Smünteralleinerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Oktober 2024, Teil 2

Redaktion

München (Weltexpresso) - Gabriele Münter zählt heute zu den bedeutendsten Vertreterinnen der Klassischen Moderne. Sie war nicht nur eine der Mitbegründer/innen der Neuen Künstlervereinigung München, sondern nahm auch großen Einfluss bei der Gründung der zu Weltruhm gelangten Künstlergemeinschaft Der Blaue Reiter.

Die aus einem lockeren Beziehungsnetz bestehende Gruppe kritisierte den herrschenden Kunstkanon als zu akademisch und elitär und forderte mehr Offenheit und Vielfalt. In ihrer Formensprache ver- abschiedeten sich die Künstler:innen vom Realismus und malten nun expressiv und zunehmend abstrakt.

Obwohl Münter von Anfang an ihren künstlerischen Input einbringt, wird ihr lange die große Anerkennung in der Kunstwelt ver- sagt, die ihr Lebensgefährte Wassily Kandinsky und Franz Marc für sich in Anspruch nehmen konnten, die ihr aber heute von Galeristen, Kuratoren, Museen und Kunstsammlern auf der ganzen Welt zuteil wird. Aus dem langen Schatten Kandinskys ist Gabriele Münter endlich hervorgetreten.

Gabriele Münter wird am 19. Februar 1877 als jüngstes Kind des Zahnarztes Carl Münter und seiner Frau Wilhelmine in Berlin geboren. Münter, der sich in Berlin „Amerikanischer Dentist und Hofzahnarzt“ nannte, war als 23-Jähriger mit einem Freund in die USA ausgewandert, wo er am Dental College in Cincinnati Zahnmedizin studierte. Nach verschiedenen Ortswechseln ließ sich Münter, der inzwischen die Tochter eines deutschen Einwanderers aus Herford geheiratet hatte, mit seiner Frau in Savannah nieder, wo das Paar einen Drugstore mit angeschlossener Zahnarztpraxis führte. Wegen der zunehmenden Unruhen in den 1860er-Jahren und dem beginnenden Sezessionskrieg in Amerika, kehren die Münters 1864 nach Deutschland zurück und lassen sich in Berlin nieder. Während der kommenden Jahre bekommen Carl und Wilhelmine vier Kinder: August (1865), Carl Theodor (1866), Emmy (1869) und Gabriele (1877). 1879 siedelt die Familie von Berlin nach Herford um, kurze Zeit später nach Koblenz. Als Gabriele neun Jahre alt ist, stirbt ihr Vater. Zwei Jahre später, 1888, stirbt auch ihr ältester Bruder August, der wie sein Vater Zahnmedizin studiert hatte. Gemeinsam mit zwei Geschwistern wächst Gabriele Münter nun ohne viel Erziehung bei der zurückgezogen lebenden Mutter auf.

Im Frühjahr 1897 beginnt sie im Alter von 20 Jahren ihr Studium mit dem Schwerpunkt Zeichnen an der Düsseldorfer Damenkunstschule von Willi Spatz. Im November des gleichen Jahres verstirbt ihre Mutter, ein tragisches Ereignis, das Gabriele aus der Bahn wirft. Denn das eher abgeschiedene Leben bei der Mutter, die nie richtig Deutsch gelernt hatte, führte dazu, dass die junge Frau jenseits der Familie wenig Kontakt zu anderen hatte, was später dazu beiträgt, dass sie sehr unbeholfen im Umgang mit anderen Menschen ist.

Nach dem Tod der Mutter tut sie es ihrem Vater gleich und geht in die USA. Durch das bescheidene Erbe des Vaters verfügt sie über die nötigen finanziellen Mittel, um gemeinsam mit ihrer Schwester Emmy für zwei Jahre Verwandte und Freunde ihrer Eltern in den Staaten aufzusuchen. Dort entstehen erste Schwarzweißfotografien, die das karge Leben in den ländlichen Gegenden Amerikas porträtieren.

1901, nach ihrer Rückkehr, zieht Gabriele nach München. Da eine professionelle Ausbildung zur Künstlerin an staatlichen Kunstschulen Frauen zu dieser Zeit weitgehend verwehrt ist, entscheidet sie sich für eine private Akademie, die Geld kostet und deren Dozenten nicht den gleichen Ruf genießen wie die an staatlichen Akademien. Münter schreibt sich in der Malschule „Phalanx“ ein, an der u. a. der russische Künstler Wassily Kandinsky unterrichtet.

