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La Rioja (Weltexpresso) - Bacchus Der römische Gott des Weines, des Rausches und der Ekstase Bacchus (griech. Dionysos) steht für viele Weinliebhaber seit jeher für leiblichen Genuss und die schö- nen Dinge des Lebens. Zumeist mit einem Weinglas, leicht bekleidet und in aufreizenden Posen dargestellt, ist B. au- ßerdem die Vorlage für das heute typische Bild römischer Dekadenz und das auch durchaus zu Recht. So waren es die ausschweifenden, subversiven Orgien der Bacchus-Kulte im 2. Jahrhundert v. Chr. , die das öffentliche Leben zum Erlie- gen und das Reich an den Rand einer Staatskrise brachten.
Ebro
Mit 910 Kilometern ist der Ebro Spaniens zweit- längster Fluss. Von seiner Quelle im Kantabrischen Gebir- ge fließt er gen Osten ins Mittelmeer und ist dabei Lebens- ader für den Nordosten Spaniens. Für die Region → La Ri- oja bilden der E. und dessen Zuflüsse seit Jahrhunderten die Grundlage des Weinanbaus sowie der menschlichen Be- siedlung im Allgemeinen. Mehrere große Staudämme ma- chen den E. zudem zum wichtigen Energielieferanten. In den letzten Jahren hat der Fluss aber, wie viele andere südeu- ropäische Ströme auch, aufgrund der Klimaerwärmung mit Wasserknappheit zu kämpfen.
Fermentation
Als Fermentation bezeichnet die Wein- wissenschaft (→ Önologie), die Gärung des Traubensaftes im → Weinfass zum fertigen Wein. Dies geschieht durch Hefepilze sowie Bakterien, die den Zucker der Trauben in Alkohol umwandeln und dabei zudem den Säuregehalt auf natürliche Weise absenken, was den fertigen Wein genieß- bar macht. Die Gärprozesse laufen je nach Lagerung, ver- wendeter Rebsorte und Dauer der F. anders ab und geben dem Wein seinen eigenen, unverwechselbaren Charakter.
Garnacha
Die Rotweinsorte Garnacha gehört in der → Rioja zu den am häufigsten angebauten Rebsorten. Sie eignet sich aufgrund ihrer Milde und der Farblosigkeit ihres Safts besonders zum → Verschnitt mit der vorherrschen- den → Tempranillo-Traube, deren starke Würzigkeit sie abschwächt ohne die Textur und Farbe des Weins stark zu beeinflussen. Außerdem wachsen Garnacha-Reben selbst auf den unwirtlichsten → Kalkböden und sind von Natur aus widerstandsfähig gegen Schädlings- und Krankheitsbefall.
Kalkboden
Nährstoffarm, trocken und wasserdurch- lässig: Die lehmhaltigen Kalkböden in → La Rioja bieten für die klassische Landwirtschaft denkbar ungünstige Voraus- setzungen, sind für die Weinherstellung aber wie geschaf- fen. Dank ihrer starken, verästelten Wurzeln können sich die Reben auch im Kalkboden fest verankern. Der geringe Nährstoffgehalt des Bodens sorgt für kleinere Trauben mit einer hohen Konzentration an Aromastoffen. Perfekt für Qualitätsweine, deren oberstes Ziel die geschmackliche Perfektion und nicht maximaler Ertrag ist.
La Rioja
Die autonome Provinz La Rioja im Norden Spaniens ist eine der bekanntesten Weinanbauregionen der Welt. Über 19.000 → Winzer bewirtschaften hier auf 63.000 Hektar Weinberge und Kellereien, zumeist in kleinen Fami- lienbetrieben oder im genossenschaftlichen Kollektiv. Kühle nordatlantische und warme mediterrane Winde unterteilen die Region in drei Subzonen: Die sonnige Rioja Oriental im Süden, die hügelige, kühlere Rioja Alavesa im Norden und die eher flache Rioja Alta im Westen. Der Fluss → Ebro durchzieht die R. von West nach Ost und versorgt die nieder- schlagsarme Region mit Trinkwasser.
Mazuelo
Neben dem → Garnacha gehört die Rotweinsorte Mazuelo (franz. Carignan) in der → Rioja zu den am häufigsten zum → Verschnitt genutzten Reben. Zumeist wird er mit → Tempranillo-Weinen verschnitten. Als spätreifende Sorte mit großen Trauben und einem tiefdunklen Saft verleiht er jedem Wein, dem er beigemischt wird, eine einzigartige Textur und Farbe. Aufgrund der langen Reifezeit, sowie der hohen Anfälligkeit für Schädlinge, wie die → Reblaus, sind sortenreine Mazuelo-Weine sehr selten und entsprechend hochpreisig.
