eiSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Oktober 2024, Teil 11

Redaktion

Schweiz (Weltexpresso) - EILEEN GRAY‘S ARBEIT Eileen Gray wurde 1878 als jüngstes von fünf Kindern einer aristokratischen Familie in der Grafschaft Wexford, Irland, geboren. Ihre Mutter war eine Exzentrikerin, die Pferdeschauen liebte und angeblich einen Maler heiratete, um ihre aristokratische Familie zu ärgern. Gray gehörte zu den ersten Frauen, die die Slade Art School in London besuchte, und zog bald darauf nach Paris, dem Epizentrum der Avantgarde-Kunstbewegung der 1920er Jahre.

Als hochsensible Person, der ihr Privatleben über alles ging, zog sie sich jedoch oft aus der Öffentlichkeit zurück und schuf in der Einsamkeit ihrer Wohnung in der Rue Bonaparte visionäre und mutige Werke, die ihrer Zeit weit voraus waren. In allem, was Eileen Gray tat, war sie eine „Nonkonformistin“, die die künstlerische Freiheit den Beschränkungen eines Systems - oder von Beziehungen - vorzog. In Paris war sie Teil eines losen Netzwerks hauptsächlich angelsächsischer Künstler:innen und suchte die Nähe zu Künstler:innen, die sich als Sapphisten bezeichneten. Sie sah keinen Sinn darin, zu heiraten, und wählte nur wenige Liebhaber, mit denen sie ihr Leben teilte. Obwohl sie manchmal mit anderen Künstlern und Künstlerinnen zusammenarbeitete und Arbeiter für die Umsetzung ihrer Ideen beschäftigte, baute Eileen Gray ihre Prototypen immer selbst und formte sie unermüdlich, bis sie zufrieden war. Eileen Gray stand Ausstellungen ihrer Werke immer sehr ambivalent gegenüber und erschien oft nicht zu ihren eigenen Vernissagen. 1922 eröffnete sie in Paris die Galerie Jean Désert mit einer illustren Kundschaft aus Künstlern, Schriftstellern und Mitgliedern der High Society. Sie bezeichnet sich selbst nicht als Designerin oder Innenarchitektin: Auf ihren Visitenkarten stand: „lackierte Paravents, Lack- und Holzmöbel, gefärbte Stoffe, Lampen, Diwane, Spiegel, Teppiche, Wohnungsdekoration und Installationen“. 1923 entwarf sie das Boudoir de Monte-Carlo für den XIV. Salon des artistes décorateurs in Paris. Die Kritiker empfanden die Kombination aus dekorativen und modernen Elementen als störend und befremdlich. Eine Reaktion, die Gray tief verletzte. Eileen Gray lernte Jean Badovici in den frühen 1920er Jahren kennen. Er war Gründer und Chefredakteur der neuen Zeitschrift „L‘Architecture Vivante“ und verfügte über ein umfangreiches Netzwerk der einflussreichsten Architekten jener Zeit, darunter Le Corbusier. Die Art der Beziehung und der Zusammenarbeit zwischen Eileen Gray und Badovici bleibt bis heute rätselhaft. Sie teilten eine tiefe Freundschaft und Zuneigung zueinander und waren sich auch einig, wenn es darum ging, gemeinsam zu schreiben und zu bauen. Eine Form des Diskurses, die sie im 1929 in „L‘Architecture Vivante“ veröffentlichten Essay „Vom Eklektizismus zum Zweifel“ darlegen. Hierin äußert Eileen Gray sehr offen ihre Kritik an der modernen Architektur und formuliert auch ihre eigene Position, dass sie anders bauen würde. Ob ihre Beziehung körperlich war, bleibt ihrer beider Geheimnis, ebenso wie der wahre Grund für Eileen Grays Entscheidung, E.1027 später zu verlassen.

