Internationale Filmfestspiele Berlin vom 15. bis 25. Februar 2024, BERLINALE, Wettbewerb Teil 9
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Wenn man die junge Frau sieht, Line (Lyna Khoudri ), die sich nackt in der Sonne gebadet hat und die durchaus aufreizend sehr langsam und den Hintern schwenkend auf der Dorfstraße entlangschlendert, dann käme man nie auf die Idee, daß sie gleichzeitig eine Spionin ist, die herausfinden will, was hier los ist , ob sie das kleine Kind, den kleinen Jungen, der hier geboren, identifizieren kann, der so etwas wie ein Pfand für die Zukunft ist.
Wenn die Kindheit schon lange zurückliegt, muß man sich in diesem Film erst einmal an die Geschichte gewöhnen, die anknüpft an alle Science Fiction Filme, aber gleichzeitig spielerisch etwas ganz Neues zeigen will. Wir glauben in einem pittoresken Fischerdorf an der Côte d’Opale im Norden Frankreichs zu sein, aber im geheimen und eigentlichen sind wir in einem umkämpften Gebiet, einer parallelen Welt vor unserer Zeitrechnung, wo Außerirdische ihr Spiel mit den Menschen treiben. Denn diese außerirdischen Ritter der planetarischen Welt haben sich hier in die Körper von Einheimischen geschlichen und nehmen sie in Besitz, wie sie die ganze hiesige Welt in Besitz nehmen wollen.
Wir sind also eigentlich vor unserer Zeit, die Menschheit ist noch nicht Herrscher der Erde, hinter der beschaulichen Fassade eines Fischerdorfs wollen die Ritter der interplanetaren Imperien herrschen. Sie haben wie schon gesagt, einige Körper der menschlichen Bevölkerung besetzt. Jetzt erfahren wir im Film nach und nach mehr über die Ängste der Extraterrestrischen. Sie fürchten die Geburt des Magrat. Das ist das absolute Böse, eine Bestie in Menschengestalt, die nicht wie Mefistofeles , das Gute schaffen will, aber das Böse schafft, sondern gleich das Böse schaffen will, weil dieser Unhold es an sich hat, nur Streit, Kampf und Blut zu schaffen. Diesen Höllenfürsten, der auf die Erde zurückkehrt, glauben sie in dem kleinen Baby identifiziert zu haben.
Wir stehen im Film noch mit Line am Straßenrand. Sie ist noch relativ neu hier, ist gerade mit Mutter und Stiefvater hierher gezogen. Sie turtelt gerne mit Jony (Brandon Vlieghe) herum, einem jungen Fischer, dessen schmalen Fang im Meer auf einem gewaltigen Boot wir verfolgt haben und auch, wie er geschickt mit Anhänger das Boot ins Dorf fährt. Jony ist schon längst besessen von den Zeros Genannten, doch bei Line gibt es Probleme. Irgendwas in ihr will nicht. Der Kopf allein genügt nicht. Und langsam lernen wir, daß die Zeros die Bösen sind.
Immer wieder spürt man den Willen zur Komödie, die aber auch immer wieder stecken bleibt. Es sind die Frauen, die hier den Ton angeben, auch wenn der Herr der Finsternis natürlich ein Mann ist. Es ist Belzébuth (Fabrice Luchini), der wie ein barocker Fürst daherkommt, dessen Worte mit Donnerklang durch den Äther rauschen und der sich gar nicht vorstellen kann, daß sich ihm jemand widersetzt, wie es die Königin der Einsen (Camille Cottin) tut. Eigentlich ist Jane (Anamaria Vartolomei) eine Prinzessin der Einsen, die sich in den Falschen verliebt, aber mit dem Schwert, dem Lichtschwert kämpfen kann wie einst eine Amazone. Wenn bloß die Gefühle nicht wären. Überhaupt geht es mit den Gefühlen hin und her und mit denen der Zuschauerin auch. Zu wem halten. Klar, zu den Frauen. Nur gibt es die hüben und drüben.
Schauen wir uns lieber die Raumschiffe an und den Standort der Zeros. Das ist intelligent gelöst, denn wir sind in einer gotischen Kathedrale, die Ort des schwarzen Gebildes ist, das sich wulstförmig materialisieren kann. Da hören wir aber doch lieber den Belzébuth herumschreien, denn der ist der typische Mann, der sich immer durchsetzen will, was er mit der Stimme auch kann.
Aber er sieht zunehmend verzweifelt seine Felle davonschwimmen. Das ist die inhaltliche Ebene. Aber was die Zuschauerin gegen Ende zunehmend fesselt, sind die Gebilde, die als Raumschiffe aus dem Weltall nun auf der Erde landen. Eindeutig schön und ein Hingucker. Wenigstens das.
Foto:
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Info:
Frankreich / Italien / Deutschland / Belgien / Portugal 2024Französisch, Untertitel: Englisch, Deutsch
Stab
Regie Bruno Dumont
Buch Bruno Dumont
Kamera David Chambille
Besetzung
Lyna Khoudri (Line)
Anamaria Vartolomei (Jane)
Camille Cottin (Die Königin)
Fabrice Luchini (Belzébuth)
Brandon Vlieghe (Jony)
Julien Manier (Rudy)