Bildschirmfoto 2024 02 07 um 22.11.26Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Februar 2024, Teil 1

Redaktion

London (Weltexpresso) - Erzählen Sie uns von der Entstehung des Films.


Ich habe jahrelang nach einem Thema gesucht, bei dem es um das Kochen sowohl als Arbeit als auch als Kunst geht. Schließlich stieß ich auf Marcel Rouffs „La vie et la passion de Dodin-Bouffant, gourmet“ (Das Leben und die Leidenschaft des Gourmets Dodin-Bouffant).

Das Buch von Marcel Rouff beginnt mit dem plötzlichen Tod von Eugénie Chatagne nach ihrer Rückkehr vom Markt. Sie haben sich stattdessen dafür entschieden, sie lebendig an der Seite von Dodin zu inszenieren.

Ich zog es vor, die Geschichte zu erzählen, die Marcel Rouffs Buch vorausgeht. So konnte ich mir die Beziehung zwischen Eugénie und Dodin Bouffant frei vorstellen. Außerdem bot es mir die Gelegenheit, ein Thema zu erforschen, das im Kino kaum behandelt wird: die eheliche Beziehung. Sie wird noch weniger behandelt, wenn sie gut verläuft.

Dieses Paar besitzt eine Andersartigkeit und eine Komplizenschaft, die zu der damaligen Zeit nicht alltäglich waren ...

Ja, es ist wunderbar, Menschen in diesem Alter, im „Herbst ihres Lebens“, wie Dodin sagt, zu sehen, mit einer Lebenslust, die ich als klassisch französisch bezeichnen würde. Keine Romantik oder brennende Leidenschaft, sondern etwas Geordnetes und Zurückhaltendes in einer ruhigen Beziehung zur Welt und zur Natur. Ich liebe diese Form der Sanftheit und des Maßhaltens, die man in der französischen Kunst und im französischen Geist findet. In diesem Sinne denke ich, dass mein Film überaus französisch ist.

Die einzige Barriere zwischen den beiden ist die Ehe, die sich Dodin mit Eugénie wünscht und die sie ablehnt; eine Barriere, die Sie fast zu einem Geheimnis erheben.

Die Schönheit ihrer Beziehung beruht auf diesem Widerstand. Nach all den Jahren ist Dodin noch immer von ihr verzaubert, denn er hat das Gefühl, sie nie ganz besessen zu haben. Ein Teil von Eugénie leistet Widerstand. All das wird angedeutet – ich mag es, diese Momente zu schaffen, in denen einer der Protagonisten – genau wie der Zuschauer – in der Schwebe bleibt, ohne eine genaue Antwort zu haben. Es sind diese Dinge, die uns im Leben am meisten bewegen; diese Momente, in denen wir nicht ganz verstehen, was unser Gegenüber uns sagen will. Ich habe zum Beispiel eine große Schwäche für die Szene, in der Eugénie und Dodin an dem Abend kurz vor ihrem Tod ein Omelett essen. Es ist eine sehr seltsame Szene: Dodin hat keine Ahnung, worauf Eugénie hinauswill.


Sobald es um das Kochen geht, ist die Verbindung perfekt. Ist Eugénie Dodins Frau oder seine Köchin? Eugénie entscheidet: Sie ist seine Köchin ... Daraus schöpfen sie ihre Alchemie, sie erheben die Gastronomie zur hohen Kunst.

Was ist Kunst, wenn nicht die Fähigkeit zu genießen? Die Gastronomie befasst sich mit einem Sinn, der für andere Künste unerreichbar ist: dem Geschmack. Ein Künstler der Gastronomie hat die Fähigkeit zwischen Geschmacksrichtungen zu differenzieren, die wir nicht so genau unterscheiden können, und ist in der Lage, Aromen, Düfte, Texturen, Konsistenzen, Temperaturen ... zu mischen, zu dosieren und auszubalancieren.

Es ist eine Wissenschaft, genau wie das Kino. In einer Szene erklärt Dodin, wie und warum auf eine bestimmte Weise geschlagenes Eiweiß Eis in einem Dessert vor dem Schmelzen bewahrt.

