Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. April 2024, Teil 10
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zu Beginn der 2000er Jahre versucht die talentierte 18jährige Sängerin Amy Winehouse in Londoner Clubs auftreten zu dürfen. Sie stammt aus einen liebevollen aber doch recht chaotischen jüdischen Familie. Ihre Eltern Mitch (Eddie Marsan) und Janis (Juliet Cowan) sind geschieden. Mitch arbeitet als Taxifahrer und fährt Amy auch immer wieder zu ihren Auftritten. Die wichtigste Person in Amys Leben ist allerdings ihre Großmutter Cynthia (Lesley Manville), die sie nicht nur immer wieder ermahnt, nicht zu viel zu trinken und zu rauchen, sie ist aber auch ihr Vorbild in Bezug auf Stil und Kleidung.
Der ganze Winehouse-Clan liebt klassischen Jazz. Amy ist nicht nur eine hervorragende Sängerin, sondern ist auch eine talentierte Songschreiberin. Sie mischt in ihren Liedern deshalb Jazz mit moderner Popmusik.
Mit ihren Songs, ihrer außergewöhnlichen Stimme und ihrem einzigartigen Charisma begeistert sie das Publikum in den Bars in Camden. Dadurch werden nicht nur die Musikfans auf sie aufmerksam, sondern auch Nick Shymansky (Sam Buchanan), der sie entdeckt und als ihr erster Manager einen Vertrag bei einem etablierten Plattenlabel für sie aushandeln will.
Amy wird recht schnell nicht nur in den lokalen Clubs, sondern auch darüber hinaus bekannt. Allerdings fühlt sie sich häufig einsam und spricht mehr und mehr dem Alkohol und den Zigaretten zu, was aber ihrer Stimme keineswegs schadet.
Anfang 2005 trifft sie im ″Good Mixer″, einer bekannten Szene-Bar in Camden mit Billardtisch einen jungen Mann, der sich dort ziemlich aufspielt, der sie aber sofort interessiert und in dem sie einen rebellischem Freigeist sieht, genauso wie sie sich selbst fühlt. Sie verliebt sich in diesen etwa gleichaltrigen Blake Fielder-Civil (Jack O’Connell), der allerdings kurz darauf von seiner Freundin abgeholt wird.
Amy lässt sich bereits einen Monat nach der ersten Begegnung seinen Namen auf die linke Brust tätowieren. Blake ist ein Angeber, der Musikvideo-Regisseur werden möchte, aber er ist auch ein Junkie, der großspurig Kokain schnupft und irgendwann auf Heroin umsteigen wird.
Doch während Amy Winehouses kometenhafter Aufstieg in den Pophimmel beginnt, der mit dem Gewinn von fünf Grammys 2008 (für Back to Black: Best Pop Vocal Album, Record of the Year, Song of the Year (Rehab) und Best Female Pop Vocal Performance, sowie als Best New Artist) ihren Höhepunkt erreicht, zu dessen Verleihung sie allerdings nicht in die USA reisen durfte, zeigen die mit dem Ruhm verbundenen Verpflichtungen, der Druck der Öffentlichkeit, die überall lauernden Paparazzi, ihre Probleme mit der Liebe ihres Lebens sowie ihr rücksichtsloser Umgang mit ihrer Gesundheit langsam ihre Wirkung…
″Back To Black″ ist zwar der erste Spielfilm, aber nicht der erste Film, der den Werdegang von Amy Winehouse und ihren Tod im Alter von 27 Jahren in Camden am 23. Juli 2011 durch eine Alkoholvergiftung erzählt (Amy Winehouse hatte über 4 Promille Alkohol im Blut). Bereits 2015 ist die ausgesprochen kritische britische Dokumentation ″Amy″ (Originaltitel: ″Amy – The Girl Behind the Name″) des Regisseurs Asif Kapadia erschienen, die neben vielen weiteren Auszeichnungen 2015 mit dem Europäischer Filmpreis als Bester Europäischer Dokumentarfilm und 2016 mit dem Oscar als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde.
