Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos am Donnerstag, 9. Mai, Teil 10
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Der rote Teppich auf der Berlinale im Februar dieses Jahres. Grimmig blickend öffnet Peaches ihren langen Ledermantel vor der internationalen Presse. Darunter ist sie fast nackt, auf ihrem winzigen Slip steht FCK AFD. Also "fickt die AfD". Die 57-jährige Kanadierin, die seit 20 Jahren in Berlin lebt, ist immer für derbe provozierende Herausforderungen zu haben. Gleich wird sie ihren Film „Teaches Of Peaches“ vorstellen, der hier bei den Filmfestspielen uraufgeführt wird.
Dieser Streifen ist eine Dokumentarcollage, der ihre Entwicklung von einer YMCA-Kindergärtnerin, die mit den Kids lustige Musik machte, bis zu ihrer krassen Konzerttournee im Jahr 2022 nacherzählt. Die Bilder springen zwischen alten Zeiten, ihren diversen Banderfahrungen, dem Durchbruch in Berlin und den Vorbereitungen für die aktuelle Tournee. Wollte sie damals noch mit einem winzigen Köfferchen auf Tour gehen, „mehr nicht“, hat sie jetzt eine Helferin, die ihre zahllosen Koffer mit Verkleidungen, Instrumenten, Sexspielzeugen und anderen Bühnenrequisiten vollpackt.
Wir erleben, wie der Coiffeur für sie und die anderen Musikerinnen abenteuerliche Frisuren kreiert. Bei den musikalischen Proben sind wir dabei. „Du musst gar nichts tun“, klärt sie ihre neue Gitarristin auf. „Geh nur über die Bühne, zeig‘ ihnen deinen Arsch. Sie sollen merken, du musst nicht mal spielen, sooo gut bist du...“ Halbnackt, grell bemalt und nur im Schlüpfer tritt sie dann selbst, die älter gewordene Punk-Performerin, vor ihr Publikum. „Seid ihr okay, motherfuckers? Dann lasst uns zusammenkommen“, brüllt sie in den Saal.
Die Gitarren kreischen, Peaches singt „Fuck the Pain away!“ und bedient ihr altmodisches Keyboard. Die ad-hof-Band zelebriert diesen und andere alte Songs. Aber nicht aus Nostalgie, sondern um herauszufinden, ob sie immer noch aktuell sind und die Leute sich anstiften lassen, ihr Leben zu ändern. Denn Ihre Botschaft ist weiterhin mit wilder, harter, verrückter Musik und der skurrilen, sexuell aufgeladenen Bühnenschau: Frei sein, keine Kompromisse eingehen, mach was du willst und sei du selbst! Bereits in einem VIVA-Interview verkündete sie um 2000 herum: „Wir wollen Sex und wir wollen darüber reden. Wir! Nicht weil die Männer es hören wollen!“
Peaches ist älter und etwas runder geworden, sie ist kein Zuckermädchen mehr, turnt aber mutig und lustvoll - weiterhin - halbnackt auf der Bühne herum. Manchmal auch in Fellmänteln, Umhängen mit vielen Plastikbrüsten oder umgeschnallten wackelnden Dildos. Journalistenkollegen mokierten sich darüber, aber sie schämt sich nicht! Und seien wir mal ehrlich, die wesentlich älteren Rock-Opas Rolling Stones gerieren sich ja so, als seien sie gar keine Großväter.
Zwischen den zahlreichen Archivbildern und Videos kommen Freundinnen, Wegbegleiter, Musikerinnen und ihr aktueller Lebenspartner zu Wort.
Übrigens ist die Künstlerin politisch bei PETA engagiert und kulturell recht erfolgreich geworden. 2020 brachte sie die Rockoper „Jesus Christ Superstar“ als Solo-Show im Berliner Hebbel-Theater auf die Bühne und arbeitet seither auch im Bereich von Theater und Performance-Art. Sie war 2019 an der Inszenierung von Kurt Weils satirischem Ballett mit Gesang, „Die sieben Todsünden“, im Staatstheater Stuttgart engagiert.
„Teaches Of Peaches“, Dokumentarfilm D 2024, 102 Minuten, Filmstart 9. Mai 2024
Regie Philipp Fussenegger, Judy Landkammer. Der Film wurde von ARTE und dem ZDF mitproduziert.
Fotos:
Oben © Berlinale
Mitte / Unten © Avanti Media Fiction
Info:
Besetzung
Peaches (Merrill Nisker), Berlin
Black Cracker (Ellison Renee Glenn), Peaches‘ Freund, Berlin
Bláthin Eckhart, Tour-Gitarristin, Berlin
Tif „Teddy“ Lamson, Tour-Schlagzeugerin, New Orleans
Federica „Fede“ Dauri, Tänzerin, Rom
Natasha Vergilio, Tänzerin, Berlin
Hilary Fox, Garderobiere, Berlin
Bryan Schall, Lichtdesign, Berlin
Olivia Oyama, FOH (Front of House), Berlin
Stab
Regie Philipp Fussenegger
Montage & Co-Regie Judy Landkammer