Jean Anthelme Brillat-Savarin war der erste, der ein Buch über die Philosophie der Gastronomie schrieb. Ein wunderbares Buch, das man unbedingt gelesen haben muss und von dem ich mich auch für den Film stark inspirieren ließ. Wir erfahren darin, wie Frankreich einst Ordnung in die Gastronomie gebracht hat. Es waren die Franzosen, die entschieden haben, dass ein Gericht auf eine bestimmte Art und Weise zubereitet werden musste. Es waren auch die Franzosen, die festgelegt haben, wie ein Tisch gedeckt werden sollte und welches Besteck und Gläser für ein bestimmtes Gericht zu verwenden waren. Und sie waren es auch, die verschiedene Geschmacksrichtungen zusammenführten, indem sie bestimmte Speisen mit diesem oder jenem Wein kombinierten. Frankreich ist ein so vielfältiges und reiches Weinland. Es ist kein Zufall, dass die französische Gastronomie nach wie vor weltweit an der Spitze steht.

Dodin bezieht sich oft auf sein Idol Antonin Carême, Talleyrands Koch, sowie auf Auguste Escoffier, der, wie er sagt, „uns von der Zukunft träumen lässt“ ...

Mir war es wichtig, ein genaues Bild der Abfolge gastronomischer Genies in dieser Zeit zu vermitteln: Nur dreizehn Jahre lagen zwischen dem Tod von Antonin Carême und der Geburt von Auguste Escoffier, der mit César Ritz und dessen Grand Hotels ein Imperium der kulinarischen Kunst in Europa aufbaute – zunächst in Monaco, dann in London und schließlich in Paris. Escoffier und Ritz waren die ersten, die die Bedeutung einer schönen Location erkannten, um der Kochkunst den angemessenen Rahmen zu geben. Noch heute schlagen die größten Köche der Welt in einer existenziellen Krise Escoffiers Buch auf, um Inspiration und Energie zu finden. Sein Buch ist ihre Bibel.


Die ersten Szenen spielen sich im Morgengrauen im Gemüsegarten ab, wo Eugénie das Gemüse für die Tagesmahlzeit pflückt. Der Film ist nicht nur ein Liebesbrief an die Gastronomie, sondern auch eine wahre Ode an das Leben und den Zyklus der Jahreszeiten ...

Ich fand es wichtig, dass Eugénie die Lebensmittel direkt von der Quelle holt: Früh am Morgen, so dass wir die Ernte wahrnehmen, die erste Voraussetzung für das Kochen. Gleichzeitig fand ich es amüsant, die zinküberzogenen Kupferantennen zu zeigen, die Eugénie im Gemüsegarten von Paulines Eltern entdeckt. Es ist eine von französischen Mönchen erfundene Technik, die der Erde viel Gutes tut, so wie die heutige Permakultur oder der Bioanbau. Die Landwirte hatten sie damals zugunsten von Pestiziden aufgegeben.

Und natürlich brauchte ich Außenbegrünung, um die Ausgeglichenheit der Natur und den Wechsel der Jahreszeiten zu vermitteln ... Dodin freut sich auf den Winter mit seiner eigenen Küche und mit den Menschen, die er liebt.

Sternekoch Pierre Gagnaire war als Berater für den Film tätig. Wie ist er in dieses Abenteuer geraten?

Wir kannten uns nicht; Patrick Rambourg hat mich zu ihm geführt. Während er als historischer Berater für Gastronomiethemen am Drehbuch arbeitete, fragte ich ihn, ob er sich jemanden für diese Rolle vorstellen könne. Er erzählte mir von Pierre Gagnaire. „Gehen Sie zu ihm“, sagte er, „er ist ein liebenswerter Mensch“. Pierre und ich trafen uns ein erstes Mal in seiner Küche, wo er mich zu einem wunderbaren Pot-au-feu einlud, das zu diesem Zeitpunkt auf seiner Speisekarte stand. Bei der Zubereitung fingen wir dann richtig an zu arbeiten. Pierre sortierte zunächst die Liste der Menüs und Gerichte, die Patrick Rambourg und ich zusammengestellt hatten: „Das ist gut; keine Ahnung, was das ist; das vergessen wir ...“ Dann kam der Moment, in dem er diese Gerichte kochen musste, damit ich sehen konnte, wie sie im Film wirkten. Es war bewegend, ihn am Herd zu sehen: Er probiert, verwirft und fängt wieder an, bis er das bekommt, was er will. Er ist ein Träumer; ein wirklich großzügiger Mensch ohne Hintergedanken. Wir waren alle begeistert, als Pierre sich bereit erklärte, den Küchenchef des Prinzen von Eurasien zu spielen.

