rose

Auf DVD seit dem 29. Februar

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt so Filme, wo man im Nachhinein froh ist, daß einen keiner beim Zuschauen fotografierte. Denn immer wieder hat man einen tief gerührten  Ausdruck im Gesicht, weil die Szenen, die man sieht, in einem ein Gefühl von wunderbaren Leben wachrufen, wo die Beschädigungen der Personen, die deutlich zu erkennen sind, aufgefangen werden durch deren menschliche Haltung. Gerade die, die eigentlich die Kranken sind, heilen eine angebliche normale Gesellschaft. Und das alles nicht mit dem Holzhammer, sondern federleicht und gefühlsschwer. Und nach einer wahren Geschichte von 1997.


Im Film heißen die Schwestern Inger (Sofie Gråbøl) und Ellen (Lene Maria Christensen), sind aber den eigenen Schwestern des Regisseurs nachempfunden, will sagen: die ganze Geschichte einschließlich der Reise nach Paris ist so geschehen, aber wie es immer mit dem Verfilmen von wahren Geschichten ist, sie erhalten ihren Wert durch die Kunst des Regisseurs, hier Niels Arden Oplev, den man durch die Verfilmung des ersten Bandes der Millennium-Trilogie (Stieg Larsson) kennt, einen spannenden, politisch deftigen Film, der aber hier uns einen feinsinnigen, auch auf kleinen, immer wieder komischen Gesten und Szenen basierenden Film zeigt, dessen Drehbuch er zuvor geschrieben hatte.

 

Auf der Fahrt  der Reisegruppe im Bus von Dänemark nach Paris, wird Inger den Mitreisenden, die sich alle vorstellen, von sich als Schizophrener sprechen und dem mitreisenden dreizehnjährigen Christian (Luca Reichardt Ben Coker) verraten, daß sie deshalb psychisch krank geworden sei, weil sich in Paris vor 20 Jahren ihr französischer Freund, der sie so liebte wie sie ihn, als verheiratet mit Kind herausstellte. Sie hatte damals in Paris gelebt, ist eine gebildete und kunstsinnige Frau, die nun angeschlagen aussieht und dem Vater von Christian, dem Lehrer (Søren Malling)) gleich am Anfang der Busfahrt an den Kopf wirft: „Willst du mich ficken“. Und beim gemeinsamen Essen wird sie dessen Ehefrau (Christiane G.Koch) an den Kopf werfen, daß sie sie am liebsten gleich erwürgen möchte. Aber, und das sind die Feinheiten, während der Vater als Stier durch die Wand preschen will, fragt seine Frau bei Inger nach, ob das Zeit bis nach dem Abendessen habe, worauf diese selbstverständlich mit 'JA' antwortet. Inger merkt durch die Reaktionen der Umwelt, daß sie etwas Falsches, Nicht Passendes gesagt hat, rudert dann immer schnell zurück und flüchtet sich in Unverbindlichkeiten, aber sie erreicht durch ihre spontanen, dann auch immer wieder zutreffenden Äußerungen Zweierlei. Für den Zuschauer sind das Sternstunden, weil die darob erschreckten Gesichter und sonstige Folgen, ein starkes komödiantisches Element sind, immer wieder zum Lachen reizen und meist die innere Wahrheit der Figuren bloßstellen. Für den Film sind solche Szenen handlungsfördernd, weil es Reiz-Reaktion-Szenen sind, die immer weiteres Handeln der Personen provozieren und so den Film vorwärtstreiben.

 

In Dänemark lebt Inger im Heim, mit enger Bindung an die Mutter, die sich gegen die Fahrt ausgesprochen hatte, die eine Idee der Schwester und deren Mann ist, dem so sympathischen Vagn (Anders W. Berthelsen). Ellen liebt man ab dem Moment im Bus, wo sie bei ihrer Vorstellung sagt, daß sie beide verheiratet waren, aber gerade erst miteinander. Sie spielt eine empathische Schwester, die lange mit einer Geduld und Fürsorge agiert, bis auch sie an ihre Grenzen stößt, was wichtig, weil realistisch ist, denn der Film zeigt Menschen, nicht Ideologien. Und deshalb wird auch die Erkrankung von Rose sehr ernst genommen, die eben nicht durchgehend abgedreht ist, sondern hellwach und mit feinem Gespür auf die Schwachstellen und Unechtes der Personen sprachlich reagiert. Sie ist in dieser Gruppe diejenige, die die Puppen zum Tanzen bringt, wobei der Lehrer derjenige ist, der den Gegenpart spielt und aus seinen Fehlern einfach nicht lernen will.

