Was ist normal1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos am 5. September 2024, Teil 1

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) – Paulo (Artus) und sein Vater (Clovis Cornillac) haben gerade ziemlich dilettantisch einen Juwelierladen überfallen. Doch als die Polizei anrückt, müssen sie schnellstens flüchten. Dummerweise haben sie ihren Fluchtwagen illegal auf einem Behindertenparkplatz abgestellt und als sie beim Wagen ankommen, wird er gerade abgeschleppt.


Bei ihrer weiteren Flucht landen sie wieder an der gleichen Stelle. Dort steht eine Reisegruppe von jungen Erwachsenen mit Behinderung, die gerade in den bereitstehenden Bus einsteigen und nur noch auf Sylvain, ein den Betreuern unbekanntes Mitglied der Gruppe, warten.

Alice (Alice Belaïdi), die Leiterin der Gruppe, hält Paulo für den jungen Mann. Kurzerhand gibt sich Paulo als Sylvain und sein Vater als dessen Begleiter Orpi aus, der unbedingt mitfahren muss. Dies scheint eine fast perfekte Tarnung zu sein.

Es ist der turbulente Start ganz außergewöhnlicher Ferien, in denen die beiden Betrüger jederzeit auffliegen können, denn kaum im Urlaubsdomizil angekommen, wird Paulo von zwei der jungen Männer – u. a. von seinem Bettnachbarn Arnaud (Arnaud Toupense) - sofort entlarvt, dass er nicht behindert ist. Sein Vater muss gleichzeitig gute Miene zum bösen Spiel machen und wird als Betreuer mit eingesetzt.

Was ist normal2Damit beginnt ein außergewöhnliches Abenteuer, das alle Beteiligten vor ungeahnte Herausforderungen stellt, denn je länger der Urlaub andauert, desto mehr Gefallen finden Sohn und Vater an der Arbeit mit den Behinderten. Beide haben in der Gruppe jede Menge Spaß, schließen neue Freundschaften und haben großartige Erfahrungen, die sie für immer verändern werden.

Doch letztendlich müssen sich Paulo und sein Vater entscheiden, ob der ungeplante Trip ihrem Leben eine neue Perspektive geben kann oder ob sie weiter fliehen müssen, falls die Polizei doch noch hinter ihrem Aufenthaltsort kommen sollte…


″Was ist schon normal?″ ist die erste Regiearbeit des französischen Comedian Artus (vollständiger Name: Victor Artus Solaro), der auch zusammen mit Milan Mauger das Drehbuch verfasst und auch selbst die Hauptrolle des Paulo übernommen hat.

Er konnte für seine Komödie über das Stranden von zwei Juwelendieben in einem Ferienlager von jungen Erwachsenen mit Behinderung mit Clovis Cornillac als Paulos Vater und Alice Belaïdi als Betreuerin Alice zwei bekannte französische Darsteller gewinnen.

Was ist normal3Daneben wählte Artus, der neben anderen Aktivitäten auch Sponsor für die Paralympischen Spiele ist – auch der Authentizität wegen - als Schauspieler die behinderten Laiendarsteller Gad Abecassis, Ludovic Boul, Stanislas Carmont, Marie Colin, Thibault Conan, Mayane Sarah El Baze, Theophile Leroy, Boris Pitoëff, Sofian Ribes, Arnaud Toupense und Benjamin Vandewalle. Unter den Darstellern waren Menschen mit Down-Syndrom, eine Person, die am Gilles-de-la-Tourette-Syndrom leidet, mit Sofian (Sofian Ribes) ein junger Mann der zusätzlich im Rollstuhl sitzt oder sogar eine andere Person, die glaubt, er sei Nicolas Sarkozy. Alle Charaktere im Film sind von den Persönlichkeiten der Schauspieler inspiriert. Artus hat deshalb auch die Vornamen der Darsteller gleich für ihre Rollen übernommen.

