Fotografin1cSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos am 19. September 2024, Teil 3

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – 1977: Die amerikanische Fotografin Lee Miller (Kate Winslet) erzählt als ältere Frau einem jungen Journalisten (Josh O'Connor) Teile ihrer Lebensgeschichte als Kriegsfotografin.


1938 lebt das amerikanische Model Lee Miller zusammen mit einigen Künstlerfreunden wie der Journalistin Solange D’Ayen (Marion Cotillard), deren Mann Jean (Patrick Mille), der Surrealistin Nusch Eluard (Noemie Merlant) und ihrem dichtenden Mann Paul (Vincent Colombe) oder dem Avantgarde-Fotografen Man Ray (Sean Duggan), der auch ihr ehemaliger Liebhaber ist, das süße Leben der Bohème an der südfranzösischen Küste. Die nahende Kriegsgefahr wird von Allen nicht Ernst genommen.

Dort besucht eines Tages die Gruppe der englische Künstler und Kunsthändler Roland Penrose (Alexander Skarsgård). Lee und Roland verlieben sich auf der Stelle ineinander. Doch Lee ist es auch Leid immer nur als Objekt vor der Kamera (oder dem Pinsel) ihrer Künstler-Freunde zu stehen, sie beginnt ihre fotografischen Versuche Ernst zu nehmen und möchte ihre eigenen Fotografien auch veröffentlicht sehen.

Da es in Frankreich zu gefährlich wird, folgt Lee Roland Penrose nach London. Dort erhält sie von der Chef-Redakteurin Audrey Withers (Andrea Riseborough) schließlich einen Job als Modefotografin für die britische Vogue. Doch diese Arbeit beginnt sie bald zu langweilen, vor allen da Penrose bald für den Heimatschutz an die englische Küste versetzt wird.

Lee möchte als Kriegsfotografin nach Frankreich gehen, und drängt ihre Chefredakteurin, ihr dazu die Möglichkeit zu verschaffen. Doch als sie aufgrund ihres Geschlechts von den Briten abgewiesen wird, versucht sie als amerikanische Staatsbürgerin eine Kriegsakkreditierung aus den USA zu bekommen und macht sich allein auf den Weg aufs Festland.

Auch wenn sie nach einem ersten Einsatz im belagerten Saint Malo erst einmal zu den Pressebesprechungen nicht zugelassen wird, lässt sie sich nicht entmutigen und fotografiert z.B. in der medizinischen Abteilung Verletzte und Krankenschwestern. Dabei lernt sie den jungen jüdischen Kollegen David E. Scherman (Andy Samberg) kennen, der für die amerikanische Life fotografiert.

Die beiden werden ein eingeschworenes Team, dadurch sind sie häufig die Ersten, die exklusive Meldungen und Fotos von der Front veröffentlichen können. So dokumentieren sie die Befreiung von Paris, dabei versucht Lee auch ihre französischen Freunde wieder zu finden, was ihr nicht bei allen gelingen wird.

Fotografin2cAnfang 1945 reist Lee dann zusammen mit Scherman nach München. Sie schleichen sich in Hitlers verlassene Münchner Wohnung – dort wird Scherman auch das bekannteste und wichtigste Bild von Lee Miller selbst schießen, wie sie nackt in Hitlers Badewanne sitzt.

Anschließend werden Scherman und Miller zu den ersten Fotografen gehören, die nach der Befreiung die Lager Buchenwald und Dachau betreten werden. Dort dokumentieren Miller und Scherman in erschreckenden und eindringlichen Bildern die Not der Überlebenden und auch die vielen Toten. Miller versucht vor allem auch schwierige Situation der überlebenden Frauen und Kinder darzustellen.

Das Interview mit dem jungen Journalisten zeigt aber auch, dass die Erlebnisse während des Krieges Lee Miller bis zu ihrem Lebensende nicht loslassen werden…


Lee Miller (später Elizabeth, Lady Penrose, 1907 - 1977) war ein amerikanischen Fotomodell, später eine Fotografin, die als Fotojournalistin und Kriegsfotografin bekannt wurde. Sie hat Bilder vom London Blitz, von der Invasion der Alliierten in Frankreich, von der Befreiung von Paris und besonders aus den Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau geschossen. Deshalb gehören ihre Bilder zu den wichtigen Fotoarbeiten der Mitte des 20.Jahrhunderts.