 

Auf der Fahrt werden erst einmal durch die Gruppendynamik die einzelnen Personen verschärft, entkernt vorgestellt. In Paris, wo gerade Prinzessin Diana tödlich verunglückt war, was selbst ändert sich manches und am stärksten die Position der als doch verrückt und arm empfundenen Inger. Das fängt schon beim Abendessen an, wo der nette Busfahrer, der pariserfahren ist, doch Probleme bei der Übersetzung der Speisekarte hat und ihm Inger aus der Patsche hilft, weil sie alle französischen Begriffe ins Dänische – in der deutschen Fassung natürlich ins Deutsche – übersetzt. Sie erhält in der Gruppe einen anderen Stellenwert, nur der Lehrer hat weiterhin Probleme mit ihr. Interessant bleibt, Inger zu beobachten, deren Mimik in ihren kranken Phasen herunterhängend, der Gang schleppend mit hängenden Schultern und einer abgehacktes Sprechweise mit wenigen Wörtern einen schwachen Menschen darstellt und im nächsten Moment eine andere Frau wird, die sich offen und zugewandt zeigt und mit ihrer Pariserfahrung und Französischkenntnissen die Gruppe immer wieder auf Kurs hält.

 

Der Film steuert auf einen Höhepunkt zu, den der kleine Christian in Gang setzt, dem Inger ja von ihrer Liebe erzählt hatte und auch den Namen und die Adresse genannt hatte. Er findet heraus, wo dieser lebt und auf einer Taxifahrt durch Paris, landen sie dort. Sie sieht ihn wieder, der sie erst einmal gar nicht erkennt und sie erkennt in dem Menschen, um den sie ein Leben lang trauerte, überhaupt nicht die geliebte Person, sondern einen eher schwachen Menschen. Sofie Gråbøl, die Fernsehzuschauer als vom Beruf erfüllte Kommissarin Lund kennen, meistert diese ganz andere Rolle prima. Denn sie bedient kein Klischee, sondern zeigt den so unterschiedlichen Krankheitsverlauf, daß es einem unter die Haut geht.

 

Bevor die Gruppe zurück nach Dänemark fährt, erfahren wir noch, warum der Titel Rose heißt, der sogar DIE DÄNISCHE ROSE lauten müßte, den es bezog sich auf die tote Diana, die ihr Liebster englische Rose nannte. Und dazu muß man dann doch noch sagen, daß die Musik eine wichtige Rolle spielt. Inger traut sich mehrfach zu singen, auch von der Rose, die wir als die der Piafs kennen: „La vie en rose“. Am Schluß spielt sie auch noch Bach und auch wenn sie ihre Schizophrenie nicht einfach ablegen kann, so fühlt man doch, daß diese Reise in ihr etwas klärte, was ihre Zukunft einfacher macht.

P.S. Der Film war erst im Oktober in die deutschen Kinos genkommen. Sonst wird zur DVD-Produktion ein längerer Zwischenraum gewählt. Hauptsache, man kann diesen Film sehen, der In Dänemark der große Renner war und es hier gegen die bildgewaltige Konkurrenz schwer hat. 


Foto:

Umschlagabbildung


Info:

Dänemark, 2022
FSK ab 12 freigegeben 
Erscheinungstermin: 29.2.2024

Genre: Drama, Komödie
Spieldauer: 106 Min.
Regie: Niels Arden Oplev
Darsteller: Sofie Grabol, Lene Maria Christensen, Anders W. Berthelsen, Sören Malling
Originaltitel: Rose (2022)
Sprache: Deutsch, Dänisch
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Bild: Widescreen
Untertitel: Deutsch