DerSchoeneTag 002 RGB Kopie15. Juni bis 4. August 2024 im Berliner  Kino Arsenal

Birgit Kohler

Berlin (Weltexpresso) - Thomas Arslan (*1962) ist seit nahezu 30 Jahren eine zentrale Figur des deutschen Gegenwartskinos. Als ein Vertreter der sogenannten Berliner Schule hat er es mit einer auf Reduktion setzenden Ästhetik erneuert und um einen stilisierten Alltagsrealismus bereichert, mit seiner Berlin-Trilogie über deutsch-türkische Jugendliche eine spezifische Form des postmigrantischen Kinos entwickelt und im Bereich Genrekino mit Gangsterfilmen, einem Western und einem Roadmovie brilliert.

Der Fokus seiner Filme liegt häufig weniger auf äußeren Vorgängen als auf der Beschreibung innerer Zustände. In seinen dokumentarischen Arbeiten lässt er sich mit großer stilistischer Klarheit auf das ein, was er vorfindet. Die Erkundung des Berliner Stadtraums prägt viele seiner Filme auf unnachahmliche Art – wobei Raum bei Arslan meist über Menschen in Bewegung erzählt wird, in Berlin genauso wie im Wilden Westen. Das ist buchstäblich zu verstehen: Arslans Kino zeigt gerne, wie die Figuren gehen, alleine und nebeneinander, wie sie sich durch ihre Umgebung bewegen. Und es ist selbst in Bewegung: Ausgehend von Essen und Berlin weitet sich der geografische Radius seines Kinos über die Jahre, es verlässt die Stadt ins Brandenburger Umland, später dann in die Türkei, nach Kanada und Norwegen, um jedoch stets auch wieder nach Berlin zurückzukehren.

Parallel zu der Ausstellung Thomas Arslan im Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) zeigt das Arsenal bis Anfang August eine Werkschau seiner Filme. Am Eröffnungswochenende laufen frühe Kurzfilme aus Arslans Studienzeit an der DFFB sowie seine jüngste für die Ausstellung realisierte Arbeit AM RAND REVISITED. Außerdem wird in diesem Rahmen eine Preview seines aktuellen Thrillers VERBRANNTE ERDE präsentiert. Das Programm integriert außerdem einige für Arslan wichtige ästhetische Traditionslinien (Filme von Shirley Clarke, Jean Eustache, Orson Welles, Robert Bresson, Barbara Loden) – sein Kino ist spürbar mit filmhistorischer Reflexion grundiert – und wird flankiert von Gesprächen mit dem Filmemacher und zahlreichen Einführungen, die verschiedene Aspekte seines Werks beleuchten: den Fokus auf Jugendliche (Diedrich Diederichsen am 18.6.), eine Einordnung in das (post)migrantische Kino (Till Kadritzke am 20.6.), die Ästhetik der Berliner Schule (Michael Baute am 26.6.), die Arbeit mit nicht-professionellen Darsteller*innen (Serpil Turhan am 28.6.), den dokumentarischen Ansatz (Matthias Dell am 4.7.), die Stadt Berlin als filmischer Raum (Elena Meilicke am 7.7.), den Wechsel zum Schauplatz Natur (Sabine Nessel am 18.7.) und das Genrekino (Jan Distelmeyer am 13.7. zum Kriminalfilm/Thriller, Anke Leweke am 25.7. zum Roadmovie, Bert Rebhandl am 27.7. zum Western) – jeweils mit Bezug auf heutige Diskurse.