Da sie nach dem Krieg recht schnell mit dem Fotografieren aufhörte, in zweiter Ehe ihren langjährigen Freund den surrealistischen Künstler Roland Penrose (1900 – 1984) heiratete und 1947 ihren Sohn Anthony bekam, wurden ihre Fotografien bald vollständig vergessen. Allerdings litt sie auch – vermutlich infolge der nicht verarbeiteten Kriegs-Erlebnisse – an einer Kriegsneurose, bekam Depressionen und begann übermäßig zu trinken. Sie starb aber letztendlich an einer Krebserkrankung.

Erst als ihr Sohn Anthony Penrose nach Lees Tod ihre Unterlagen auf dem Dachboden sichtete und seit den frühen 1980er Jahren ihren Nachlass zusammen mit dem seines Vaters verwaltet, wurden ihre Fotografien wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dabei versuchte Anthony aus den gefundenen Briefen, Dokumenten, Negativen und Fotografien ihres Nachlasses zusammen mit anderen Zeitzeugen, eine schlüssige Biografie seiner Mutter zu skizzieren.

Der Film beschränkt sich vor allem auf die Zeit von 1938 bis 1945, obwohl Lee Miller auch davor schon ein interessantes Leben als Model, Muse, Reisende, Fotografin und Bekannte vieler Künstler wie Salvatore Dali, Pablo Picasso oder Ray Man geführt hat und auch von einigen von ihnen fotografiert oder gemalt worden ist.

Das hängt sicher auch damit zusammen, dass die Hauptdarstellerin Kate Winslet das Projekt zusammen mit Anthony Penrose entwickelt hat und sich beide dabei auf Millers prägendsten Lebensabschnitt beschränkt haben, ihre Zeit als Kriegsberichterstatterin an der Front während des Zweiten Weltkrieges.

Fotografin3cRegisseurin ist Ellen Kuras, die als Kamerafrau bereits bei dem Film ″Eternal Sunshine of the Spotless Mind″ (2004) mit Kate Winslet zusammen gearbeitet hat. Das Drehbuch stammt von Liz Hannah, Marion Hume und John Collee. Der Film basiert auf der von Anthony Penrose verfassten Biografie Immer lieber woandershin - Die Leben der Lee Miller, das 2023 auch in Deutsch im Suhrkamp-Verlag erschienen ist.

Es mag sein, dass sich das Biopic doch recht nah an eine Dokumentation hin bewegt, denn Regisseurin Ellen Kuras und der Kameramann Pawel Edelman haben teilweise detailgenau Lee Millers Bilder nachgestellt (und nicht nur in Hitlers Badewanne). Aber das macht sie nicht weniger erschreckend.

Daneben ist es ziemlich deutlich, dass Kate Winslet als Lee Miller im Mittelpunkt des Filmes steht und auch – bedingt durch die Rahmenhandlung – alles aus ihrem Blickwinkel gesehen wird. Winslet kann deshalb auch alle Facetten ihrer großen Schauspielkunst benützen und sie in den Dienst der realen Lee Miller stellen. Sie zeigt Lee als für andere kämpfende Frau mit großem Charisma und mit ihrer Angriffslust, hinter denen sie aber auch ihre seelische Wunden und ihre innere Unruhe verbirgt. Dabei ist Winselt als Schauspielerin – wie in vielen ihrer früheren Filmen – vollkommen uneitel.

Ihr Mitverschwörer ist dabei der amerikanische Life-Korrespondent David E. Scherman (1916 - 1997), der hervorragend von dem eigentlich als Comedian bekannten Andy Samberg gespielt wird. Während ihrer Zusammenarbeit werden Miller und Scherman zum eingeschworenen Team. Dabei wird eine romantische Beziehung nur angedeutet und besteht im Film eigentlich hauptsächlich von Schermans Seite (was aber natürlich auch mit der Sicht von Millers Sohn zu tun haben kann).

