Der Sensationserfolg auf DVD seit September 2023
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Liest man die Geschichte vorher, will man eigentlich gar nichts damit zu tun haben. Da passiert Abscheuliches. Und wir können nichts tun. Und das Schlimmste ist, daß es nicht erfunden ist, sondern einer wahren Geschichte folgt. Wie kann es das geben: Eine junge Frau aus dem Senegal, Laurence Coly, legt ihr Baby, gerade 15 Monate alt, an Frankreichs Küste ins Meer , heißt es in der ankündigung. Was heißt denn das? Das Kleinkind stirbt. Die Mutter hat es ertränkt. Welche schreckliche Geschichte. Aus der ein beeindruckender Film wird, den Alice Diop komponierte und der als französischer Beitrag zum Auslandsoscar letztes Jahr firmierte.
Wir sind bei der Gerichtsverhandlung dabei, die in Saint Omer stattfindet und in der es erst einmal um die Frage geht, war das Absicht, ist das Mord oder was war hier los? Wir sehen die Gerichtsverhandlung auch aus den Augen der Schriftstellerin Rama, die angereist ist und es kaum aushält im Gerichtssaal, denn dieser Fall geht ihr an die Nieren. Sie will sich distanzieren, will in ihr ruhiges neutrales Hotelzimmer fliehen. Auch sie ist eine Schwarze, auch sie ist eine Mutter, eine zukünftige Mutter, sie ist im vierten Monat schwanger . Und sie kann mit den an ihr vorbeiflanierenden, fest feiernden Einwohnern dieser kleinen Stadt Saint Omer nichts anfangen, diese Menschenmassen sind alle weiß. Doch es ist gar nicht die Absicht der Filmemacherin Diop, die auch zusammen mit Marie N’Diaye und Amrita David das Drehbuch geschrieben hat, uns einen das Gemüt erschütternden Film vorzuführen.
Es ist ein Spiel in der Wirklichkeit, eine Wirklichkeit im Spiel. Denn sie, alice Diop, war es selber, die die damalige Gerichtsverhandlung 2016 in Saint Omer verfolgte, wo ebenfalls eine aus dem Senegal stammende Frau ihr Baby im Meer ertränkte. Und dieser Eindruck verfestigt sich, daß wir einer echten Gerichtsverhandlung zuschauen, ein Dokument der Gegenwart. Im Film wird Laurence Coly durch Guslagie Malanda dargestellt, die mit stoischer Miene der Verhandlung folgt, worüber wir uns Gedanken machen. Denn sie erzählt seltsame Sachen mit klarer Stimme. Sie spricht von bösen Geistern, sie spricht von Überirdischem, sie spricht von Hexerei. Und ihr Gesicht bleibt dabei fast ausdruckslos. Was ist hier los? Das fragt sich auch Rama (Kayije Kagame), die genau zuhört und nichts versteht. Da ist eine unsichtbare Schranke, eine Wand aus Glas zwischen ihr und der Angeklagten in der Gerichtsverhandlung und genau diese Wand empfindet auch der Zuschauer. Aber gerade diese Distanz ist gleichzeitig das Instrument, daß man wie gebannt zuschaut. Es ist nicht das eigene Ding, aber das Fremde, das fremde Verhalten, die ungeklärten Motive, die übersinnlichen Hintergründe, faszinieren gerade deshalb, weil hier nicht dramatisch Rosemaries Baby inszeniert wird, sondern eine Kühle und Zurückhaltung die Spannung erzeugt.
Quintessenz ist die Erkenntnis, daß zwischen den beiden schwarzen Frauen und ihrer weißen Umwelt trotz vielfacher Übereinstimmungen in Bildung und Ausbildung und Lebensbedingungen sich ein Abgrund auftut, der gegenseitiges Verständnis für nicht möglich hält. Der Film geht an die Nieren und hat eine außerordentliche Presseresonanz gefunden:
»Mutig, unerschrocken, modern - ein Meisterwerk.« (Around The World In 14 Films)
»Erschreckend und unvergesslich. Wegen solcher Filme gehen wir ins Kino.« (The Ringer)
»Mit SAINT OMER wirft Alice Diop Fragen auf, statt Antworten zu geben, lässt uns unruhig werden, statt uns zu beschwichtigen oder lediglich zu schockieren.« (Kino-Zeit)
»Dieser Film zerreißt uns das Herz und verblüfft uns dabei.« (Artforum)
»SAINT OMER zeigt uns, dass die wichtigsten Wahrheiten oft unausgesprochen bleiben.« (Slant Magazine)
»Der beste Film des Jahres« (Lovia Gyarkye, The Hollywood Reporter)
Auszeichnungen:
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César 2023: Bester Debütfilm
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Internationale Filmfestspiele von Venedig 2022: Großer Preis der Jury | Preis für das beste Debüt | Edipo Re Award | Goldener Musa
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Sevilla International Film Festival 2022: Bester Film
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Genf International Film Festival 2022: Bester Film
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International Film Festival Gent 2022 - Grand Prix: Bester Film
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Palm Springs International Film Festival 2023: FIPRESCI-Preis
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African-American Film Critics Association Awards 2022: Bester Film
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Louis-Delluc-Preis 2022: Bester französischer Film des Jahres
Foto:
Umschlagabbildung
Info:
Genre: Drama
Originaltitel: Saint Omer
Originalsprache: Französisch
Land/Jahr: Frankreich 2022
Laufzeit: 119 Min.
Regie: Alice Diop
Darsteller: Kayije Kagame, Guslagie Malanda, Valérie Dréville, Aurelia Petit
Sprache: Deutsch, Französisch
Disc: DVD9; codefree
Bild: 1,85:1; PAL; Farbe
Sprache/Ton: Französisch DD 5.1, Deutsch DD 5.1 & 2.0
Untertitel: Deutsch
Extras: Bildergalerie, Interview mit Regisseurin Alice Diop, Kurzbiografien Alice Diop, Kayije Kagame und Guslagie Malanda, Trailer
Vertrieb: Indigo Musikproduktion + Vertrieb GmbH
Bestellnummer: DV 243358
EAN: 4015698159578
FSK: ab 12 Jahren
Erscheinungstermin: 15.9.2023
Festivals und Auszeichnungen:
Venedig International Film Festival 2022 – Großer Preis der Jury
Venedig International Film Festival 2022 – Preis für das beste Debüt
Venedig International Film Festival 2022 – Edipo Re Award
Venedig International Film Festival 2022 – Goldener Musa
Sevilla International Film Festival 2022 – Bester Film
Genf International Film Festival 2022 – Bester Film
International Film Festival Gent 2022 – Grand Prix: Bester Film
Palm Springs International Film Festival 2023 – FIPRESCI-Preis
Toronto International Film Festival 2022
New York Film Festival 2022
BFI Film Festival London 2022
Viennale 2022
Around The World in 14 Films Berlin 2022
European Film Awards 2022: Nominierung „European Director“, Alice Diop
African-American Film Critics Association Awards 2022 – bester Film
Oscars 2023 – bester internationaler Film – Shortlist
Louis-Delluc-Preis 2022 – Bester französischer Film des Jahres
César 2023 – Bester Debütfilm