DER SCHÖNE TAG Thomas Arslan D 2001

Programm

Eröffnung
Sa 15.6., 20h, Anschließend Diskussion mit Thomas Arslan, Moderation: Birgit Kohler
AM RAND Thomas Arslan D 1991 ohne Dialog 24´
AM RAND REVISITED Thomas Arslan D 2024 ohne Dialog 20´
IM SOMMER (DIE SICHTBARE WELT) Thomas Arslan D 1992 OmeU 41´
AM RAND: Entlang des ehemaligen Berliner Mauerstreifens im November/Dezember 1990 gedreht, hält der in einem Seminar von Peter Nestler an der DFFB entstandene Kurzfilm im Übergang befindliche Orte fest: An den Bezirksgrenzen von Neukölln/Treptow, Moabit/Mitte, Wedding/Prenzlauer Berg und Märkischem Viertel/Wilhelmsruh aufgenommene und durch Kameraschwenks verbundene Totalen zeigen Schrebergärten, Sackgassen, Bagger, Bauarbeiter, eine mobile Küche, vor allem aber weite, unbebaute Flächen – wie ein Stadtrand, der sich mitten durch die Stadt zieht.
In AM RAND REVISITED sucht Arslan, erneut selbst an der Kamera, mit einem zeitlichen Abstand von 32 Jahren im Dezember 2023 die für AM RAND ausgewählten Areale noch einmal auf und zeigt, was aus den ehemaligen Brachen mittlerweile geworden ist. Die Kombination beider Filme dokumentiert eindrücklich die drastische Transformation der Stadt.
IM SOMMER (DIE SICHTBARE WELT): Paul möchte nicht arbeiten, hat kein Geld und lebt in den Tag hinein. Seine Freundin jobbt in einem Archiv und malt. An einem Sommertag streift er durch Berlin – Stationen sind u.a. das Europa Center, das Kino Royal Palast und der Kanal am Urban-Krankenhaus –, trifft Bekannte, hört Musik und liest. Die meiste Zeit ist er für sich. „Mein Leben hat nichts Außergewöhnliches, aber durch die Art, wie ich darüber denke, wird es verwandelt.“ Thomas Arslan legt in seinem mittellangen DFFB-Abschlussfilm seinen Figuren Zitate in den Mund (wie dieses von Paul Valéry) und lässt sie auch zitathaft sprechen. Verstreute Hinweise im Bild: Céline, Brinkmann, Eustache. Formale Ambition trifft hier auf unspektakulären Alltag, die Anstrengungen des Nichtstuns auf das Licht des Sommers.

So 16.6., 20h, Anschließend Diskussion mit Thomas Arslan, Moderation: Birgit Kohler
Preview: VERBRANNTE ERDE Thomas Arslan D 2024 OmeU 100´
Trojan (Mišel Matičević) ist ein Gangster alter Schule – doch die alten Zeiten sind vorbei. Als er nach zwölf Jahren im Untergrund nach Berlin zurückkommt, um ein Gemälde von Caspar David Friedrich zu rauben, muss er erleben, dass die Geschäfte in seiner Branche jetzt anders funktionieren und es plötzlich nur noch ums nackte Überleben geht. Arslans Fortsetzung von IM SCHATTEN (2010) ist stringent erzähltes Genrekino. Die Autofahrten sind als gleitende Bewegungen inszeniert, farbige Lichtakzente lassen die Nacht in verschiedenen Schattierungen von Schwarz leuchten, ein pulsierender Score setzt atmosphärische Akzente. Auch Berlin hat sich verändert: Es zeigt sich hier als unwirtliche Stadt mit seelenlosen Hotels, verlassenen Parkplätzen und gläsernen Bauten.

