Carte Blanche für Senta Berger.In memoriam Michael Verhoeven im Kino des Frankfurter, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am letzten Mittwoch begann mit der Anwesenheit von Senta Berger die ihr gewidmete Carte Blanche Reihe, was bedeutet, daß sie zehn Filme ihres im Mai verstorbenen Mannes, des Regisseurs Michael Verhoeven ausgewählt hat, die hier gezeigt werden. Nicht in allen ist sie als Schauspielerin dabei, aber in den heutigen: es beginnt mit WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS, einer Sozialkomödie, in der Senta Berger als pensionierte Lehrerin einen nigerianischen Asylbewerberin aufnimmt, was ihre gutbürgerliche Familie durcheinanderwirbelt. Echt komisch. Und zeitnah.
In die DIE SCHNELLE GERDI, so betonen alle, habe Michael Verhoeven die Rolle der Gerdi Senta Berger auf den Leib geschrieben. Uns sie bezeichnet dies als ihre Lieblingsrolle, was man nach der Sichtung verstehen kann. Es handelt sich um eine erst sechstteilige Fernsehserie des ZDF, die 1989 in sechs Folgen produziert wurde und die dann noch einmal mit weiteren sechs Folgen im Jahr 2002 fortgesetzt wurde. Die am Mittwochabend gezeigt Folge ist die sechste der ersten Staffel.
Die gefühlvolle, leicht erregbare, besonders impulsive Gerdi aus München ist gerade im Sommer 1989 von Herbert verlassen worden. Auch ihre Tochter Jennifer geht stiften. Sie bricht ihr Medizinstudium ab und glaubt, zusammen mit ihrem Mann in Florida das große Geld zu machen. Gerdi leidet, aber es macht gerade ihre Figur aus, daß sie immer wieder voller Kraft weitermacht und sich für andere besonders engagiert. Im Nachhinein empfindet man ihre Rolle als volkstümliche Taxifahrerin leicht angelehnt an solche italienischer Filme wie MAMA ROMA mit Magnani, also volksnah und direkt, allerdings ist Gerdi eine viel weichere, weibliche Erscheinung, die immer wieder die Männern motiviert, hinter ihr herzupfeifen, etwas, was es heute überhaupt nicht mehr gibt.
In verschiedenen Szenen, in denen es auch um ihre Mutter geht, lernen wir die positiven Seiten der Gerdi kennen, die aber immer wieder durch ihre Gefühlsausbrüche in Schwierigkeiten kommt und Unglücke produziert, wie sie aus Ärger unbeherrscht ins Auto springt, rückwärts fährt und Tinka, ihren Hund überfährt. Das ist sehr ungewöhnlich im Fernsehen, da sterben die Menschen reihenweise, aber Tiere höchstens als überfahrene Rehe etc. In dieser Folge wird sie wieder einmal das Opfer ihrer Gutgläubigkeit und auch, ja einer deutlichen Naivität. Zwei Geschäftsleute müssen sofort nach Wien, wofür sie ihr 700 DM bieten, sie will 800. Auf der Fahrt kommt man sich näher und in Wien lernt sie den Geschäftspartner der beiden kennen, der von ihr entzückt, alle zum Heurigen nach Grinzing einlädt. Geschäfte mit den beiden will er nicht machen. Das war also für diese ein Fehlschlag, aber beim Heurigen sind sie gerne dabei. Das sind die Stunden, die Gerdi liebt, die mitsingt und mitschunkelt und voller Gemüt glücklich ist. Den Rausch schläft sie wie die anderen aus, nur als sie am Morgen erwacht, ist eine üble Stimmung, ihre beiden Fahrgäste zahlen nicht und wollen zurück nach München. Doch unterwegs gibt es so schöne Stellen an der Donau und als sie gerade glücklich auf’s Wasser schaut und nah herantritt, bekommt sie einen heftigen Stoß, der sie weit in die Donau wirft, wo sie gegen die heftige Strömung ankämpft,, während die beiden Unholde in ihr Taxi einsteigen und fortfahren.
Doch nicht mit Gerdi! Die kämpft sich an Land, geht zur nächsten Polizeistation, wo eine Fahndung nach den beiden Autoentführern und ihrem Taxi in Gang kommt, die Erfolg hat. Die beiden werden unterwegs gestoppt und in Gewahrsam genommen. Gerdi hat ihr Taxi wieder und fährt nach Hause. Doch hatte sie im Telefonat mit ihrer Mutter erfahren, daß ihr Hund gestorben ist, weshalb sie, als sie auf der Autobahn die Abzweigung Brenner und damit Italien liest, sie spontan, so ist sie eben, diese Abzweigung nimmt und nach Lido di Jesolo fährt, da, wo sie als junge Frau den Schönheitswettbewerb Miss Miramare gewonnen hatte. Ihre schönste Erinnerung an früher,mit der sie sich wieder aufrichten will. Doch ziemlich schnell erkennt sie, daß die alten kleinen Hotels nicht mehr existieren, daß stattdessen gesichtslose Betonklätze die Küste verschandeln. Mit dieser Einsicht verlassen wir die schnelle Gerdi, die sich selbst immer wieder ein Bein stellt, aber liebenswert mit ehrlichen Gefühlen bleibt.
Im Film, der nicht wie heute, rasant geschnitten ist, sondern in sehr langen Einstellungen auch der Zuschauerin direkte Reflexion des Gesehenen möglich macht, sieht man, wie die Kamera die Schauspielerin liebt. Immer wieder ist sie in Großaufnahme in sehr langen Einstellungen ihres Gesichts, das ihre Empfindungen spiegelt, zu sehen: aufmüpfig, temperamentvoll, glücklich wie auch verzweifelt, weinend,lachend. Man würde Senta Berger noch stundenlang zuschauen, aber der Film ist aus.
Foto:
©Verleih Sentana
Info:
Der nächste Film ist am Dienstag, 12. 11 um 20.30: O.K. ,. wo es um die Anwesenheit von amerikanischen Soldaten in Vietnam geht, die eine Einheimische vergewaltigen.