18. Frankfurter Kinowoche an ungewöhnlichen Orten, 18.-25. Juli

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was nennt sich heutzutage alle Kult. KINO AN UNGEWÖHNLICHEN ORTEN ist eine ganze Sommerwoche lang echter Kult, für den sich gewisse Frankfurter sogar Urlaub nehmen, sich den Tag über auf den Film und den ungewöhnlichen Ort vorbereiten, auf jeden Fall ein zünftiges Picknick einpacken – und dann geht es los.

 

Losgehen kann es allerdings nur, wenn man sich vorher beim Deutschen Filmmuseum eine Kinokarte besorgt hatte. Denn manche der ungewöhnlichen Orte liegen nicht nur versteckt, sondern haben wenig Sitze, die dann im Nu ausverkauft sind. Deshalb fangen wir mit der Filmvorführung SEABISCUIT-MIT DEM WILLEN ZUM ERFOLG an, die am Donnerstag 24. Juli um 21. 30 in der Galopprennbahn stattfindet. Dort gibt es immerhin 800 Plätze, die Rennbahn in der Schwarzwaldstraße 125 in Niederrad bleibt also für alle die, die sonst leer ausgehen, ein Option. Für Gertrud D. und Holger A. ist dieser Ort und dieser Film erste Wahl. Und das kommt so: Sie bestimmt immer die Filme und er die Orte. Zusammen gehen sie dorthin, wo beides zusammentrifft. Das war in diesem Jahr eben der Film um die amerikanische Rennpferd-Legende, weil Gertrud reitet, und Holger die Galopprennbahn Frankfurt endlich mal besuchen wollte.

 

Er hat nämlich in der Zeitung gelesen, daß es diese nicht mehr lange geben soll. Dem Pächter sei gekündigt, die Zeiten sind schlecht und der DOSB, das ist der Deutsche Olympische Sportbund, der neben dem Stadion im Stadtwald ein zu klein gewordenes Quartier bewohnt, braucht einen Neubau. Also die Rennbahn anschauen, so lange es noch geht, ist Holgers Devise. Wir vermuten stark, daß die Macherinnen der Kinowoche so etwas auch im Blick haben, wenn sie die Orte aussuchen. Denn letztes Jahr war beispielsweise die Batschkapp im nördlichen Eschersheim dran, eine eigentlich schlichte Betonhalle, die aber durch die Konzerte von Rock bis Pop eine spürbare Aura atmet. Sie wurde 2014 gegen einen neuen Veranstaltungsort im Osten Frankfurts getauscht, aber war 2013 noch Teil dieser Kinowoche an ungewöhnlichen Orten.

 

Holger kommt übrigens auf der Galopprennbahn auf seine Kosten. Denn in der kleinen feinen Veranstaltungsbroschüre – die man natürlich im Internet vorfindet – stehen nicht nur die Verkehrsverbindungen picobello aufgelistet, sondern dort heißt es: Um 20.30 und 20.45 Uhr informieren Mitarbeiter der Galopprennbahn über den Rennbetrieb (Dauer ca. 15 Minuten). Anmeldung unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Teilnehmerzahl begrenzt. Aha, hier schon, aber die rund 800 überdachten Plätze sind für die Filmgucker wirklich vorhanden. Gertrud kennt den Film, USA 2003 mit der gewaltigen Länge von 140 Minuten, aus Amerika. Hier goutiert sie die angekündigte deutsche Fassung, denn damals hatte sie nicht alles genau verstanden, hat aber in Erinnerung, daß es um die Prohibition ging, die weltweite Wirtschaftskrise, die als Hintergrund diente für diese Erfolgsgeschichte, die so typisch den amerikanischen Traum wiedergibt.

 

Das hatten auch die Programmgestalterinnen im Sinn, als sie für diese Stätte diesen Film aussuchten: „Mehr als 150 Jahre war die Galopprennbahn Frankfurt Heimat des traditionsreichen Pferderennsports, doch nun ist ihre Zukunft ungewiß. Noch herrscht hier an Renntagen ein buntes Treiben: von Alt bis Jung, von den Schönen und Reichen bis zu Familien mit Kindern tummelt sich halb Frankfurt auf der Rennbahn – und alle träumen sie davon, daß 'ihr' Pferd als erstes die Ziellinie passiert“.

 

Uns interessieren andere Filme mehr. Über die acht Filme der Kinowoche geben das Info-Faltblatt und das Internet wirklich ausgiebig Auskunft – abgesehen davon, daß man einige als Klassiker kennt. Die Direktorin des Deutschen Filmmuseums, Claudia Dillmann, faßt die Absichten, des Kinospektakels an ungewöhnlichen Orten noch einmal zusammen. Ausgangspunkt war und ist, daß auch in den Vororten Frankfurts Filme gezeigt werden sollen, denn normalerweise ist alles auf die Innenstadt konzentriert. Nun aber Filme in der Familienkelterei Possmann in Rödelheim zu zeigen, ist wirklich etwas Neues, womit die Kinowoche eröffnet wird: am Freitag, 18. Juli um 21. 30 Uhr mit KEIN PARDON, ein deutscher Film von 1993 von und mit Harpe Kerkeling, mit Elisabeth Volkmann, Dirk Bach – und Heinz Schenk, dem jüngst verstorbenen bundesdeutschen Äppelwoi-Wirt, wobei es bei einem sofort klickt, warum dieser Film in der Kelterei Possmann stattfinden muß, die längst Synonym für Apfelwein ist.

 

Auch der Sonntag hat es in sich. Zum einen ist der Saal, der heute zur Hochschule für Musik und Darstellende Kunst gehört, der des ehemaligen Sendesaals des Hessischen Rundfunks, bevor dieser an den Dornbusch in das repräsentative Gebäude mit dem Rund zog. Dort sollte nämlich der Deutsche Bundestag hinein, aber bei der Abstimmung über Frankfurt oder Bonn als westdeutsche Bundeshauptstadt gab ja die Stimme Adenauers den Ausschlag, so lautet die wahre Mär, weshalb das Gebäude dann für den Rundfunk genutzt wurde, zu dem später das Fernsehen hinzuentdeckt wurde. In diesem alten Sendesaal können sich ältere Frankfurter noch an die legendären Auftritte von Hans-Joachim Kuhlenkampff erinnern, der beliebteste Quizmeister, den es je gab. In diesem Saal wird eine Filmrarität aufgeführt. FANTOMAS – IM SCHATTEN DER GUILLOTINE; ein französischer Film von 1913(!), natürlich in Schwarz Weiß.

 

Dabei ist wichtig zu erwähnen, daß vom 25. Juni an das Deutsche Filmmuseum die Ausstellung BEWUSSTE HALLUZINATIONEN. DER FILMISCHE SURREALISMUS zeigt, zu deren Begleitprogramm die Aufführung alle fünf Teile der FANTOMAS-Kinoserie von 1913/14 mit neu komponierter Musik von Yann Tiersen gehört.

 

Alle anderen Orte der KINOWOCHE mit ihren korrespondierenden Filmen müssen Sie dem Programm entnehmen, wobei wir nur noch auf den freien Montag verweisen und den Dienstag, wo in der KLÄRANLAGE in der Alten Gasmotorenhalle gleich zwei Filme laufen: Die Stadt der verlorenen Kinder und The Host.

 

www.frankfurter-kinowoche.de

www.deutsches-filmmuseum.de

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