Bildschirmfoto 2024 03 10 um 02.31.33Der Film von Tom DiCillo bei ARTHAUS auf DVD, Blu-Ray & digital

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Daß wir gleich zweimal Historisches sehen, zwei unterschiedliche Zeiteindrücke, zum einen FlowerPower der Sechziger/Siebziger und wie der Zeitgeist nach der Jahrtausendwende, nach dem Fallen der Türme in New York am 11. September 2001 rückschaut auf die einzige Zeit, in der junge Leute von einem neuen Leben in Liebe, Frieden und Musik träumten und die ganze bürgerliche Chose des amerikanischen Traums ad acta legten und zur gleichen Zeit mit einer bestialische reaktionären Gewaltserie ein amerikanischer Freiheitsführer nach dem anderen umgebracht wurde. Eine auch im Nachhinein sehr seltsame Melange: Flowerpower der Hippies und Morde der Rechten.

Erst nach diesem Film wird mir klar, daß zwischen diesen beiden extremen Polen es eine Verbindung gibt, wenn man an die Manson Morde denkt. Aber das lassen wir gleich wieder, denn diese Blu-ray hat genug Stoff, den man weitergeben will, ganz abgesehen davon, daß man lauter originale Stücke hört und das Auftreten der damaligen Band sieht, nicht zu vergessen besonders interessant: auch Aufnahmen hinter der Bühne, die etwas über die Dynamik in der Gruppe verraten. Aber fangen wir mit der zweiten Zeitebene an. Schauen Sie unbedingt die Extras auf der Blu-ray und DVD an, denn dort begründet der Regisseur und Drehbuchschreiber Tom DiCillo, weshalb er diesen Film machen wollte, im Jahr 2009 über die The Doors, wo doch deren Frontmann, der 1943 in Florida geborene Jim Morrison schon am 3. Juli 1971 in Paris starb, wo er auf dem Friedhof  Père Lachaise beerdigt wurde, lange Jahre Kultstätte und über 50 Jahre her..

Daß DiCillo die überhaupt die erste Kino-Dokumentation über THE DOORS erstellt hatte, findet man dann auch erstaunlich, wo doch ständig Frontmänner – auf die Frauen warten wir noch – in Musikfilm-Dokumentationen auftauchen. Er hat keine großen cineastischen Absichten, das merkt man schnell, denn der Film, der wie gesagt, in allem auf Originalaufnahmen beruht, ist eine saubere Auflistung von Leben und Wirken des Jim Morrison, eingebunden in die Bandgründung und deren Auftritte. Es geht also chronologisch zu und das heißt, daß auch der, der weder die Band noch Jim Morrison kannte, sich jederzeit zurechtfindet. Erst recht natürlich die, die THE DOORS noch von damals kennen und überrascht sind, wieviele weithin unbekannte Filmaufnahmen DiCillo aufgetan hat. Darunter ist ein Film von 1962, ein Werbefilm der Florida State University mit Jim, der damals also 21 Jahre war. Er selbst hat als Student dann drei Jahre später einen film gedreht, aber die wichtigeren Aufnahmen sind die Bandauftritte, wo man sehen kann, warum die Sänger einer solchen Band, Frontman heißen, was in unseren Ohren ja sehr militärisch klingt.

Außerdem sind sowohl Fernsehauftritte der Band, Interviews mit Morrison sowie Studioaufnahmen zu sehen und natürlich ebenfalls Live-Auftritte der Band, wo jedesmal Morrison im Mittelpunkt steht und sich auch gerne in den Mittelpunkt stellte. Der Regisseur, der ja die gesprochenen Texte niedergeschrieben hatte, stellt uns seine Sicht der Entwicklung des Sängers, Songwriter, Lyrikers und Filmnovizen dar, die für ihn als Bruch zwischen der bürgerlichen Erziehung des väterlichen Marineoffiziers und dem neuen Lebensgefühl junger Amerikaner, die weder kleinbürgerliche Moral, noch Vorstädtedasein, noch Konsumwahn für erstrebenswert hielten, sondern sogar im Umkehrschluß dies für das Ende von kreativem lustvollem Leben hielten. Insofern steht Jim Morrison sicher für das Lebensgefühl einer ganzen Generation, wobei wir uns nichts vormachen dürfen, daß es nie die gesamte Generation war, sondern deren städtische oder das Land fliehende Version. Was ihn von den anderen unterscheidet, ist sein Vermögen, seine Vorstellungen auch künstlerisch umzusetzen. Vor allem - und das bringt der Film auch angemessen – ist ihm die Lyrik besonders wichtig und am Beginn auch seine Filmarbeit. Die fließt in diese Dokumentation ein, denn einzelne Szenen aus seinem unvollendeten Filmprojekt HWY: AN AMERICAN PASTORAL von 1969 finden sich hier wieder, wobei man durchaus irritiert ist, weil man Morrison in einer merkwürdigen Rolle erlebt: er stellt einen Highway-Mörder dar, der in der Mojave-Wüste herumvagabundiert, immer mit dem Auto unterwegs, daß er dann stehen läßt, um einen überfahrenen Hund ein Handtuch zu legen und weiterzufahren. Außerdem gibt es Aufnahmen aus dem Konzertfilm A Feast of Friends von 1969 von Paul Ferrara.

