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Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. April 2024, Teil 18

Amil Shivji

Sansibar (Weltexpresso) - "Außerdem glaube ich, dass vor allem die Afrikaner das Kino neu erfinden müssen." - Djibril Diop Mambéty. Es wurde noch nie ein tansanischer Historienfilm produziert. Geschweige denn einer, der in Sansibar gedreht wurde - dies ist der Erste. Bilder von weißen Stränden und "Sultanspalästen" überschwemmen unsere Bildschirme und werben für das heitere Reiseziel, das den Sansibari die Identität eines "Anderen" aufzwingt. Der Tourismus verschlingt weiterhin die Menschen und erstickt die lokale Kultur.

Unsere Bilder müssen Widerstand leisten. Unsere Bilder müssen lieben. Die Liebe steht auf dem Spiel, wenn wir uns nicht wehren und wie Che Guevara einst sagte: "Ein wahrer Revolutionär wird von einem großen Gefühl der Liebe geleitet." Mein Film erinnert uns an die Macht, die die Liebe im politischen Widerstand hat.

Es ist unmöglich eine Geschichte nur aus einem Blickwinkel zu erzählen, deshalb habe ich mich dazu entschieden, in DIE LIEBE IN UNGLEICHEN ZEITEN eine Reihe von Figuren zu zeigen, die die wahre Gesellschaftsstruktur Sansibars repräsentieren.

Keine Kultur, auch nicht die tansanische, ist homogen. Alle Kulturen haben interne Kämpfe, Orte des Konflikts und Akteure des Wandels. Kultur ist ein Ort der Befreiung, wird aber heute als ein Ereignis betrachtet, das in Stein gemeißelt ist und unangetastet bleiben soll. In DIE LIEBE IN UNGLEICHEN ZEITEN erleben wir, wie die verbotene Liebe als sozialer Widerstand gegen den Autoritarismus, der sich im paternalistischen Kolonialstaat manifestiert hat, fungiert. Die Sansibari ́s werden in eine Kultur des Kampfes hineingeboren. Aber diese Widersprüche wurden bisher nicht im tansanischen Mainstream-Kino gezeigt und das ist genau das, was ich mit diesem Film erreichen will.

Das derzeitige politische und künstlerische Klima in Tansania ist zweideutig und unsicher. Es herrscht eine allgemeine Atmosphäre der Angst und des Schweigens. Die politische Führung hat kürzlich zugegeben, dass "die Kunst die größte Bedrohung für das Regime" sei. Weltweit steht der engstirnige Nationalismus an der Spitze der politischen Ideologie. Sei es in Europa, Afrika oder Nordamerika. In Tansania erleben wir das gleiche Ausmaß an Engstirnigkeit von unserer Regierung, die, wenn auch unbeabsichtigt, die Union zwischen dem Festland Tansania und Sansibar untergräbt. Jeder Nationalstaat versucht seine Autonomie zu erklären, auch auf die Gefahr hin, die Gesellschaft weiter zu spalten. Da es immer weniger Raum für den Dialog gibt und es an lokalen Kultureinrichtungen mangelt, werden nun Filme gemacht, die den Status quo bedienen, anstatt ihn zu hinterfragen.

Der Wunsch nach Autonomie vom Festland war für Sansibar schon immer ein Streitthema. In jüngster Zeit hat sich der Wunsch nach Autonomie verschärft, da sich die politischen Visionen am westlichen staatszentrierten Modell der politischen Organisation orientieren und den einst vereinten Kampf gegen den Kolonialismus gefährden. Sansibar wollte schon immer leben, doch die Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe zwingt seine Kultur dazu, statisch zu bleiben. Doch in der alten Architektur, die Sansibar zu bewahren versucht, ist eine Kultur des Kampfes eingebettet. Von den Streiks der Hafenarbeiter in den 40er Jahren über die blutige Revolution von 1964 bis hin zum ständigen Kampf für mehr Autonomie vom Festland.

Dieses historische Drama trägt dazu bei, die Solidarität und die Spannungen über den Indischen Ozean hinweg zu verdeutlichen und uns daran zu erinnern, dass die durch den kolonialen und postkolonialen Staat geschaffenen Rassifizierenden, Geschlechter- und Klassenschranken in Frage gestellt werden. In DIE LIEBE IN UNGLEICHEN ZEITEN ist die Liebe politisch, und ich bin daran interessiert zu zeigen, wie sie sich von den Zwängen des Kolonialismus befreit.

 Meine Arbeit hat Tansania bei vielen Veranstaltungen international repräsentiert und ich habe Filme im ganzen Land gedreht, welche meine Produktionsfirma als eine feste Größe in der Region etabliert haben. In all meinen Filmen, Präsentationen und Universitätsvorlesungen habe ich mich auf die Geschichten der arbeitenden Menschen fokussiert, um soziale Widersprüche in der Gesellschaft aufzudecken. In der Recherchephase des Films habe ich mit lokalen Historikern zusammengearbeitet und Archive und Museen auf dem Festland und auf Sansibar besucht, um den historischen Kontext und die Genauigkeit zu gewährleisten und den ideologischen Berufungen und Utensilien der Zeit gerecht zu werden. Der Film fügt sich in diesen Rahmen ein und hilft dabei, die tansanische Geschichte zu kontextualisieren.

 

Foto:
©Verleih

Info:
Die Liebe in ungleichen Zeiten (Vuta N'Kuvute)Ein poetischer Revolutionsfilm von Amil Shivji

Tansania / Südafrika / Deutschland / Katar, Länge: 90 Minuten, FSK 6 DCP 24fps, Farbe, 5.1
Sprachfassung: Swahili und Englisch, mit deutsch Untertiteln

Stab:
Regie: Amil Shivji
Drehbuch: Amil Shivji und Jenna Bass
Nach einem Roman von Shafi Adam Shafi Produziert von: Steven Markovitz & Amil Shivji Ausführende Produzenten: Lucinda Englehart, Neil Tabatznik Ko-Produzenten: Tamsin Ranger, Nicole Gerhards Kamera: Zenn Van Zyl
Schnitt: Nadia Ben Rachid, Matthew Swanepoel Szenenbild: Emilia Roux, Eliudi Dominic Mwanyika Kostüm: Hawa Ally Issa
Musik: Amine Bouhafa, Amélie Legrand

Besetzung
Denge - Gudrun Columbus Mwanyika
Yasmin - Ikhlas Gafur Vora
Mwajuma - Siti Amina
Förderungen:
Rosa Luxemburg Stiftung
Berlinale World Cinema Fund
Doha Film Institute
Visions Sud Est

Abdruck aus dem Presseheft