Di 18.6., 20h, Einführung: Diedrich Diederichsen & Mi 17.7, 20h
MACH DIE MUSIK LEISER Thomas Arslan D 1994 OmeU 87´
Es ist nicht leicht, jung zu sein. Für die drei 16-jährigen Freunde Frank, Andy und Florian steht das Ende der gemeinsamen Schulzeit kurz bevor und Zukunftsentscheidungen – Arbeit, Bundeswehr oder Abitur? – rücken in bedrohliche Nähe. Einstweilen hängen sie jedoch noch gemeinsam ab ohne viele Worte zu machen, auf Treppen, an Tankstellen, unter einer Autobahnbrücke. Sie rauchen, beobachten Mädchen, hören Musik, gehen zum Konzert einer Metal-Band, in die Disko, den Plattenladen und ins Autokino. Nicht einmal ein Revolver führt zu Aufregung. In seinem mit Laiendarsteller*innen besetzten und in seiner Heimatstadt Essen gedrehten Langfilmdebüt legt Thomas Arslan Gesten und Gangarten von Jugendlichen frei und zeichnet präzise ihr Lebensgefühl in einer Phase des Umbruchs.

Do 20.6., 20h, Einführung: Till Kadritzke & Di 9.7., 20h
GESCHWISTER – KARDEŞLER Thomas Arslan D 1996 OmeU 84´
Erol, Ahmed und Leyla sind Geschwister und leben mit ihren Eltern in Berlin-Kreuzberg. Der Vater ist Türke, die Mutter Deutsche. Wenn Erol (Tamer Yiğit) schnellen Schrittes im Kiez zwischen Kottbusser Tor und Görlitzer Bahnhof unterwegs ist, und das ist er oft, trifft er immer auf jemanden, dem er Geld schuldet. Während Ahmed (Savaş Yurderi) gelassen auf das Abitur zusteuert und die schlagfertige Leyla (Serpil Turhan) eine Lehre in der Näherei macht, ist Erol ein Drifter. Seine einzige Perspektive ist der Wehrdienst in der Türkei, den er trotz Kritik antreten will. Familienstreits, Liebschaften, kleine Fluchten, Cliquen-Slang und lange Gänge durch SO 36 – in jeder Szene mischt sich Alltagsbeobachtung mit formaler Verdichtung und verankert den Film fest in der Erfahrungswelt der von Laien verkörperten deutsch-türkischen Jugendlichen.

Sa 22.6., 20h, Einführung: Thomas Arslan
THE COOL WORLD Shirley Clarke USA 1963 35mm engl. OF 105´
Der an Originalschauplätzen in Harlem mit Laiendarstellern gedrehte Klassiker des New American Cinema erzählt vom 14-jährigen Duke, der sich in den Kopf gesetzt hat, eine Waffe zu besorgen, um so Anführer einer jugendlichen Straßengang zu werden. Die raue Energie Harlems setzt Shirley Clarke mit einem Jazzsoundtrack von Dizzy Gillespie in eine filmische Erfahrung um, die in der Abfolge alltäglicher Ereignisse trotz der Darstellung zerstörter Familien, Drogensucht, schwierigen Wohnverhältnissen, Gewalt und Marginalisierung nicht zur Sozialreportage wird. Der sparsam eingesetzte, atemlos-gehetzte Off-Kommentar der Hauptfigur ordnet nichts, sondern potenziert deren Ratlosigkeit.

Mi 26.6., 20h, Einführung: Michael Baute & Mo 15.7., 20h
DEALER Thomas Arslan D 1998 OmeU 74´
„Seltsam, wie sich alles ändert!“ sagt der inhaftierte Kleindealer Can (Tamer Yiğit) am Ende aus dem Off. Als wisse er nicht, wie ihm geschehen ist. Dabei war ihm seine Situation allmählich bewusst geworden: Von seiner Freundin mit Tochter verlassen, von der Polizei observiert und von seinem Auftraggeber hingehalten, hatte er sich schließlich entschlossen, das Dealen aufzugeben und als Küchenhilfe zu arbeiten – um schon bald wieder zum Straßenverkauf von Drogen zurückzukehren. Der zweite Teil von Arslans Berlin-Trilogie zeigt Cans Abstieg (mit Anklängen an Bresson) ohne äußere Dramatik, unsentimental und fast kontemplativ. Eine ausgeprägte Farbdramaturgie und Close-ups des Protagonisten im Profil tragen zu einer gewissen Stilisierung bei – weit entfernt von einer Milieuschilderung beschreibt der Film mit minimalistischen Mitteln vielmehr einen mentalen Zustand, den das Milieu produziert.

