zimmer3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos am Donnerstag, 16. Mai, Teil 3

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - In Frankreich kennt man Sie vor allem aus erfolgreichen Komödien. Wie wichtig war es Ihnen nach Filmen wie „Ricky“ und „Mit ganzer Kraft“ wieder ins ernsthafte Fach zu wechseln? 

 

Dabei sind es Komödien, die mir am meisten Angst machen. Jedes Mal habe ich dabei das Gefühl, alles infrage zu stellen. In Dramen zu spielen, erlaubt mir, dass ich mich Themen widmen kann, die mich zutiefst berühren. Als Mutter lernt man, ständig mit dieser Angst um die Kinder zu leben. Um mich auf die Rolle von Thelma vorzubereiten, reichte es völlig aus, meinen jungen Partner Hugo, der meinen Filmsohn Louis spielt, in seinem Krankenhausbett zu sehen, wenn er dort im Koma liegt. Dann war ich bereit. Alles, was ich für die Rolle brauchte, trug ich bereits in mir. Da muss man sich nicht weiter vorbereiten. Und ich bin sicher, alle Eltern würden so reagieren. 

 

Wie haben Sie ihre Rolle zusammen mit ihrer Regisseurin Lisa Azuelos entwickelt?

 

Das Tolle an Lisa ist, dass sie einem so viele Freiheiten einräumt. Vorab haben wir über ganz viele Themen miteinander gesprochen, um der Geschichte Gestalt zu verleihen. Das war notwendig, weil sich der Film auf einem schmalen Grat bewegt. Wir waren besorgt, dass der Zuschauer den Eindruck bekäme, als wolle die Mutter vor ihrer Verantwortung, ihrem Unglück fliehen und nur reisen, um auf andere Gedanken zu kommen. Wir haben sowohl beim Überarbeiten des Drehbuchs als auch im Spiel darauf geachtet, dass kein falscher Eindruck entsteht. Es musste klar sein, dass sie das alles für Louis macht, um ihm seine Wünsche zu erfüllen, auch wenn Thelma am Ende verändert von dieser Reise zurückkehrt.

 

Haben Sie den Roman von Julien Sandrel gelesen?

 

Das habe ich, nachdem ich das Drehbuch erhielt. Wenn ich in einer Romanverfilmung mitspiele, möchte ich das Buch immer lesen. So kann ich mich besser in die Geschichte hineinfühlen. Ich wollte außerdem verstehen, warum der Roman weltweit so einen Erfolg hatte. Bei einer Adaption will man der Emotionalität der Erzählung treubleiben, aber ebenso ausloten, wie man sich vom Buch entfernen kann, ohne das Wesentliche zu verlieren. Ich wollte vor allem wissen, wie die Szenen im Krankenhaus im Roman erscheinen, da sie ja im Film sehr wichtig sind. 

 

Was war für Sie bei den Szenen im Krankenhaus besonders wichtig?

 

Dort herrscht eine ganz spezielle, manchmal fast familiäre Atmosphäre. Das spürt man, wenn man für eine längere Zeit jemanden im Krankenhaus besucht. Als wir mit dem Film vorab durch Frankreich tourten, meldeten sich aus dem Publikum viele Pflegekräfte, die uns bestätigten, wie treffend wir diesen Aspekt im Film thematisieren. 2012 habe ich für das französische Fernsehen für die Sendung „Envoyé Spécial“ einen Dokumentarfilm gedreht „Une vie de malade“ (Das Leben als Kranker). Als ich in diese sterilen Zimmer mit kranken Kindern ging, dachte ich zunächst, ich würde zusammenbrechen. Ich wusste nicht, wie ich bei diesem Anblick noch die Kamera halten sollte. Aber in diesen Zimmern war alles voller Leben, voller Kinder mit ihren Spielsachen. Und wenn man ankommt, sagen die Krankenschwestern: "Hier gibt es nur Leben, der Tod verschwindet!“ Ich wollte also mit Lisa diesen Aspekt in die Geschichte einbringen, diese lebendige und familiäre Seite, denn natürlich entstehen Bindungen, wenn man sich ständig sieht!

 

Und wie haben Sie mit Ihrem jungen Schauspielkollegen Hugo Questel die Szenen entwickelt, wo er nur im Koma liegt? 

 

Hugo war großartig. Er fragte mich jedes Mal, ob ich möchte, dass er dabei ist, selbst wenn die Einstellung es nicht erforderte und man auch mit seinem Double hätte drehen können. Aber in den Szenen, wo es um Emotionen geht, war es mir lieber, dass er blieb. Ich sah ihn an, in diesem Moment war er mein Sohn und ich wurde von meinen Gefühlen überwältigt. Es erlaubte mir auch, spontan Improvisationen vorzuschlagen. Hugo war wirklich goldig. Es war nicht immer leicht, aber ich weiß, dass ich es ohne ihn nicht so hätte spielen können.