Eine weiterer wichtiger Charakter ist die Vogue-Chefredakteurin Audrey Withers, die wunderbar von Andrea Riseborough gespielt wird, die in der Szene, wenn Lee von der Nicht-Veröffentlichung ihrer Bilder erfährt, sowohl der Gegenpart als auch die Unterstützerin ist. Denn letztendlich sorgt sie dafür, dass die Bilder in der amerikanischen Vogue doch noch veröffentlicht werden.

Neben Andrea Riseborough als Audrey Withers und Andy Samberg David E. Scherman spielen die anderen Darsteller keine besondere Rolle. Das gilt eigentlich auch für Alexander Skarsgård, denn die Beziehung zu Roland Penrose spielt im Film keine besondere Rolle. Zusätzlich werden einige ihrer bekannten Freunde in dem Drama in kleinen Rollen vorgestellt, wie die von Marion Cotillard gespielte Solange D'Ayen (1898 - 1976), die daran zerbricht, dass ihr Mann und ihr Sohn während des Krieges gestorben sind, oder Paul (Vincent Colombe) und Nush Éluard [1906 – 1946] (Noémie Merlant). Auch Paul Éluards (1895 – 1952) – der ja bekanntlich auch der erste Mann von Gaia Dali war und während des Krieges der Résistance. angehörte - berühmtes Gedicht Liberté, dessen Text in tausenden Exemplare von englischen Flugzeugen über dem besetzten Frankreich abgeworfen wurde, wird im Film angesprochen als Lee eines der Flugblätter findet und daraus zitiert.

Fotografin4bDie deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat ″Die Fotografin″ mit Besonders Wertvoll bewertet, da im Zentrum des Films eine Frau steht, die sich gegen Konventionen stellte, ihren eigenen Weg ging und die Menschen mit ihrem Mut, ihrem Charisma und ihrem entwaffnend-ehrlichen Charme in den Bann zog. Durch die in den Film eingebauten Aufnahmen Millers wird nicht nur das große Talent einer genialen Fotokünstlerin sichtbar, sondern auch die Kraft, die Bilder allgemein ausüben können. Denn ein Foto ist ein Blick durch die Linse als Fenster in eine Welt und auf eine bestimmte Wahrheit. Gerade die Bilder aus Buchenwald und Dachau zeigen diese grausame Wahrheit und verleihen dem Film seine Wirkung, die noch lange nach Filmende spürbar ist.

Insgesamt ist der Regisseurin Ellen Kuras und der Hauptdarstellerin Kate Winselt mit ″Die Fotografin″ ein beeindruckendes, schillerndes und aufrüttelndes Porträt der Kriegsfotografin Lee Miller gelungen. Es lohnt deshalb auf jeden Fall, sich den Film im Kino anzusehen.

Zusatz: Unbedingt während des Abspanns sitzen bleiben, denn es werden die gestellten Bilder nochmal mit den Originalaufnahmen vergleichen.

Foto 1: Lee Miller (Kate Winslet) © Sky UK Ltd / Kimberley French
Foto 2: Der Journalist (Josh O'Connor) © Sky UK Ltd / Kimberley French
Foto 3: David E. Scherman (Andy Samberg) und Lee Miller (Kate Winslet) © Sky UK Ltd / Kimberley French
Foto 4: Unbeschwerte Zeit in Südfrankreich 1938 - v.l.n.r.: Pablo Picasso (Enrique Arce), Jean D'Ayen (Patrick Mille), Paul Éluard (Vincent Colombe), Nush Éluard (Noémie Merlant), Solange D'Ayen (Marion Cotillard), Lee Miller (Kate Winslet), stehend: Roland Penrose (Alexander Skarsgård), Man Ray (Sean Duggan), Ady Fidelin (Zita Hanrot) © Sky UK Ltd / Kimberley French

Info:
Die Fotografin (Großbritannien 2023)
Originaltitel: Lee
Genre: Drama, Biopic
Filmlänge: ca. 116 Min.
Regie: Ellen Kuras
Drehbuch: Liz Hannah, Marion Hume, John Collee
Darsteller: Kate Winslet, Alexander Skarsgård, Andy Samberg, Josh O´Connor, Marion Cotillard, Andrea Riseborough, Noemie Merlant, Vincent Colombe, Sean Duggan, Zita Hanrot, Enrique Arce, Patrick Mille, James Murray u.a.
Verleih: Studiocanal
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 19.09.2024