Da Amys Vater, Mitch Winehouse, mit der Darstellung seines Charakters in ″Amy″ im Leben seiner Tochter nicht einverstanden war, co-produzierte die Familie Winehouse 2021 die BBC-Dokumentation ″Reclaiming Amy“, die nach den Filmkritiken zwar ein berührender Tribut an die Sängerin sei, die aber auch die Rolle der Eltern und die Kindheit von Winehouse beschönige.
Jetzt kommt also ein Spielfilm über die britische Sängerin in die Kinos. Regisseurin ist Sam Taylor-Johnson, die noch unter ihrem damaligen Namen Sam Taylor-Wood den wunderbaren Spielfilm ″Nowhere Boy″ (2009) über die Jugend von John Lennon gedreht hat. Das Script für ″Back To Black″ stammt von Matt Greenhalgh, der schon vorher die Drehbücher für zwei andere Musiker-Biopics verfasst hat, neben ″Nowhere Boy″ auch für den Musikerfilm ″Control″ (2007) über den Joy Division Frontman Ian Curtis.
Ein besonderes Highlight des Films ist auch der Soundtrack, für den die Regisseurin den australischen Musiker und Sänger Nick Cave und den australischen Musiker und Komponisten Warren Ellis gewinnen konnte, die ja beide Mitglieder der Band Nick Cave and the Bad Seeds waren und die schon mehrfach beim Schreiben von Filmmusik miteinander gearbeitet haben.
Die Dreharbeiten fanden ab Januar 2023 in London statt, Drehorte waren unter anderem Ronnie Scott’s Jazz Club, der Fitzroy Square sowie der Londoner Zoo.
″Back To Black″ ist mit Unterstützung des Winehouse-Nachlasses produziert. Dadurch kann man sicher sein, dass der Film keineswegs so kritisch mit dem Verhalten der Familie umgeht, wie das in der Dokumentation ″Amy″ gewesen ist. Trotzdem kann man dem Drama bescheinigen, dass versucht wurde, großes Augenmerk auf die Authentizität der Lebensgeschichte von Amy Winehouse zu legen.
Besonders hervorgehoben werden muss dabei, dass mit der britischen Schauspielerin Marisa Abela eine Darstellerin gefunden wurde, die nicht nur – wie es leider ja in einigen Musiker-Biografien in der letzten Zeit üblich war – die Rolle ganz hervorragend gespielt hat, sondern deren Stimme auch Winehouses außergewöhnlicher stimmlicher Bandbreite gerecht wird, auch wenn sie eine nicht ganz so rauchige Stimme hat. Dadurch wurden viele der Songs nicht nur angespielt, sondern vollständig gesungen.
Daneben hat Marisa Abela auch schauspielerisch überzeugt, denn Amy Winehouse wurde nicht nur für ihre wunderbare Stimme, sondern auch für ein Leben geprägt von Alkohol und Drogenexzessen bekannt. Dabei waren - egal wo sie sich aufhielt - die Paparazzi nie weit entfernt.
Neben Marisa Abela als Amy Winehouse spielen auch noch Eddie Marsan als Mitch Winehouse, Lesley Manville als Amys Großmutter Cynthia Winehouse und vor allem Jack O'Connell als Amys Ehemann Blake Fielder-Civil wichtige Rollen. In kleinen Rollen sind Juliet Cowan als Amys Mutter Janis Winehouse-Collins, Bronson Webb als Blakes Freund Joey sowie Ansu Kabia und Sam Buchanan als Amys Manager Raye Cosbert und Nick Shymansky zu sehen.
