsbeschlüssen siegt. Und der gut auch im Ostblock orientierte verbandelte Semprún wählte Daniela Dahn aus. Daniela Dahn? Die kannte im Westen wenig, auch wenn inzwischen ihre Bücher bei Rowohlt erscheinen. In der DDR saß sie wiederholt wegen ihres journalistischen Muts im Haft. Sie hat die ökonomischen Bedingungen der angeblichen Wiedervereinigung, in Wahrheit ein Anschluß der DDR an die BRD, genauso beim Namen genannt, wie die Folgen von Deindustrialisierung und Aufkauf von Land und Boden durch Westdeutsche, die wir viel zu wenig mitbekommen, weil einfach kein Thema. Auch nicht in der FAZ, die sich nicht zu schade war, eine peinliche Glosse zu veröffentlichen. Denn wo der Kapitalismus in seinen Auswüchsen mit Beispielen garniert, kritisiert wird, ist die FAZ zur Stelle, die sich im Feuilleton liberal gibt.
Aber zurück zu Jorge Semprún, der, wie er betonte, auch gegen das Vergessen anschrieb, also Exil, Krieg und Deportationen in die KZs und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas zum Thema hatte, was er gut autobeigraphsich aufarbeitete. Anlässlich seines 100. Geburtstag ist dem Schriftsteller und FIlmautor im Dezember eine Hommage gewidmet. Anlaß darauf hinzuweisen, daß der Drehbuchautor von Kultfilmen der 60 und 70er Jahre war. Wer weiß noch, daß Z von Costa-Gavras auf seinem Drehbuch basiert wie auch DAS GESTÄNDNIS, er schrieb auch Drehbücher für Alain Resnais und Joseph Losey Aber er hat auch einen Film selbergedreht.
Mit einer Hommage an Jorge Semprún ehrt das DFF in Zusammenarbeit mit dem Instituto Cervantes Frankfurt den spanischen Schriftsteller und Filmautor. Zur Feier seines 100. Geburtstag am 10. Dezember zeigt das DFF Semprúns einzige eigene Regie-Arbeit, den Dokumentarfilm LES DEUX MÉMOIRES, sowie drei Filme, zu denen er das Drehbuch schrieb.
Filme und Spieltermine:
Freitag, 8. Dezember, 17:45 Uhr
LA GUERRE EST FINIE (Der Krieg ist vorbei, FR 1966. R: Alain Resnais)
Samstag, 9. Dezember, 18:45 Uhr
LES DEUX MÉMOIRES (The Two Memories, FR 1975. R: Jorge Semprún)
Mittwoch, 13. Dezember, 18 Uhr
LES ROUTES DU SUD (Roads to the South, FR/SP 1978. R: Joseph Losey)
Mittwoch, 20. Dezember, 17:45 Uhr
LES TROTTOIRS DE SATURNE (The Sidewalks of Saturn FR/AR 1986. R: Hugo Santiago)
Filmstill aus LES ROUTES DU SUD
Filmstill aus LA GUERRE EST FINIE
Hommage an Jorge Semprún