War er an allen kulinarischen Vorbereitungen beteiligt, die im Film zu sehen sind?

Nein, er war zu beschäftigt. Er hat alle Gerichte, die im Film vorkommen, während der Vorbereitung vor den Dreharbeiten selbst gekocht. Das war ein wesentlicher Schritt für mich, um diese Gerichte zu verstehen und zu überprüfen, ob es sich lohnt, sie zu filmen. Danach übernahm Michel Nave die Arbeit am Set, der über vierzig Jahre lang mit Pierre zusammengearbeitet hatte und gerade in den Ruhestand gegangen war. Ohne Michel hätte Pierre nicht zugestimmt, am Film mitzuwirken. Er wusste, welche Belastung die Arbeit am Set darstellte. Stellen Sie sich vor, dass Michel Nave allein für die Aufnahmen des Pot-au-feu vierzig Kilo Fleisch verarbeiten musste: rohes Fleisch, das vorbereitet und gekocht werden musste, bereits gekochtes Fleisch, das zerlegt und auf dem Teller angerichtet werden musste ... Es war eine enorme, unaufhörliche Arbeit, manchmal ein echter Balanceakt. Für die Ortolan-Szene, in der kleine Wachteln benutzt wurden (der Ortolan ist eine geschützte Art), musste er hinter dem Set in einer staubigen, baufälligen Ruine kochen – auf einem Schutthaufen stehend, einen Fuß tiefer als den anderen und mit einem Gaskocher! Er liebte es. Er fand es erfrischend. „In meinem Leben“, sagte er lachend, „habe ich mich oft über die Arbeitsbedingungen beschwert, aber das hier übertrifft alles!“

Auf diese Art gefilmtes Essen, sieht man selten ...

Sie haben Recht. Selbst die Techniker konnten es nicht fassen. Sie hatten so etwas auch noch nie gesehen. Bei Filmaufnahmen werden normalerweise falsche Lebensmittel verwendet, die je nach Bedarf umgestaltet werden. Hier war alles echt.

Man kann das förmlich riechen ...

Ja, und die Schauspieler konnten auch nicht widerstehen. Als ich während einer Essenssequenz „Schnitt!“ rief, aßen sie weiter. Die Requisiteure mussten sie anflehen, ihre Teller abzugeben. „Wir brauchen sie, um den Tisch neu zu decken“, sagten sie.

Wie filmt man das Kochen in Aktion?

Es ist sehr komplex, schon bei der Vorbereitung. Man muss das Kommen und Gehen der einzelnen Personen synchronisieren, vom Herd zur Spüle, von einer Arbeitsfläche zur anderen, sich vorstellen, was Violette, Dodin und Pauline tun, während Eugénie beispielsweise den geschmorten Salat um das Kalbskarree anordnet. Man muss wissen, ob sie dieses oder jenes Utensil in der Hand hat, wenn sie sich bewegt, und dass Dodin ein anderes benötigt ... Es ist ein wahres Ballett, eine Choreografie. Und ein echtes Kopfzerbrechen.

Sie haben den Film mit einer einzigen Kamera gedreht. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Es gibt zwei Arten von Regisseuren: den technischen Regisseur und denjenigen, der sich nicht dafür interessiert. Mein filmischer Ehrgeiz ist es, zur ersten Kategorie zu gehören. Ich mag es, die Bewegungen der Figuren und der Kamera so festzulegen, dass ein interessanter filmischer Fluss entsteht. Innerhalb dieser Anordnung können Sie in einer einzigen Aufnahme von einer extremen Nahaufnahme zu einem weiteren Winkel, von einem fließenden Moment zu einem Moment der Ruhe usw. übergehen. Und das auf eine sehr musikalische Art und Weise. Für die Schauspieler war es besonders schwierig, sogar nervenaufreibend. Wenn sie sich außerhalb des Bildes befanden, mussten sie auf den richtigen Moment achten, um in das Bild zu kommen, während sich die Kamera bewegte. Sie bestimmten den Rhythmus. Es lag ganz in ihren Händen. Ich hatte Glück, dass ich so wunderbare Schauspieler hatte.

Fortsetzung folgt

Foto:
©Verleih

Info:
REGIE & DREHBUCH 
Trần Anh Hùng

BESETZUNG
Eugénie / Juliette Binoche
Dodin / Benoît Magimel
Rabaz / Emmanuel Salinger Grimaud / Patrick D’assumçao

Abdruck aus dem Presseheft