 

Kannte Thelma ihren Sohn überhaupt richtig, bevor sie seine Wunschliste entdeckte? 

 

Wir liegen bei unseren Kindern oft daneben. Wenn sie uns von ihren Sorgen erzählen, halten wir diese für überschaubar, obwohl sie für die Kinder sehr wichtig sind. Ja, Thelma kannte ihren Sohn Louis nicht sonderlich gut. Sie hatte sich nicht einmal auf den Moment vorbereitet, in dem er ihr irgendwann Fragen über seinen Vater stellen würde. Wenn sich Thelma auf die Suche nach diesem Mann begibt und so den Wunsch ihres Sohnes erfüllt, unternimmt sie eine Reise zu sich selbst. Danach ist sie nicht mehr dieselbe. 

 

 Welcher Traum von Louis berührte Sie besonders? 

 

Neben der Suche nach dem Vater vor allem die Reise nach Japan. Für Kinder ist es ein ganz großer Traum, nach Japan zu reisen. Als Thelma dort alleine ist, verloren in einer Metropole, in der sie niemanden kennt, die Sprache nicht versteht und nur schlecht Englisch redet, ist das ein sehr intensives Erlebnis im Film. Sie tut aber alles, um den Autor des Lieblingsmangas ihres Sohnes zu finden, von dem keiner weiß, wie er aussieht. 

 

Kannten Sie Japan bereits? 

 

Überhaupt nicht. Man könnte sich kaum einen Ort vorstellen, der gegensätzlicher ist im Vergleich zu Frankreich. Die Codes, Sitten, Einstellungen: alles ist anders. Ich drehte an einem Abend eine Szene mit dem japanischen Schauspieler, der den Agenten des Manga-Autors spielt. Dabei ließ ich mitten in der Nacht meine Handtasche auf einer Bank liegen, aber niemand war beunruhigt, weil nie jemand irgendetwas klauen würde. Alles ist dort so überraschend, verwirrend und faszinierend. Tokio ist eine Riesenmetropole, aber niemand hupt, man schreit sich nicht an oder beleidigt sich. Alle sind höflich. Thelma entdeckt dort die Ruhe. Sobald sie nur herumrennt und sich aufregt, wird sie ihrem Sohn diesen wichtigen Wunsch nicht erfüllen können. Sie lernt, dass die Dinge allein auf einen zukommen, wenn der Moment reif dafür ist. 

 

Was hat es Ihnen bedeutet, dass Muriel Robin Ihre Mutter spielt?

 

Was für eine großartige Schauspielerin! Um ehrlich zu sein, sind wir in der Familie mehr als nur Fans: Wir kennen alle ihre Sketche auswendig! Ich habe alles gesehen, was Muriel gemacht hat: ihre Shows, ihre Serien wie „Jacqueline Sauvage", ihre Filme. Ich liebe sie! Als ich mit ihr drehte, entdeckte ich eine Partnerin, die sehr genau auf die kleinen Dinge im Leben achtet, was dem Film zugutekommt. Das Problem ist nur, dass sie gerne und viel lacht. Das platzt spontan aus ihr heraus, so wie bei mir auch… Muriel ist genial, wenn es darum geht, von einer Stimmung in eine andere zu wechseln. Dann kann sie mit einem Mal, mit einem Blick, düster werden wie diese großen Clowns, die plötzlich ihre dunklen Seiten oder eine gewisse Schwere erkennen lassen. Bourvil hatte das auch...

 

Wie war es mit Lisa Azuelos als Regisseurin zu drehen, die sie privat gut kennen? 

 

Lisa ist brillant, charmant, voller Wärme und Menschlichkeit. Sie hat im Leben auch gelitten und das macht sie extrem berührend. Wir telefonieren jetzt nicht täglich, aber ich weiß, wenn ich Lisa eines Tages brauche, ist sie zur Stelle, so wie ich auch für sie. Mir war klar, dass es in ihrem neuen Film wieder um das Porträt einer Frau gehen würde. Das hat ihr Kino immer ausgemacht. Sie verfügt über das Talent, ihre Weiblichkeit in den Dienst von Geschichten zu stellen, die alle betreffen, auch die Männer. Als Schauspielerin hat man das Gefühl, dass man tun und lassen kann, was man will. Dennoch schafft sie es, zu führen. 

 Foto:
©Filmverleih

Info:
BESETZUNG

Thelma ALEXANDRA LAMY
Odette MURIEL ROBIN
Louis HUGO QUESTEL
Etienne XAVIER LACAILLE
Nadege MARTINE SCHAMBACHER
Agent von KGI HIROKI HASEGAWA
Louis mit 20 MARCEL GITARD
Matthew RAFI PITTS
Amara CLARA CANESHE

STAB
Regie LISA AZUELOS
Drehbuch und Dialoge JULIETTE SALES, FABIEN SUAREZ

Abdruck aus dem Presseheft