Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Mai 2024, Teil 3
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dog lebt in den späten 1980er Jahren allein in einem kleinen Apartment in der East 13th Street in New York. Sein Tagesablauf besteht aus auf der Couch zu sitzen, aufgewärmte Makkaroni-Gerichte zu essen und ins Fernsehen zu starren. Da sieht er eines Tages eine Werbung für einen Roboter zum selbst zusammen bauen. Sofort beschließt er, sich so einen Roboter als Freund und Begleiter nach Hause zu bestellen. Gleich nach der Lieferung beginnt Dog den Roboter zusammen zu setzen.
In ganz kurzer Zeit werden die beiden unzertrennlich. Gleich vom ersten Tag an haben Dog und Robot einen Riesenspaß miteinander. Sie gehen zusammen in den Park, essen Eis und erkunden die Straßen New Yorks. Sie erleben einen wunderbaren Sommer voller Spaß und Freude.
Doch dann machen die beiden einen spätsommerlichen Ausflug zu einem Standbad auf Coney Island. Sie verbringen den Tag nicht nur am Strand, sondern haben auch viel Spaß im Wasser. Dummerweise bekommt der Aufenthalt am Strand und im Wasser Robot überhaupt nicht, so dass er sich plötzlich nicht mehr bewegen kann. Dog schafft es einfach nicht Robot wieder aufzurichten, denn Robots Batterien haben sich vollständig entladen. Dog muss seinen Freund am Strand zurück lassen. Der Hund macht sich allein auf den Weg nach Hause und will am nächsten Tag mit Werkzeug und Schmieröl zum Strand zurückkehren, um seinen Freund wieder flott zu bekommen.
Doch als er am nächsten Tag wieder dort ankommt, ist der Weg zum Strand abgesperrt, denn die Badesaison ist beendet und der Strand wird erst wieder im Juni des nächsten Jahres geöffnet. Er kann seinen Freund zwar im Sand liegen sehen, aber er schafft es einfach nicht an den Wachen vorbei und zu seinem Freund hin zu kommen.
Den ganzen Herbst und Winter über müssen sowohl Dog als auch Robot mit der neuen Situation umgehen. Dabei wird ihre Freundschaft auf eine schwere und langwierige Probe gestellt. Während Dog in vielen Nächten schlaflos in seinem Bett liegt und an seinen Freund denkt, aber auch notgedrungen bereit ist, neue Freunde kennen zu lernen, liegt Robot Wind und Wetter ausgesetzt bewegungslos am Strand, gewinnt und verliert dabei ganz unterschiedliche Freunde und träumt aber auch verschiedene Möglichkeiten für ihr Wiedersehen herbei.
Werden sich die beiden im nächsten Frühjahr wieder sehen oder werden beide durch die lange Trennung sich in ganz unterschiedliche Richtungen entwickeln?
Der Animationsfilm ″Robot Dreams″ basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel der US-amerikanischen Autorin und Illustratorin Sara Varon. In Deutschland wurde sie 2008 vom Ravensburger Buchverlag unter dem Titel Robo und Hund: Wahre Freundschaft rostet nicht veröffentlicht.
Regisseur ist der Spanier Pablo Berger, der auch selbst das Drehbuch verfasst hat. Berger wurde vor allem durch den in schwarz-weiß gedrehten Stummfilm ″Blancanieves″ (2012) bekannt, der lose auf dem Märchen Schneewittchen der Brüder Grimm beruht.
Pablo Berger kommt als Regisseur in seinem Animationsfilm ohne ein gesprochenes Wort aus. Im Film wird die Story nur durch Gesten, Geräusche und Musik erzählt (u.a.September von Earth, Wind & Fire, der Song zieht sich durch die schöne gemeinsame Sommerzeit oder auch den traurigen Winter der beiden Freunde). Dies macht ihn ganz sicher für jede Altersgruppe zugänglich und verständlich. Auch treten im ganzen Film keine Menschen auf, aber die Tiere zeigen natürlich sehr anthropomorphes Verhalten.
Auch ohne Worte erkennt man als Zuschauer sofort die tiefe Verbundenheit zwischen dem Hund und seinem neuen Freund, denn gleich nach der Aktivierung des Roboters lächeln sich beide an. Danach zeigt Dog seinem neuem Freund seine Stadt, die der mit staunenden Augen genießt. Dabei erinnert der Regisseur voller Nostalgie und mit vielen amüsanten Details an das New York der späten 1980er Jahre. Denn Pablo Berger lehnt sich mit seinem Animationsstil mit einfacher Linienführung und klaren Farben deutlich an die Comic-Vorlage an. Dadurch hat Dog natürlich auch kein Handy, um um Hilfe zu bitten. Er muss sich erst einmal selbst kundig machen, damit er dann versuchen kann mit seinem eigenen Werkzeug Robot wieder flott zu bekommen. Er kann sich allerdings nicht gegen den Wächter durchsetzen und landet sogar mal auf der Polizeiwache.