Musikalisch ist der Film auch deshalb so interessant, weil die Doors wirklich eine echte Rockband sind, gleichzeitig aber ihre Liebe zum Jazz mehr als andeuten. Über das Binnenklima der Gruppe bekommen wir nicht so viel mit, wie auch? Denn es geht um überkommene Aufnahmen, von denen sicher die eher überlebt haben, mit denen die Gruppe einverstanden war. Daß es Spannungen um die Rolle des Frontman gab, erkennt man auch so. Denn die anderen Musiker, Ray Manzarek, John Densmore und Robby Krieger standen ständig im Hintergrund, weil Morrison den Vordergrund darstellte. Daß er Schwierigkeiten damit hatte, als Nobody auf einmal eine solche wichtige Rolle zu spielen, von Mädchen umschwärmt, von den Fans geliebt und als etwas ganz Besonderes verehrt, verdreht jungen Menschen sicher den Kopf schon grundsätzlich. Erst recht, wenn die neue Rolle, in die Jim hineinwächst, von den Anhängern blind bewundert wird. Er fühlt sich als Sexsymbol und bedient diese Rolle durch eindeutige Gesten, die im Film jeweils notiert werden, er greife sich in den Schritt und als er das wieder einmal tat und eine junge Frau dabei anschaute, reagiert deren Freund, was übel ausging.
Was ich nachlas ist die nachträgliche Synchronisation durch Johnny Depp, die wir hören, wobei es deutsche Untertitel gibt. Man habe beim Sundance Film Festival den Film gefeiert, aber Kritik an der damals vom Regisseur vorgenommenen Erzählspur geübt, weil er zu monoton gesprochen habe, weshalb dieser Johnny Depp übernommen habe, der zusätzlich auch Jims Gedichte rezitiert. Ohne diesen Hintergrund zu kennen, fand ich allerdings auch Depp etwas monoton!

Genauso interessant wie der Film sind auch die Extras mit dem langen Interview mit dem Regisseur, der mit langem Haar 2009 höchst Interessantes erzählt. Eben auch, daß auch sein Vater US-Offizier war und er das angestrebte Familienbild, dem Morrison entfloh, sehr gut kennt. Und dann haut einen die Aussagen des Vaters um, der mit seinem künstlerischen Sohn so gar nichts anzufangen wußte und so nonchalant über ihn spricht und lächelnd betont, daß sie erst nach der Beerdigung vom Tod des Sohnes in Paris gehört hätten, daß es einem kalt die Schulter runterläuft.

Der Film und die Extras sind einfach ein eindrucksvolles Zeitdokument über das Interesse an der Kultband THE DOORS und dem so früh verstorbenen Kultsänger Jim Morrison. Sehr zu empfehlen.

Foto:
Umschlagabbildungen
Info:
Cast & Crew
Darsteller: Jim Morrison, Ray Manzarek, Robby Krieger, John Densmore
Regie: Tom DiCillo
Drehbuch: Tom DiCillo
Kamera: Paul Ferrara
Produktion: John Beug, Jeff Jampol, Peter Jankowski



Kinostart: 01.07.10
Originaltitel: When You're Strange
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2009
Genre: Dokumentation, Musikfilm
Lauflänge ca. 85 Minuten
FSK 12

The Doors – When You’re Strange
Dokumentation, Musikfilm, USA 2010
mit ergänzenden Interviews vom Vater George S. Morrison und der Schwester Anne Morrison-Chewning neben den langen Interview mit dem Regisseur
Arthaus
DVD
Bild: 1,78:1 anamorph
Sprachen/Ton: Deutsch (5.1 Dolby Digital), Englisch (5.1 Dolby Digital, Stereo PCM)
Untertitel: Deutsch
Blu-Ray
Bild: 1,78:1, Auflösung:
1080/24p Full HD
Sprachen/Ton: Deutsch
(5.1 DTS-HD Master Audio), Englisch
(5.1 DTS-HD Master Audio, Stereo