Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. November 2024, Teil 7
Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ihnen ist es gelungen, eine moderne und ungewöhnliche Protagonistin zu erschaffen. Können Sie uns etwas mehr über Pema erzählen?
Pema, die Protagonistin des Films, widersetzt sich Stereotypen und tritt uns als überraschend moderne Frau gegenüber. Damit verkörpert sie auf gewisse Weise heutige nepalesische Frauen und die Entwicklung, die sie vor kurzem durchgemacht haben. Authentizität und Resilienz sind essentielle Eckpfeiler dieser Entwicklung.
Pema begegnet den Traditionen mit Ehrfurcht, während sie gleichzeitig überkommene Normen in Frage stellt, z. B. weigert sie sich schlicht, zum Schweigen gebracht zu werden. Ihre Reise ist kein konventionelles Märchen, sondern spiegelt die facettenreiche Realität nepalesischer Frauen wider. Selbstermächtigung ist ein wichtiges Thema, das beim Publikum auf Resonanz stoßen wird. Pema begegnet ihrer Notlage mit großer Widerstandskraft und geht unbeirrt ihren Weg.
Ihre Geschichte beschreibt aber nicht nur exemplarisch das komplexe Leben der Frauen Nepals, sondern erzählt auch etwas über Hoffnung und Selbsterkenntnis. Themen, die über kulturelle Grenzen hinausreichen.
Der Film gibt uns einen Einblick in die Welt der Frauen im Himalaya, auch in ihre polyandrischen Beziehungen. Das ist etwas, mit dem wir im Westen nicht vertraut sind. Bildet der Film die heute Lebensrealität in der Bergregion ab?
Auch wenn Polyandrie im Film gezeigt wird, ist es wichtig klarzustellen, dass kulturelle Praktiken sich von Region zu Region, von Haushalt und Haushalt stark unterscheiden.
Die Darstellung polyandrischer Beziehungen in SHAMBHALA gewährt aber einen nuancierten Einblick in einen komplexen kulturellen Aspekt der Himalaya-Region, und wir haben versucht, Polyandrie respektvoll und sensibel zu porträtieren. Wir bezogen uns dabei auf Studien und Gespräche mit lokalen Bevölkerungsgruppen.
Indem der Film eine diverse Lebensweise zeigt, widerspricht er Stereotypen und ermutigt das Publikum, kulturelle Unterschiede zu akzeptieren. So fungiert SHAMBHALA als Katalysator für Dialog und Verständnis, fördert Empathie und die Anerkennung des reichen kulturellen Erbes der Himalaya-Region.
Der Film wirkt authentisch, vor allem dadurch, dass viele traditionelle und lokale Elemente Eingang gefunden haben. Wie wichtig war für Sie diese Authentizität?
Authentizität bildet den Kern von SHAMBHALA, sie durchdrang jeden Aspekt der Produktion. Bei den Entscheidungen, die wir für den Film treffen mussten, waren wir immer der Wahrhaftigkeit verpflichtet. Dies begann beim Casting der verschiedenen Laiendarstellerinnen und -darsteller, wurde mit der Einbindung lokaler Dialekte fortgeführt und beeinflusste auch unsere Wahl, den Film in real existierenden Dörfern zu drehen. Dort sieht man die typische Lebensweise, traditionelle Musikinstrumente und vieles mehr.
Ein gutes Beispiel für diese Authentizität ist die verwendete Sprache im Film: Obwohl wir anfänglich Sorgen hatten, dass das Publikum mit Verständnisschwierigkeiten zu kämpfen haben würde, haben wir uns entscheiden, den lokalen Dialekt beizubehalten. Unserer Meinung nach überwinden die ungeschliffenen Emotionen, die in den einzelnen Darstellungen spürbar sind, die Sprachbarriere.
Der Dreh inmitten des atemberaubenden aber auch unwirtlichen Himalaya stellte uns vor einige Herausforderungen. Aber nur so konnten wir wirklich die Essenz des Ortes einfangen.
Authentizität ist nicht nur eine rein ästhetische Entscheidung. Sie bedeutet auch, das Wesen einer Gemeinschaft und ihre Kultur zu ehren, Stimmen Raum zu geben, die in Mainstream-Erzählungen oft vernachlässigt werden.
Ihr Kurzfilm BANSULLI (2012) war der erste nepalesische Film, der beim Internationalen Filmfestival Venedig gezeigt wurde. SHAMBHALA war nun der erste Film aus Nepal, der im Wettbewerb der Berlinale lief. Wie hat sich das nepalesische Kino in den letzten Jahren entwickelt?
Die Evolution des nepalesischen Kinos ist bemerkenswert. Angefangen von BANSULLI, der für das Filmfestival Venedig ausgewählt wurde, bis hin zu SHAMBHALAS Premiere im angesehenen Wettbewerb der Berlinale, haben Filme aus Nepal international eine wachsende Aufmerksamkeit erreicht. Diese Entwicklung zeugt von der Hingabe und dem Talent nepalesischer Filmemacher, die immer wieder kreative Grenzen ausloten und sprengen. Technologischer Fortschritt und ein steigendes Interesse des Publikums an
verschiedenartigen Themen haben zusätzlich das Wachstum der Industrie angekurbelt. Nepals Filmemachern wurde damit ermöglicht, Geschichten zu erzählen, die auf einer universellen Ebene Zuspruch finden.
Sie sind zu einer führenden Figur innerhalb des nepalesischen Kinos geworden. Wie fühlt sich das an?
Wenn ich auf meine Karriere im nepalesischen Kino zurückblicke, bin ich unglaublich dankbar für die Unterstützung und Inspiration, die ich von unzähligen Menschen erhalten habe, von Schauspielerinnen und Schauspielern, Crewmitgliedern, Filmschaffenden und vom Publikum. Die Ermutigung, die ich durch sie bekam, half mir sehr, meinen kreativen Weg zu gehen.
Eine Erfahrung, die sich besonders in meine Erinnerung eingebrannt hat, war die Arbeit an SHAMBHALA. Es war ein herausforderndes Projekt. Aber zu sehen, welche große Resonanz der Film lokal und international erhält, ist eine unglaubliche Belohnung. Dieser Erfolg zeigt, dass das Kino Nepals Geschichten zu erzählen hat, die Grenzen und Kulturen überschreiten.
Geschichtenerzählen war immer etwas, das mir am Herzen lag. Als ich aufwuchs, war ich fasziniert von den Mythen und Legenden, die stetig von Generation zu Generation weitergegeben werden. Heute versuche ich, Filme zu machen, die nicht nur unterhalten, sondern auch zum Dialog anregen und neue Perspektiven eröffnen, uns zeigen, dass wir als Menschen alle viel gemeinsam haben.
Beim nepalesischen Kino begeistert mich, welche unterschiedlichen Stimmen und Geschichten es hervorbringt. Mir ist es besonders wichtig, junge Filmemacherinnen und Filmemacher zu unterstützen, sie mit den Möglichkeiten und Ressourcen zu versorgen, die sie benötigen, um ihre kreativen Visionen zu verwirklichen. Ich glaube, dass das nepalesische Kino ein riesiges Potential besitzt. Ich bin bereit, meinen Beitrag zu diesem Wachstum und Erfolg beizutragen.