Während Dog versucht, sich von dem Trennungsschmerz und der wiedereinsetzenden Einsamkeit abzulenken, beginnt der bewegungsunfähige Roboter sich in Träume zu flüchten, in denen er aufstehen und zum Haus seines Freundes laufen kann. Allerdings enden die Träume immer bevor er die Wohnung betreten kann.
Auch für die kindlichen und erwachsenen Zuschauer ist es recht bald deutlich zu erkennen, welches die Wirklichkeit des Roboters ist und wann er sich in eine andere Wirklichkeit hinein träumt, denn Robot bleibt während des Winters nicht allein, sondern wird auch besucht und dabei nicht immer gerade freundlich behandelt und auch teilweise zerstört.
Während der Wintermonate erleben sowohl Dog als auch Robot verschiedene Gefühlsebenen von Hoffnung und Freude bis hin zu Neid, Trauer, Wut und Verlustangst. Allerdings sind alle Szenen so gestaltet, dass sie zwar traurig machen, aber auch für ein jüngeres Publikum verständlich und nachvollziehbar bleiben.
Die deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat den Animationsfilm mit dem Prädikat ″besonders wertvoll″ ausgezeichnet, da ″Robot Dreams″ ein unterhaltender Film für die ganze Familie ist, der wunderbar das Spiel mit Traum und Wirklichkeit zeigt, in dem der Roboter liebevoll Rückkehrphantasien entwickelt. Aber auch hier wurde die Verlustangst in der Liebe eingebaut. Denn während einer Zwangstrennung leben die Individuen auch weiter – mit allen Gefahren von neuen Erfahrungen, die sowohl Dog als auch Robot durchlaufen.
Die FBW Jugendfilm Jury vergibt 4 von 5 Sternen, obwohl die Erzählweise ohne Worte vom Zuschauer höchste Konzentration verlangt. Denn durch die Animationen, die Figuren und die Musik wird auch ohne Dialoge deutlich, was die Charaktere ausdrücken wollen und fühlen. Die Jury empfiehlt den gefühlvollen Animationsfilm ab 6 Jahren, weil er sehr einfach und kindgerecht gestaltet ist und man ihn auch ohne Worte verstehen kann.
Neben einigen weiteren Nominierungen und Auszeichnungen wurde ″Robot Dreams″ beim Europäischen Filmpreis 2023 als bester Animationsfilm ausgezeichnet, ebenso wie mit dem Goya, dem spanischen Äquivalent zum Oscar. Dort gewann Regisseur und Drehbuchautor Pablo Berger auch den Preis für das beste Drehbuch.
Bei den Academy Awards 2023 erhielt ″Robot Dreams″ ebenfalls zu recht eine Nominierung als bester Animationsfilm, allerdings konnte er gegen den japanischen Animationsfilm ″Der Junge und der Reiher″ von Regisseur und Drehbuchautor Hayao Miyazaki nicht gewinnen.
Insgesamt ist ″Robot Dreams″ ein wunderbar gelungener Animationsfilm mit einem nicht süßlichen aber doch bittersüßen Ende. Dabei zeigt das Filmende noch einmal ganz deutlich, dass dieser tolle Film das Herz auf jeden Fall am rechten Fleck hat. Es ist ein sehenswerter Film der sanften Momente und der melancholischen Atmosphäre. Dadurch ist ″Robot Dreams″ ein Animationsfilm sowohl für Kinder als für Erwachsene, die die nostalgische Stimmung zu schätzen wissen.
Foto 1: Dog baut den Roboter zusammen © Plaion Pictures
Foto 2: Stärkung für zwischendurch: Beim Ausflug darf ein stilechter New Yorker Hot Dog nicht fehlen © Plaion Pictures
Foto 3: Die Schwimmflügel sind parat: Dog und Robot gehen baden © Plaion Pictures
Foto 4: Winterträume: Die Temperaturen ändern sich, aber die Freundschaft bleibt (in Robots Träumen) © Plaion Pictures
Info:
Robot Dreams (Spanien, Frankreich 2023)
Originaltitel: Robot Dreams
Genre: Animation, Comicvorlage, Familienfilm
Filmlänge: ca. 101 Min.
Regie: Pablo Berger
Drehbuch: Pablo Berger nach der gleichnamigen Graphic Novel von 2007 der US-amerikanischen Autorin und Illustratorin Sara Varon.
Verleih: Plaion Pictures
Vertrieb: Studiocanal
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 09.05.2024