Die Küstenvilla E.1027 in Roquebrune-Cap-Martin ist das Ergebnis dieser engen Zusammenarbeit, jedoch mit der unverwechselbaren Handschrift und dem Geist von Eileen Gray. Ihr Name, E.1027, zeugt von der Komplexität der Rolle, die jeder von ihnen bei der Entwicklung des Projekts gespielt hat: eine Kombination aus den Vor- und Nachnamen der Architekten - E für Eileen, 10 für das J in Jean (der 10. Buchstabe des Alphabets), 2 für Badovici und 7 für Gray. E.1027 ist ein organisches, beseeltes Gebilde, ein Modell der sensiblen Moderne. Eileen Grays erster Kontakt mit Le Corbusier fand Anfang der 1920er Jahre durch Jean Badovici statt. Auch wenn jeder das Talent des anderen in verdeckter Form anerkennt, wird ihre Beziehungen immer distanziert bleiben. Dies gilt umso mehr, als Le Corbusier 1937/38, nachdem Gray E.1027 bereits Badovici überlassen hatte, beschließt, die Innen- und Außenwände von E.1027 mit imposanten Fresken zu bemalen, ohne die Designerin darüber zu informieren. Im Schatten von Eileen Grays Villa am Meer baut Le Corbusier 1952 sein eigenes Haus, die Holzhütte Le Cabanon. Direkt neben dem kleinen Bistro „L‘étoile de Mer“, das einem Freund von ihm gehört. Mit ihrem Ausstieg bei E.1027 im Jahr 1931 zog sich Eileen Gray auch aus dem öffentlichen Rampenlicht zurück. Sie war zu diesem Zeitpunkt 54 Jahre alt und hatte das Bedürfnis, die meiste Zeit allein zu sein. Ein Bedürfnis, das sich in ihrem zweiten Haus Tempe a Pailla, nur zwanzig Minuten von E.1027 entfernt, oben in den Hügeln von Castellar, manifestiert. Ein Haus, das noch kleiner ist als E.1027, aber auch aufwändiger und anspruchsvoller. Nach einer Augenoperation musste sie die nur mit dem Auto erreichbaren Hügel verlassen und renovierte ein altes Weinberghaus in St. Tropez. 1956 bis 1975 stellt Eileen Gray eine Auswahl ihrer Projekte in einer Mappe zusammen. Sie zeigt Schwarz-Weiß-Fotografien, Skizzen, Baupläne, Aufrisse und Querschnitte. Sie hebt ihre lackierten Möbel und Interieurs aus den 1910er und 1920er Jahren hervor, ebenso wie die Galerie Jean Désert, die Villa E.1027 und Tempe a Pailla. Einen großen Teil der Mappe widmet sie auch ihrer architektonischen Arbeit, wobei sie unvollendete Projekte zeigt, die nie gebaut wurden. Ihre Malerei und ihre fotografischen Arbeiten werden jedoch ausgeklammert: ihre private Welt des Schaffens, die sie bewusst von ihrer Karriere fernhält. Vor 1968 verschwand Eileen Gray fast vollständig aus der Öffentlichkeit. Sie unterhielt nur noch wenige enge Beziehungen, vor allem zu ihrer Nichte, der Künstlerin Prunella Clough. Durch einen Artikel über E.1027 wird sie wiederentdeckt und als eine der einflussreichsten Künstlerinnen und Architektinnen der Moderne gefeiert. Bevor sie 1976 im Alter von 98 Jahren starb, bat sie ihre Nichte, ihre gesamte Korrespondenz zu vernichten, sobald sie tot sei. Alles, was von ihr bleiben sollte, war ihr Werk.

Foto:
©Verleih

Info:
E.1027 - EILEEN GRAY UND DAS HAUS AM MEER
Besetzung
EILEEN GRAY.     NATALIE RADMALL-QUIRKE 
JEAN BADOVICI.    AXEL MOUSTACHE
LE CORBUSIER.      CHARLES MORILLON
CHARLES MORILLON.     VERA FLÜCK LOUISE

Stab
Regie: Beatrice Minger
Ko-Regie: Christoph Schaub
Drehbuch: Beatrice Minger in Zusammenarbeit mit
Christoph Schaub
KINOSTART: 24. OKTOBER 2024
SCHWEIZ 2024, 89 MIN, FARBE
IMAGE: 1.6:1 / 1.33:1
SOUND: 5.1
SPRACHE: ENGLISCH, FRANZÖSISCH
UNTERTITEL: DEUTSCH