Schnell spüren die beiden eine innere Verbindung zueinander. Die zierliche und zurückhaltende junge Frau bleibt nicht nur Kandinskys Schülerin, sondern wird bald auch seine Lebensgefährtin, obwohl Wassily zu dieser Zeit ein verheirateter Mann ist.

Im Jahr 1908 ziehen Münter und Kandinsky nach Murnau in Oberbayern, gemeinsam mit den Künstlerkollegen Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin. Zusammen mit Wassily Kandinsky widmet sich die Künstlerin der Hinterglasmalerei und der Volkskunst. In dieser Zeit stellt sich für sie zumindest ein beachtenswerter künstlerischer Erfolg zu Lebzeiten ein. In ihrer Murnauer Epoche fertigt Münter großartige Bilder von der oberbayerischen Landschaft. So entsteht 1908 das Werk mit dem Titel „Blick aufs Murnauer Moos“, im Jahr darauf folgt „Grabkreuze in Kochel“.

Münters frühe Werke, zumeist Landschaftsstudien, orientieren sich am Stil des Impressionismus. In Murnau allerdings erfährt ihre Kunst eine ganz neue Stilrichtung. Unter dem Einfluss der Fauvisten, Kandinskys und vor allem durch die Werke von Jawlensky wandelt sich ihre Ausdruckssprache von der impressionistischen Malerei zum expressionistischen Charakter. Ihre neu entwickelte expressionistische Malerei besticht durch die charakteristische Vereinfachung und die individuelle Farbgebung, die sich in leuchtenden und frischen Farben ausdrückt. Auch ihre Bildkomposition zeigt einen eigenen Charakter, indem sie große Farbflächen nebeneinander aufträgt und diese durch eine breite schwarze Pinsellinie mit einer Kontur versieht.

In diesem Stil entstehen Werke mit Titeln wie „Dorfstraße im Winter“ (1911) oder „Kandinsky am Tisch“ aus dem gleichen Jahr. Die Beziehung mit dem russischen Künstler dauert bis zum Jahr 1914. Kandinsky setzt sich in den Wirren des Ersten Weltkriegs nach Russland ab. Münter siedelt nach Stockholm über, um im neutralen Ausland für ihn erreichbar zu sein. Hier lernt sie Werke der schwedischen Avantgardisten kennen und stellt dort bis zum Jahr 1920 selbst mehrmals aus.

1916 sehen sich Kandinsky und Münter ein letztes Mal. Von Juni 1917 an erhält sie keine Nachrichten mehr von ihm. Als Kandinsky 1921 wieder nach Deutschland zurückkehrt, bringt er seine 30 Jahre jüngere Frau Nina Nikolajewna Andreevskaja. Münter ist zutiefst verletzt, fühlt sich betrogen, wird wird rast- und ruhelos und kommt kaum mehr zum Malen. In der Folgezeit siedelt sie nach Berlin um.

Im Jahr 1931 zieht es sie erneut nach Murnau. Dort entsteht ihr bedeutendes Spätwerk mit Landschaftsbildern und Stillleben im Charakter des Expressionismus. Spätere Bilder als Studien oder Stillleben dokumentierten einen weiteren Stilwechsel. In dieser letzten Schaffensperiode lehnen sich ihre Darstellungen an die Strömung des Abstrakten Expressionismus an wie etwa der Titel „Schwarz entzweit“ aus dem Jahr 1952.

Trotz einiger Erfolge konnte Gabriele Münter von ihrer Kunst kaum leben. Sie und ihr späterer Lebensgefährte, der Kunsthistoriker Johannes Eichner, den sie 1927 kennengelernt hatte, lebten bis zu ihrem Tod in sehr bescheidenen Verhältnissen in Münters kleinem Haus im Vorland der Bayerischen Alpen. Gabriele Münter stirbt verarmt am 19. Mai 1962 in Murnau, Eichner vier Jahre vor ihr.

Gabriele Münter wurde in ihrem langen Leben gefeiert, vergessen und wiederentdeckt.

Eine große Künstlerin, eine starke Frau.