Fr 28.6., 20h, Anschließend Gespräch mit Serpil Turhan, Moderation: Birgit Kohler & So 7.7., 20h, Einführung: Elena Meilicke
DER SCHÖNE TAG Thomas Arslan D 2001 35mm OmeU 74´
Ein Sommertag in Berlin. Die 21-jährige Deniz (Serpil Turhan) ist ständig in Bewegung, zielstrebig und suchend zugleich, mit der U-Bahn, der S-Bahn, dem Taxi oder zu Fuß. Das ausgestellte Zurücklegen von Wegen in der Stadt – Südliche Friedrichstadt, Wannsee, Bahnhof Zoo, Tiergarten – verleiht diesem letzten Teil der Berlin-Trilogie einen ganz eigenen Rhythmus. Deniz trennt sich von ihrem Freund, trifft Mutter und Schwester, lernt unterwegs einen jungen Mann kennen. Das Nachdenken über die Liebe begleitet sie. Im Synchronstudio spricht sie Rohmers Film Conte d’été ein, bei einem Casting erzählt sie nüchtern und intensiv eine Szene aus À nos amours von Pialat nach, im Gespräch mit einer Wissenschaftlerin geht es um die Kulturgeschichte der Liebe. Nicht nur diese unterschiedlichen Sprechweisen und Referenzen machen den mit natürlichem Licht und Originalton gedrehten Film zu einem Raum der Reflexion.

Do 4.7., 20h, Einführung: Matthias Dell & Mi 10.7., 20h
AUS DER FERNE Thomas Arslan D 2005 OmeU 89´
Bilder einer Reise durch die Türkei im Jahr 2005, von Istanbul und Ankara gen Osten bis nahe an die iranische Grenze: Alltägliche Straßenszenen, Menschen in Bahnhofshallen und auf Marktplätzen, lange Autofahrten, Militärkontrollen, imposante weite Landschaften und immer wieder (Schul)Kinder. Arslan, der als Kind vier Jahre in Ankara verbrachte und für diesen Dokumentarfilm nach über 20 Jahren in die Heimat seines Vaters zurückkehrte, versteht sich als außenstehender Beobachter, was das wiederkehrende Motiv des Blicks aus einem Fenster markiert. Nur bei einem Gespräch mit seiner Tante wird er persönlich. In spärlichen Kommentaren aus dem Off gibt Arslan, der auch selbst die Kamera führte, kurze geografische oder historische Informationen. Aus vielen Momentaufnahmen entsteht ein dichtes Porträt der Türkei.

Sa 6.7., 20h
MES PETITES AMOUREUSES Meine kleinen Geliebten Jean Eustache F 1974 OmeU 123´
Der 13-jährige Daniel führt ein unbeschwertes Leben auf dem Land: Er hat Freunde, Erfolg in der Schule und ein gutes Verhältnis zu seiner Großmutter, die für ihn sorgt. Als seine Mutter (Ingrid Caven) ihn zu sich in die Stadt Narbonne holt, ist der Empfang nüchtern, und das Verhältnis zu ihrem Lebensgefährten bleibt unterkühlt. Um seinen Beitrag für den Lebensunterhalt zu leisten, muss Daniel die Schule verlassen und in einer Werkstatt arbeiten. Er erfährt früh die Realität der Erwachsenenwelt: die soziale Hierarchie, den tristen Arbeitsalltag und Versuche, Ablenkung in sexuellen Abenteuern zu finden. Im abschließenden Teil seiner autobiografischen Trilogie zeigt Eustache den Weg von einer „normalen“ Kindheit in die Marginalität aus der Distanz, ungerührt und ohne Zorn.