Dadurch ist eine erfrischende Komödie entstanden, die mit subtilem Humor menschliche Beziehungen aufzeigt. Dabei gibt es sicher Zuschauer, die sich über einige der Gags ärgern werden, z.B. über die benutzen Schimpfwörter oder die sich wiederholenden Szenen, in denen Marie (Marie Colin) von einem Ball oder von anderen Gegenständen getroffen wird.

Trotzdem ist das Szenario mit meist lustigen Dialogen und komischen Situationen gut konstruiert, denn die Story befasst sich mit universellen Themen wie Liebe, Freundschaft und der Suche nach sich selbst, alles Themen bei der die Behinderung keine große Rolle spielt. Glücklicherweise vermeidet der Regisseur in vielen Fällen die mit Behinderten verbundenen Klischees.

Dabei tragen die behinderten Nebendarsteller viel zur Dynamik des Films bei, denn sie unterstützen und bereichern die Haupthandlung. Auf jeden Fall wirken die Interaktionen zwischen den einzelnen Charakteren glaubwürdig und verleihen der Geschichte dadurch eine zusätzliche Tiefe.

Was ist normal4Es gibt außer den Ferien von Alices Gruppe auch immer wieder Einsprengsel über die Erlebnisse, die Sylvain mit seiner nicht-behinderten Reisegruppe in Spanien macht, und die ihm sicher den Sommer seines Lebens bereitet haben. Leider beschränken sich diese Szenen auf wilde und alkoholreiche Partys, auch wird diese Story im Film nicht zu Ende erzählt.

Insgesamt ist ″Was ist schon normal?″ ein nette Komödie mit einer gelungenen Balance zwischen komischen und emotionsgeladenen Momenten. Der Regisseur vermeidet dabei Szenen und Dialoge, die Mitleid hervorrufen könnten, alle Charaktere wirken dabei ausgesprochen sympathisch. Wer als Kinogänger französische Komödien liebt, wird sich bei dem hier angesprochenen sensiblen gefilmten Thema sicher sehr gut unterhalten fühlen.

Foto 1: Paulo (Artus), der sich im Ferienlager als Sylvain ausgibt, ermutigt Arnaud (Arnaud Toupense) Marie sein Geburtstagsgeschenk zu geben © SquareOne Entertainment
Foto 2: Paulo (Artus) und sein Vater (Clovis Cornillac) flüchten nach dem Einbruch beim Juwelier vor der Polizei © SquareOne Entertainment
Foto 3: Alice (Alice Belaïdi) und Sofian (Sofian Ribes) unterhalten sich © SquareOne Entertainment
Foto 4: Die Ferienlagergruppe (v.l.n.r.): Marie (Marie Colin), Alexandre (Stanislas Carmont), Marc (Marc Riso), Sofian (Sofian Ribes), Ludo (Ludovic Boul), Arnaud (Arnaud Toupense), Paulo (Artus), Alice (Alice Belaïdi), La Fraise / Orpi (Clovis Cornillac), Baptiste (Theophile Leroy), Mayane (Mayane Sarah El Baze), Boris (Boris Pitoëff), Céline (Céline Groussard), Thibault (Thibault Conan) und Gad (Gad Abecassis) © SquareOne Entertainment

Info:
Was ist schon normal? (Frankreich 2024)
Originaltitel: Un p’tit truc en plus
Genre: Komödie
Filmlänge: ca. 99 Min.
Regie: Artus
Drehbuch: Artus, Milan Mauger
Darsteller: Artus, Clovis Cornillac, Alice Belaïdi, Marc Riso und Céline Groussard sowie Gad Abecassis, Ludovic Boul, Stanislas Carmont, Marie Colin, Thibault Conan, Mayane Sarah El Baze, Theophile Leroy, Boris Pitoëff, Sofian Ribes, Arnaud Toupense und Benjamin Vandewalle
Verleih: SquareOne Entertainment
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 05.09.2024