Marisa Abela ist als Amy so überzeugend, dass alle anderen Darsteller dahinter verblassen. Wobei die Rolle von Mitch Winehouse, der zu dieser Zeit als Taxifahrer arbeitete, im Vergleich zur Dokumentation ″Amy″ vermutlich geschönt wurde und auch seine Reaktionen auf Amys Alkohol-Probleme ganz sicher heruntergespielt wurden. Trotzdem spielt Eddie Marsan die Rolle glaubhaft, dass er Amy sowohl vermarkten aber auch schützen will. Lesley Manville ist als Amys Großmutter Cynthia Winehouse nicht nur die Person, die Amy ihre auffällige 1960er Jahre Haarpracht verpasst, sondern sie versucht auch immer wieder zu verhindern, dass Amy zu viel trinkt und raucht. Dabei macht der Film auch deutlich, dass Amy wohl sehr an ihrer Großmutter gehangen hat und dass ihr Tod ihr dann doch sehr nahe gegangen ist.
Amys Partner Blake Fielder-Civil wird hervorragend von Jack O’Connell gespielt (auch wenn O’Connell deutlich älter ist, als Fielder-Civil es damals war). Blake ist ein berühmt-berüchtigter Lebemann und Schürzenjäger, den Amy in einer Bar in Camden kennen lernt und der selbst drogensüchtig ist. Amy sah in Blake die Liebe ihres Lebens. Blake hatte zu dieser Zeit noch eine weitere Freundin, so dass die Beziehung eine ständiges Auf und Ab war, auch wenn Fielder-Civil Amy wohl zu ihrer Drogen-Abhängigkeit brachte. Als Amy dann berühmt war, hat Blake sie wieder aufgesucht und dafür gesorgt, dass sie dann doch recht schnell in Florida heiraten. Die Beziehung wurde dann aber von Blake beendet als er 2 Jahre im Gefängnis saß, wohl auch weil er damals selbst versuchte, clean zu werden.
Niemand im Amys Umgebung stammt aus besseren englischen Kreisen, sie ist in Southgate zum Greater London gehörenden Bezirk London Borough of Enfield aufgewachsen. Dies wird auch im Film deutlich, dadurch dass alle wichtigen Darsteller einen dicken Londoner Akzent sprechen. Wenn man den nicht beherrscht, sind in der Originalfassung Untertitel nicht schädlich.
Insgesamt ist ″Back To Black″ ein spannender Blick auf die Frau hinter dem Musikphänomen, die mit Frank (2003) und Black To Black (2006) zwei der legendärsten Alben aller Zeiten herausgebracht hat. Auch wenn der Film möglicherweise das Verhalten einiger Betroffener etwas beschönigt (so werden einige von Amys Zusammenbrüche nicht im Film gezeigt), ist eine wunderbarer Film entstanden, über den man sicher nach dem Verlassen des Kinos noch lange nachdenken wird. Das man das Musikdrama unbedingt sehenswert.
Zusatz: Der Soundtrack zum Film soll am 12. April 2024 digital veröffentlicht werden, die physischen Editionen - auf Vinyl und als CD - am 17. Mai 2024. Neben einer Variante mit 12 Songs ist ein erweitertes Deluxe-Album mit 24 Titel geplant.
Foto 1: Marisa Abela als Amy Winehouse © Focus Features / Studiocanal
Foto 2: Marisa Abela als Amy Winehouse und Jack O’Connell als Blake Fielder-Civil © Focus Features / Studiocanal
Foto 3: Marisa Abela als Amy Winehouse und Lesley Manville als ″Nana″ Cynthia Winehouse © Focus Features / Studiocanal
Foto 4: Nick Cave und Warren Ellis im Studio beim Erstellen der Filmmusik © Focus Features / Studiocanal
Info:
Back To Black (Großbritannien, USA 2024)
Originaltitel: Back To Black
Genre: Drama, Biopic, Musik
Filmlänge: ca. 122 Min.
Regie: Sam Taylor-Johnson
Drehbuch: Matt Greenhalgh
Darsteller: Marisa Abela, Jack O'Connell, Eddie Marsan, Lesley Manville, Juliet Cowan, Bronson Webb, Ansu Kabia, Sam Buchanan, Harley Bird, Michael S. Siegel u.a.
Verleih: Studiocanal
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 11.04.2024