Fr 12.7., 20h
TOUCH OF EVIL Im Zeichen des Bösen Orson Welles USA 1958 OmdU 96´
Eigentlich wollten der junge Drogenfahnder Mike Vargas (Charlton Heston) und seine Frau Susan (Janet Leigh) ihre Flitterwochen in einer mexikanischen Kleinstadt verbringen. Doch als auf der US-amerikanischen Seite der Grenze eine Autobombe explodiert, schaltet sich der ehrgeizige Vargas in die Ermittlungen ein. Er trifft dabei auf den korrupten, skrupellosen Polizeichef Hank Quinlan (Orson Welles), der seine ganz eigenen Vorstellungen von Recht und Ordnung hat. TOUCH OF EVIL ist ein komplexer, intrigenreicher Thriller, der an die Traditionen des Film noir anknüpft, um sie zugleich zu demontieren und ad absurdum zu führen.

Sa 13.7., 20h, Einführung: Jan Distelmeyer & So 4.8., 20h
IM SCHATTEN Thomas Arslan D 2010 OmeU 85´
Trojan (Mišel Matičević), ein Einzelgänger, der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen wurde, plant umgehend den nächsten Coup. Während der Vorbereitungen zum Überfall eines Geldtransporters mit einem alten Freund hetzt ihm ein ehemaliger Komplize zwei Killer auf den Hals. Außerdem muss der wortkarge Profi sich eines korrupten Zivilpolizisten (Uwe Bohm) erwehren. Ein spannender Kriminalfilm, ein Neo-Film noir – Arslan macht hier zum ersten Mal veritables Genrekino. Dabei konzentriert er sich ganz konkret auf den Alltag der Gangster, ihr Handwerk, die Gesten ihrer Arbeit, ohne die Figuren mit persönlichen Geschichten zu beladen. In der Bewegung Trojans durch die Stadt zeichnet er außerdem ein Bild von Berlin: Leuchtreklamen in der Friedrichstraße, Excelsior-Haus, Kottbusser Tor, Olivaer Platz, Hauptbahnhof, Parkplätze, Parkhäuser, Remisen und Hotelzimmer.

So 14.7., 20h
PICKPOCKET Robert Bresson F 1959 OmeU 76´
Michel ist Taschendieb in Paris und perfektioniert täglich seine Technik, um ein Künstler in seinem Metier zu werden. Wie Raskolnikow in Dostojewskis Roman „Schuld und Sühne / Verbrechen und Strafe“ ist er überzeugt, bestimmte Menschen hätten das Recht, sich über Gesetze hinwegzusetzen. Diese These vertritt er sowohl gegenüber dem Kriminalkommissar, der ihn verdächtigt, wie auch gegenüber Jeanne, deren Liebe er zunächst nicht erwidert. Die durch Reduktion und Konzentration erreichte strenge Inszenierung Bressons übten einen prägenden Einfluss auf verschiedenste Regisseur*innen aus. Berühmt wurde der Film auch durch seine kunstvolle Montage. Höhepunkt ist eine Bahnhofsszene, in der mehrere Diebe gemeinsam tätig werden – ein virtuoses Ballett zugreifender und weiterreichender Hände, wandernder und verschwindender Objekte.

Do 18.7., 20h, Einführung: Sabine Nessel & Di 23.7., 20h
FERIEN Thomas Arslan D 2007 OmeU 91´
In einem Landhaus in der Uckermark kommen in der Ferienzeit vier Generationen einer Familie zusammen. Eine sommerliche Idylle könnte man meinen. Doch die Konstellation ist brüchig: Die Hausherrin Anna (Angela Winkler) möchte das Haus verkaufen, die Beziehung von Tochter Laura (Karoline Eichhorn) und deren Mann Paul (Uwe Bohm) bricht auseinander, Annas Mutter geht es gesundheitlich nicht gut und Tochter Sophie sorgt für weitere Unruhe. Sticheleien sind an der Tagesordnung und Konflikte brechen sich Bahn. Die Kamera bleibt stets reglos und ungerührt, neben den Familienszenen macht sie Bilder der Natur, zeigt wogende Baumkronen und das Rauschen des Windes in den Blättern. FERIEN markiert einen Twist in Arslans Kino: Er wechselt von der Stadt in die Natur und setzt statt Laien erstmalig professionelle Schauspieler*innen ein.

