Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Oktober 2024, Teil 7
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - „Die Deutschen driften immer ins Totalitäre ab. In den Wahn. Auch wenn sie versuchen, die Guten zu sein, müssen sie bei allem übertreiben.“
Opa Georg
Simon Verhoeven geht es darum, den einzelnen Menschen in seinem Kontext zu sehen, unter Berücksichtigung seiner Biografie. „Das geht mir heutzutage viel zu oft unter in dieser polarisierenden Lagerbildung. Wenn man wirklich das Gespräch sucht, Menschen kennenlernen will, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man durchaus zu einem vernünftigen Miteinander kommt - bis auf einige Ausnahmen von Extremisten, auf allen Seiten. Um dieses Miteinanderreden geht es auch in ALTER WEISSER MANN, wo alles auf das große Dinner im Haus des Protagonisten Heinz Hellmich zusteuert.“
Um den nächsten Karrieresprung zu machen, muss Heinz beim Vorstand einen guten Eindruck machen und lädt zu einem Abendessen zu sich nach Hause ein. „Ich wusste von Anfang an, dass am Ende des Films ein Dinner stehen würde, bei dem versucht wird, eine Fassade einer sehr politisch korrekten, woken Familie aufrechtzuerhalten“, so Verhoeven. Viele Menschen kennen diesen Spagat: Zuhause gibt man sich ganz anders als etwa in der Arbeit, wo man keinen Fehler machen darf, korrekt sprechen muss etc. „Und Heinz versucht nun verzweifelt, zuhause die perfekte Fassade aufrechtzuerhalten, was vor allem schwierig wird, als Opa Georg hereinplatzt, der gar nicht eingeladen war“, so Verhoeven.
Zur Vorbereitung werden Bilder von der Wand genommen (Klee, Toulouse-Lautrec, Monet – alles alte weiße Männer), DVDs aus dem Regal entfernt (Hitchcock, Polanski, Woody Allen, Spielberg – alles alte weiße Männer). Es entfacht ein Streit darum, ob Mutter Carla ihre Pho Suppe kochen darf oder nicht (weil kulturelle Aneignung). „Bei diesem Dinner sollte es sehr lebendig zugehen. Es wird auch heftig gestritten. Es hat einen hohen Cringe-Faktor, weil furchtbare Sachen oder politisch inkorrekte Dinge gesagt werden. Aber schließlich kommen alle zu der Einsicht, dass es ok ist, zu seinen Fehlern zu stehen, zu seinen Unzulänglichkeiten. Letztlich lernt sich die Tischgesellschaft als Menschen kennen. Und darum geht es ja im Leben.“
Quirin Berg erinnert sich noch gut an den Anfang der Drehbucharbeit. „Der Titel war als erstes da. Den fand ich sofort genial. Damit ist Simon gestartet und hat dann ein tolles Buch geschrieben.“ Auf der Strecke haben sich die langjährigen Weggefährten dann ausgetauscht. „Ich lese Szenen, Dialoge, Fassungen. Dann setzen wir uns zusammen und sprechen darüber. Es war wieder ein intensiver, wunderbarer gemeinsamer Weg“, so Quirin Berg.
Dürfen wir vorstellen:
Heinz Hellmich
Heinz: „Wir müssen erstmal die Basics bedenken. Wie sieht es hier überhaupt aus? Ich meine, wir haben hier echt fast nur Kunst von alten, weißen Männern hängen. Monet, Klee, Toulouse-Lautrec… Und wer hat heutzutage denn noch DVDs? Hitchcock. Hat der nicht seine Schauspielerinnen belästigt? Noch schlimmer. Polanski. Rosemary’s Baby.“
Carla: „Ist das nicht dein Lieblingsfilm?“
Heinz: „Nicht diesen Donnerstag. Woody Allen. Katastrophe. Der weiße Hai! Haben wir eigentlich irgendwas, das nicht alt und weiß ist?“
Heinz ist der Otto Normalverbraucher, der Max Mustermann. Er ist mit Carla verheiratet und arbeitet seit vielen Jahren im mittleren Management des Telekommunikationsunternehmens Fernfunk AG. Gemeinsam haben sie drei Kinder: Mavie, die schon nach Berlin gezogen ist, Leni und Linus, die noch zuhause wohnen, aber demnächst mit der Schule fertig sind. Sie wohnen in einem beschaulichen Haus in einer fiktiven deutschen Kleinstadt namens Waldstetten. Man mag Heinz eigentlich sofort, er will auch immer das Richtige tun. Allerdings steckt Heinz mit seinem Beruf bei der Fernfunk AG im Hamsterrad. Als sich die Unternehmensberatung samt Diversity-Beauftragter ankündigt, muss er auf einem neuen Parkett tanzen.
Er versucht, innerhalb des neuen Systems zu zeigen, dass er immer noch gebraucht wird, dass er nicht zum alten Eisen gehört, dass er kein alter weißer Mann geworden ist. Simon Verhoeven: „Das ist eine der Ideen des Films: Heinz will eben kein alter weißer Mann sein. Aber wenn man wie er so erpicht darauf ist, alles ganz ganz richtig zu machen, macht man auch ganz viel falsch und tappt in viele Fettnäpfchen. Heinz ist für mich eine Art Forrest-Gump-Figur, die durch das Minenfeld der heutigen Zeit manövriert mit all ihren Haltungen, Themen und Sensibilitäten. Das legt einiges an Dynamik offen, an Irrsinn, Wahnsinn, Verwirrung und komödiantisches Chaos. In Heinz und seiner Verunsicherung können sich sehr viele Menschen wiederfinden, denke ich.“
Foto:
©Verleih
Info:
„Alter Weißer Mann“, Deutschland 2024.
114 Minuten.
FSK ab 6,
Filmstart 31. Oktober 2024
Regie: Simon Verhoeven.
Mit Jan Josef Liefers, Nadja Uhl und Elyas M’Barek.