Önologie
Die Lehre der Weinherstellung, Önologie (abgeleitet von oinos, altgriechisch für „Wein“), wird in vielen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, an Universitäten unterrichtet und erfreut sich in den vergangenen Jahren einer wachsenden Beliebtheit. Die Ursprünge der Wissenschaft gehen auf die sogenannten „Weinärzte“ zu-ück, die bereits im 18. Jahrhundert von → Winzern zu Rate gezogen wurden, um Schädlinge zu bekämpfen oder er- krankte Pflanzen zu heilen. Mit der → Reblaus-Krise Ende der 1860er wurden Önologen zu den Rettern der Weinindus- trie. Heutzutage hat sich die Ö. zur High-Tech-Wissenschaft gewandelt, deren mikrobiologische und chemische Labo- ranalysen zum integralen Bestandteil der Weinherstellung gehören.
Parzelle
Zur besseren Gliederung unterteilt man Weinberge in Parzellen, meist unterschieden nach Ausrichtung des Hangs, angebauter Rebsorte oder Beschaffenheit des Bodens. Jede Flasche eines Qualitätsweins aus der → Rio- ja lässt sich anhand ihres Etiketts auf die exakte P. zurück- verfolgen. Wahre → Sommeliers können die Eigenschaften eines Weins bereits an dieser Angabe erkennen und nicht selten bemisst sich der Preis der teuersten Flaschen am Renommée der zugrundeliegenden P. Kein Wunder also, dass sich viele → Winzer mit höchster Sorgfalt um die Pflege und Optimierung ihrer beliebtesten P. kümmern und bei → Weinverkostungen nur die besten Weine kredenzen.
Reblaus
Die Reblaus (Daktulosphaira vitifoliae) gilt als der mit Abstand gefährlichste Schädling für Weinreben. Da sie ihre Eier direkt in die Wurzel der Rebe legt, führt ein Befall zum kompletten Verlust der Pflanze, was nicht sel- ten ganze Weinberge zerstört. Nachdem die Reblaus in den 1860ern aus Nordamerika eingeschleppt wurde, vernichtete sie innerhalb von 20 Jahren über drei Viertel aller europäi- schen Rebstöcke und zwang so beinahe die gesamte Wein- industrie in die Knie. Nachdem jede chemische und manu- elle Bekämpfung der Läuseplage fehlschlug, fand sich die Lösung der Krise in der Natur selbst: Findige → Önologen → veredelten Rebsorten mit resistenten Wurzeln aus der ursprünglichen Heimat der Laus, wodurch heute 85% des europäischen Weins auf Wurzeln aus Nordamerika wächst.
Römisches Reich
Mit ihrer Eroberung Spaniens im 2. Punischen Krieg (201 v. Chr.) brachten die Römer den Wei- nanbau auf die iberische Halbinsel und in die Region → La Rioja. Schnell genossen Rotweine aus Hispania, wie die Pro- vinz Spanien damals noch hieß, ein hohes Ansehen aufgrund ihres intensiven Geschmacks. Die Stellen als Statthalter in den spanischen Teilen des Imperiums waren in der Nobili- tät Roms stark begehrt, versprach der Weinanbau doch ein lukratives Einkommen und das milde Klima ein wesentlich angenehmeres Leben als in anderen Teilen des Reiches – wo man sich am Ende gar mit einfallenden Barbaren herum- schlagen musste. Kein Wunder also, dass Roms erster Kai- ser Augustus Hispania unter seine direkte Kontrolle stellte und Ausbau sowie Sicherheit der Provinz zur Chefsache er- klärte.
Sommelier
Sommeliers sind als hochqualifizierte Ex- perten in Sachen Wein meist in Hotels und im Handel an- gestellt, um Kunden und Gästen bei der Auswahl des pas- senden Weins zu unterstützen. Ihre Aufgaben gehen dabei weit über eine reine Geschmacks- und Kaufberatung hin- aus. So wird von guten S. auch umfassendes Wissen über die Geschichte, Kultur und Besonderheiten der jeweiligen Weingüter verlangt. Nicht selten haben S. eine akademische kulturhistorische Ausbildung genossen oder → Önologie studiert. Für viele Liebhaber guten Weins sind die blumigen Beschreibungen und spannenden Hintergrundinformatio- nen der S. integraler Teil des Weingenusses.
Tempranillo
ist die bedeutendste und mit 113.000 Hektar am meisten angebaute Rotweinsorte Spa- niens. Wörtlich übersetzt heißt T. „kleine Frühe“, weil sie schneller reift als andere Weine und sich durch vergleichs- weise kleine Trauben auszeichnet. Sie ist der Hauptbestandteil der Rioja-Weine, die zumeist aus 60-90% T. sowie kleineren Anteilen → Garnacha und → Mazuelo beste- hen. Geschmacklich begeistert der T. durch kräftige, duf- tig-fruchtbetonte Aromen und eine geringe Säure, die ihn bereits als Jungwein genießbar macht.
