stella3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Januar 2024, Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine schöne junge Frau namens Stella (lPaula Beer) lebt in Berlin im Jahr 1940 der Musik und der Zukunft. Diese Art von Musik, Swing, ja Jazz, ist bei den Nazis eigentlich verboten, aber in den Großstädten machen die Leute abends und nachts noch was sie wollen, und die 18jährige träumt von ihrer Karriere als Sängerin in New York. Dort hätte sie auch kein Problem mehr damit, Jüdin zu sein. Doch es kommt anders.

Ein gutes Jahr später ist im Dritten Reich aus der Judendiskriminierung eine tödliche Judenverfolgung geworden. Der erste Judentransport nach Auschwitz erfolgt am 18. Oktober 1941. Stella muß längst wie ihre Mutter Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten und die Angst vor Deportationen in die Vernichtungslager schwebt über allen und als auch Stellas Ehemann verhaftet wird, tauchen die unter. Stella ist eine auffallende schöne junge Frau. Das ist gut und das ist schlecht. Sie fällt leicht auf, aber da sie nicht wie eine Jüdin aussieht – auch so ein Stereotyp, nicht jede Jüdin sieht „wie eine Jüdin“ aus! - kann sie sich aus problematischen Situationen retten.

stelle2Und als sie, weil sie Lebensmittelkarten braucht, Rolf Isaaksohn (Jannis Niewöhner.) kennenlernt, der mit Frechheit siegt und ein begnadeter Paßfälscher ist, da ist es um sie geschehen. Sie verliebt sich in den dynamischen Kerl und zusammen sind sie ein gefährlich kriminelles Paar, das auf dem Schwarzmarkt unterwegs ist und seinen Schnitt macht, weil sie die Notsituation von Juden ausnützen, die alles billig verkaufen. Aber Verrat liegt überall in der Luft und so kassiert sie die Gestapo ein. Wessen Idee ist es? Sie wird zusammen mit Rolf ein Spitzel der Gestapo und SS. Aus dem Opfer wird eine Täterin, die erfolgreich untergetauchte Juden an die Machthaber verrät. Und nicht nur das. Mit ihrem hübschen Gesicht und dem blonden Haar wirkt sie so sympathisch und als Jüdin vertrauen ihr Juden, was diese den Tod kostet. Und auch die Berliner Familien, die aus Mitmenschlichkeit jüdische Mitbürger bei sich verstecken, werden streng bestraft, teil auch deportiert.
Da der Film der echten Lebensgeschichte folgt, wird auch im Film der Bruch, der nach 1945 einsetzt, weitergeführt. Sie war aus Berlin geflüchtet, wurde aber im Sowjetsektor verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, was sie in Torgau beginnt un dim früheren KZ Sachsenhausen und zwei weiteren Strafanstalten fortsetzt. Nach ihrer Entlassung im Januar 1956 zieht sie nach West-Berlin. Sie hatte noch 1945 eine Tochter geboren, die sie sucht.

In Berlin wird sie 1957 von ihren überlebenden Opfern erkannt und die jüdische Gemeinde erreicht, daß sie in einem neuen Prozeß ebenfalls zu 10 Jahren Haft verurteilt wird, was aber mit ihrer Strafe im Osten verrechnet wird. Sie heiratet. Einmal, ein weiteres Mal und wird erneut gerichtlich überprüft, wobei das Urteil von 1957 bestätigt wird.

Seit 1980 lebt sie in Freiburg unter einem Pseudonym. 1984 verübt sie einen Selbstmordversuch, dramatisch ein Sturz aus dem Fenster, den sie überlebt und mit psychiatrischer Behandlung weiterlebt, im Oktober aber in einem Weiher bei Freiburg ertrinkt.

Das ist ein Leben, das ist eine Frau, diese Stella, die man nicht besser hätte erfinden können. Aber die Frage ist, wie man aus einem echten mehr als tragischen Leben einen wahrhaftigen Film macht, der die persönliche Seite in der gesellschaftlichen Situation wiedergibt. Die Person und ihr Schicksal ist mehrfach im Kino geschildert worden, in dem wichtigen, sehr sehenswerten Film DIE UNSICHTBAREN – WIR WOLLEN LEBEN, wo es um in Berlin überlebende Juden geht, kommt sie am Rande vor und es gibt sogar ein prämiertes Musical mit dem Titel STELLA .

Was also ist das Unbehagen, das man im Film nach und nach entwickelt? Schon am Anfang, wenn Paula Beer eine hinreißende Stella auf der Bühne gibt, wundert man sich über die jazzigen Töne, wenn man sich erinnert, daß hier in Frankfurt schon bald nach 1933 die Brüder Emil und Albert Mangelsdorff geradezu unter Todesgefahr Jazz- und Swing in ihren Gruppen speilten. Außerdem war im Deutschen Reich sogar seit 1935 Jazz im Rundfunk verboten. Da mutet es doch als etwas seltsam an, daß Stella am Filmanfang ihre Auftritte auf der Bühne so wie dargestellt hat. Das sieht zwar schön aus und ist von Paula Beer wirklich hinreißend gegeben, verfälscht aber den Film von Anfang an. Man glaubt sich in Babylon Berlin oder der Nachkriegszeit.

Zum einen bleibt Stella im Film die Hauptfigur, aber sie bleibt ja in der Geschichte mit ihrem Verhalten eine Verliererin. Doch das konterkariert ihre Rolle als Heldin, als die sie eingeführt wird. Wollte man das Thema der sogenannten Greifer, wie man die Handlanger der Gestapo nannte, die andere verrieten, im Film zum Thema machen, dann hätte man nicht nur die ‚Heldenfigur‘ der Stella schaffen dürfen, sondern sich auch um ihre Opfer kümmern müssen, die wie Statisten im Film halt festgenommen werden mit dem bekannten Schicksal der Deportation und des Ermordens.
So bleibt ein ungutes Gefühl zurück.

Fotos:
©Verleih

Info:
Besetzung

Stella Goldschlag       Paula Beer
Rolf Isaakson             Jannis Niewöhner
Toni Goldschlag         Katja Riemann
Gerd Goldschlag        Lukas Miko 
Peter                          Joel Basman
Manfred Kübler          Damian Hartung
Aaron Salomon          Bekim Latifi
Dobberke                   Gerdy Zint


Stab

Regie               Kilian Riedhof
Drehbuch        Marc Blöbaum, Jan Braren & Kilian Riedhof