Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. September 2024, Teil 4
Coralie Fargeat / Übersetzung Hanswerner Kruse
Berlin / Los Angeles (Weltexpresso) - "Frauenkörper. 'The Substance' ist ein Film über Frauenkörper.
Darüber, wie Frauenkörper in der Öffentlichkeit unter die Lupe genommen und kritisiert werden. Darüber, wie sehr uns Frauen eingeredet wird, wir hätten keine andere Wahl, als perfekt / sexy / lächelnd / dünn / jung / schön zu sein, um in der Gesellschaft geschätzt zu werden. Und wie unmöglich es für Frauen ist, dem zu entgehen, egal wie gebildet, willensstark und unabhängig wir sein mögen... Denn seit mehr als 2000 Jahren werden Frauenkörper von den Wünschen derer geformt und kontrolliert, die sie betrachten... Alles um uns herum, in Werbespots, Filmen, Zeitschriften und Ausstellungen, zeigt Fantasieversionen von uns selbst. Immer schön. Und dünn. Und jung. Und sexy. Die Version der ‚idealen Frau‘, die uns Liebe bringen soll. Erfolg. Glück.
Und wenn wir aus diesen Schubladen ausbrechen, sei es mit dem Alter, dem Gewicht, den Kurven... dann sagt uns die Gesellschaft: Du bist fertig. Wir wollen euch nicht mehr sehen. Wir wollen euch nicht auf euren Bildschirmen. Wir wollen euch nicht auf den Titelseiten unserer Zeitschriften. Wir werden euch einfach aus dem öffentlichen Raum löschen. Ihr seid die Zeit und Aufmerksamkeit der Gesellschaft nicht wert. Mit den sozialen Medien wird es für die junge Generation sogar noch schlimmer...
Und ich bin fest davon überzeugt, dass dies unser Gefängnis ist. Um uns herum hat sich eine Gefängnisgesellschaft aufgebaut, die zu einem massiven Instrument der Kontrolle und Beherrschung geworden ist. Ein Gefängnis, das wir für uns selbst wollen. Und dieser Film sagt: Es ist an der Zeit, das alles in die Luft zu jagen. Denn wie kommt es, dass dieser Scheiß im Jahr 2024 immer noch weitergeht?
Ich kenne keine einzige Frau, die kein problematisches Verhältnis zu ihrem Körper hat, die nicht irgendwann in ihrem Leben eine Essstörung hatte, die ihren Körper und sich selbst nicht heftig gehasst hat, weil sie nicht so aussah, wie die Gesellschaft es ihr vorgab.
Als ich kurz vor meinem 40. Geburtstag stand, begann ich, mich sehr deprimiert zu fühlen, weil ich dachte, ok, das ist das Ende meines Lebens. Ich werde niemandem mehr gefallen können, ich werde nicht mehr geschätzt, geliebt, beachtet oder interessant sein können ... Mit gerade einmal 40 wurde mir eingeredet, mein Leben sei vorbei ... Ich habe Politikwissenschaften studiert, ich bin Feministin ... Und trotzdem.
Dieser Scheiß hat immer noch einen Weg gefunden, in mein Gehirn einzudringen. Ich war absolut davon überzeugt, dass ich ab einem gewissen Alter nichts mehr wert sein würde. Genauso wie ich, als ich jünger war, absolut davon überzeugt war, dass ich nichts mehr wert bin, wenn ich nicht dünn bin und einen perfekten Körper habe. Verrückt, oder?
Es geht darum, mit der Zerstörung von Frauenkörpern zu spielen, um sich von den Zwängen zu befreien, die Frauen so lange eingeengt haben. Uns wurde so lange gesagt, wir sollten uns kontrollieren und zurückhalten. Lasst uns das genaue Gegenteil tun. Körper werden hier tyrannisiert, verspottet, zerstört, genauso wie ich wirklich glaube, dass die Gesellschaft Frauen mit all den Regeln zerstört, die wir stillschweigend befolgen sollen. Dieser Film wird verdammt blutig.
Und er wird gleichzeitig verdammt lustig sein. Denn ich kenne keine stärkere Waffe als Satire, um der Welt die Absurdität ihrer eigenen Regeln zu zeigen. Und am
wichtigsten: Ich glaube, er wird verdammt aktuell sein. Darum geht es in diesem Film letztlich. Um Befreiung. Um Ermächtigung!“
Fotos:
oben Demi Moore als Liz Sparkle
unten Regisseurin Coralie Fargeat
© MUBI
Quelle:
Filmheft