Tourismus
Neben dem Weinanbau ist der Tourismus die größte Einnahmequelle für die Bewohner der → Rioja. Jedes Jahr besuchen Zehntausende die Region im Norden Spaniens, zumeist auf der Suche nach Ruhe, Erholung und kulinarischem Genuss. Wer nach Abenteuer- oder Pau- schalurlaub sucht, ist hier allerdings Fehl am Platz. Denn trotz der großen Anzahl an Touristen, hat sich die Rioja ihren ursprünglichen, entschleunigten Charakter bewahrt, was viele Gäste sehr zu schätzen wissen. Manch ein Besucher verbringt seinen Sommerurlaub seit Jahrzehnten am selben Ort – oder erwirbt sich direkt ein Haus in einem der maleri- schen Städtchen am Ufer des → Ebro und verbringt seinen Lebensabend zwischen pittoresken Weinbergen, gutem Es- sen und herzlichen Menschen.
Veredelung
Unter Veredelung verstehen → Winzer die Transplantation eines hochwertigen Rebensprösslings auf eine älteren, weniger qualitativen, aber robusteren Wein- stock. Die V. dient vor allem dazu, die Reben widerstands- fähiger gegen Schädlinge, wie die → Reblaus zu machen. Gleichzeitig ermöglicht die V. eine schnellere Vermehrung hochwertiger Weine, da junge Pflanzen auf bereits er- wachsene leistungsstarke Wurzeln gesetzt werden und so schneller Erträge erzielt werden können. Eine biologische Abkürzung, wenn man so will.
Verschnitt
Unter einem Verschnitt versteht man in der → Önologie die Mischung verschiedener Weinsorten zur Perfektionierung des Geschmacks, entweder vor der → Fermentation im → Weinfass oder beim Abfüllen in die Flasche. Die genauen Mischverhältnisse sind dabei eines der am besten gehüteten Geheimnisse der → Winzer. Wäh- rend V. bei deutschen Weinen eher untypisch sind und dem Wort selbst eine gewisse negative Konnotation anhaftet, ist man im europäischen Ausland weniger voreingenommen. So sind einige der besten, beliebtesten und teuersten Weine Verschnitte: Bordeaux, Rioja und Chianti bestehen allesamt aus gemischten Rebsorten, ebenso wie der luxuriöseste al- ler Schaumweine, der Champagner.
Weinfass
Traditionell bestehen Weinfässer aus hoch- wertigem Holz, das über offener Flamme flexibel gemacht und mit Metallriemen in Form gepresst wird. Die Lagerung und → Fermentation im W., verleiht jedem Wein einen spe- zifischen geschmacklichen Charakter, der je nach verwen- deter Holzart stark schwankt. Manche → Winzer schwören deshalb auf eine Lagerung in Edelstahl oder Tonfässern, die keinen Einfluss auf den Geschmack haben und somit „un- verfälschten“ Genuss ermöglichen. Der Einsatz von Plastik- fässern hingegen, ist bei den meisten Weinliebhabern und → Sommeliers verpönt, steht er doch für die industrielle Massenherstellung von Wein, die vielen Traditionalisten ein Dorn im Auge ist.
Weinverkostung
Um ihre Weine einem internationalen Publikum aus → Sommeliers und Weinexperten zu prä- sentieren, veranstalten viele → Winzer jährliche Weinver- kostungen, bei denen sie ihre neuesten Erzeugnisse sowie ältere Jahrgänge vorstellen. Ein gutes Abschneiden bei diesen beinahe rituellen Veranstaltungen kann über Wohl und Wehe eines Weinguts entscheiden. Trifft man den Ge- schmack der Connoisseure, winken lukrative Geschäfte auf der ganzen Welt. Auch für Touristen gehören derartige W. zum typischen Programm eines Urlaubs in einer Weinregi- on wie der → Rioja. Dann meist mit weniger Leistungsdruck seitens der Winzer, dafür aber mit mehr gutem Essen und geselligen Gastgebern.
Winzer
Seit der Kultivierung des Weins durch das → Römische Reich vor über 2.000 Jahren ist der Beruf des Winzers in ganz Europa verbreitet. Vom Anbau der Trauben im Weinberg, über die Ernte, Verarbeitung, Lagerung in → Weinfässern und die Abfüllung in Flaschen hat der W. den Weinherstellungsprozess von Anfang bis Ende in der Hand. Eine Seltenheit in der heutigen, auf Spezialisierung und Ar- beitsteilung ausgerichteten Landwirtschaft. Als Folge die- ser ursprünglichen Arbeits- und Lebensweise, fühlen sich viele W. ihrem Produkt sehr verbunden und prägen ihn mit ihrem ganz eigenen Charakter, den viele → Sommeliers und Weinliebhaber zu schätzen wissen.
Foto:
©Verleih
Info:
Das Land der tausend Weine (Spanien 2024)
Originaltitel: Rioja, la tierra de los mil vinos
Genre: Dokumentarfilm
Filmlänge: ca. 97 Min.
Regie: José Luis López-Linares
Drehbuch: José Luis López-Linares
Verleih: Neue Visionen Filmverleih GmbH
Abdruck aus dem Presseheft