So 21.7., 20h
WANDA Barbara Loden USA 1970 engl. OF 102´
Wanda (gespielt von Loden selbst) haust mit ihrem Mann und zwei Kindern in einer Baracke in einem tristen Kohlebergbaugebiet. Da sie die Hausarbeit liegen lässt, reicht ihr Mann die Scheidung ein. Wanda gibt ihr bisheriges Leben auf, verzichtet auf das Sorgerecht für ihre Kinder – „they are better off with him“ – verliert ihren Job und driftet nur auf sich gestellt durch das ärmliche Pennsylvania. Als sie in einer Bar auf einen Gelegenheitsgauner trifft, lässt sie sich in einen Bankraub hineinziehen. Barbara Lodens unsentimentales Regiedebüt ist ihr einziger Langfilm geblieben und gilt heute als einer der wichtigsten Filme des US-amerikanischen Independent-Kinos der 70er Jahre.

Do 25.7., 20h, Einführung: Anke Leweke & Mi 31.7., 20h
HELLE NÄCHTE Thomas Arslan D/Norwegen 2017 OmeU 86´
Nach dem Tod seines in Norwegen lebenden Vaters, der ihm fremd war, macht sich Michael (Georg Friedrich) zusammen mit seinem 14-jährigen Sohn Luis, dem er fremd ist, von Berlin aus auf in den hohen Norden. Nach dem Begräbnis willigt Luis nur widerwillig ein, noch ein paar Tage zu zweit durch die einsame Gegend zu fahren und zu wandern. Die Enge in Auto und Zelt stellt jedoch keine Nähe her, die Atmosphäre ist angespannt, der Junge reagiert auf die Kontaktaufnahmen des Vaters, der Verpasstes nachholen und seine jahrelange Abwesenheit wettmachen will, verschlossen und wütend. Lange Autofahrten – eine davon minutenlang in immer dichter werdenden Nebel hinein –, ein sphärischer Drone-Score und einige Auslassungen kennzeichnen dieses Vater-Sohn-Roadmovie der minimalistischen Art. Ein kleiner versöhnlicher Moment macht noch kein Happy End.

Sa 27.7., 20h, Einführung: Bert Rebhandl & Fr 2.8., 20h
GOLD Thomas Arslan D/Kanada 2013 OmeU 101´
Kanada 1898, die Hochzeit des Goldrauschs. Eine kleine Gruppe deutscher Auswanderer macht sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben mit Pferden, Planwagen, Röstzwiebelpulver, Fotoapparat und Banjo auf den Weg zu den Goldfeldern am Klondike River. Dabei ist auch Emily Meyer (Nina Hoss), eine alleinstehende Frau. Die Wildnis wird dichter, die Orientierungslosigkeit wächst, es gibt Komplikationen (Radbruch, Bärenfalle), Erschöpfung und Konflikte stellen sich ein. Doch auch als der Treck schon stark dezimiert ist, kehrt Emily nicht um. Auf der Basis von Zeugnissen aus jener Zeit erzählt Arslan erstmals einen historischen Stoff – in Gestalt eines Spätwesterns. Begleitet von rauen Gitarren-Riffs, unterbrochen von Schwarzblenden, rückt er das Monotone und Repetitive der strapaziösen Reise sowie die Kargheit der Landschaft in den Vordergrund. Eine Standardsituation des Genres, den Showdown, gibt es auch.

Foto:
DER SCHÖNE TAG   Thomas Arslan   D 2001
©Arselnal