Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. November 2024, Teil 6
Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In welchem Maß sind Sie durch Ihre früheren Filme BANSULLI (2012) und KALO POTHI (2015) auf SHAMBHALA vorbereitet worden? Wie entstand Ihr neues Filmprojekt?
Meine vorherigen Filme BANSULLI und KALO POTHI stellen eine wesentliche Grundlage für SHAMBHALA dar. Sie haben mich darauf vorbereitet, mich intensiver mit den in der nepalesischen Kultur verwurzelten Narrativen und der sozialen Komplexität des Landes zu beschäftigen.
Durch meine vorherigen Filmprojekte habe ich gelernt, mich sicher in der Filmindustrie zu bewegen. Mit den dadurch erworbenen Fähigkeiten, konnte ich mich bei SHAMBHALA voll und ganz darauf konzentrieren, diese vielschichtige Geschichte fürs Kino zu erzählen. Ich besitze außerdem durch meine Erfahrungen ein gutes Verständnis für die Kraft der Stille und ein feines Gespür für emotionale Nuancen. Nur mit diesem Rüstzeug konnte ich die Reise der Protagonistin so beschreiben, wie ich sie im Kopf hatte.
Es geht dabei eben nicht nur um technisches Können. Beim Dreh meiner ersten beiden Filme kam ich in Kontakt mit dieser Bevölkerungsgruppe, habe ihre Seele, ihre Resilienz gespürt. Dadurch wurde der Grundstein für mein aktuelles Projekt gelegt. Ich wollte die in meinen früheren Filmen angeschnittenen Themen tiefergehend erforschen.
Mit SHAMBHALA verfolge ich außerdem das Ziel, nicht nur ein lokales Publikum zu begeistern, sondern auch eine globale Zuschauerschaft zu erreichen. Hierzu bediene ich mich einer universellen Sprache, die aus den Fäden unser gemeinsamen Menschlichkeit gewebt ist.
Der Film wurde an Orten gedreht, die 4.200-6.000 m über dem Meeresspiegel liegen. Welche Herausforderungen gab es in dieser Höhenlage? Wie veränderte sie das Erscheinungsbild und die Atmosphäre des Films?
SHAMBHALA in dieser Höhenlage zu drehen, stellte uns vor beträchtliche Herausforderungen. Es fühlte sich an, als würde man auf dem Mond mit einer Kamera zu kämpfen haben. Jeder Atemzug fiel schwer, und das Wetter konnte von einem Moment zum anderen umschlagen, aus Sonnenschein wurde plötzlich Sturm. Ich erinnere mich an viele Gelegenheiten, in denen der Wind drohte, das Zelt, in dem unsere Crew untergebracht war, zu zerstören, oder in denen heftiger Schneefall fast unsere Ausrüstung begrub. Dennoch wurden gerade diese Herausforderungen zu einem integralen Bestandteil des Films. Die dünne Luft in dieser extremen Höhe schärfte unseren Blick für die majestätischen Berge des Himalaya. Die Landschaft in ihrer rauen Schönheit, mit einer Nähe zum Himmel, die fast unmöglich scheint, wurde zu einer Metapher. Sie spiegelte den unerschütterlichen, allen Widerständen trotzenden Willen der Protagonistin wider.
Sie haben mit einem Cast gearbeitet, der größtenteils aus Laien bestand, die aus der Region stammten. Wie haben Sie Ihre Darstellerinnen und Darsteller gefunden?
Es war eine bewusste Entscheidung, überwiegend mit einem Laien-Cast zu arbeiten. Er zu finden, hatte nichts mit dem üblichen Durchsehen von Lebensläufen zu tun, sondern damit, dass wir Menschen gesucht haben, die Emotionen ungeschliffen und authentisch ausdrücken können. Dieses Castingprinzip machte auch nicht vor den Protagonistinnen und Protagonisten des Films Halt. Sie hatten alle wenig Schauspielerfahrung. Aber ihre Darstellungen waren authentisch.
Die Vorbereitungen gestalteten sich umfangreicher als normal und folgten keinen konventionellen Methoden. Es gab z.B. Workshops, die nachts unter dem Sternenhimmel stattfanden, und wir griffen auf Legenden sowie persönliche Erlebnisse zurück, um die Filmfiguren gemeinsam zu erarbeiten. Auf gewisse Art und Weise bereicherte dieser Arbeitsansatz den Prozess des Geschichtenerzählens sogar, er war wie ein Lebenselixier für den Film.
Den Weg, den die Protagonistin des Films in den Bergen des Himalaya auf sich nimmt, wird mit einer Mischung aus langen Einstellungen mit einer fest montierten Kamera und Handkameraaufnahmen erzählt. Das gibt dem Film eine meditative Atmosphäre, die den Zuschauer in den Bann zieht. Wie trägt diese Herangehensweise zur Geschichte bei? Ist sie vom Buddhismus beeinflusst?
Es stimmt, die Reise der Protagonistin im Himalaya wurde abwechselnd mit langen Einstellungen und mit der Handkamera gefilmt. Diese stilistische Entscheidung wurde nicht willkürlich getroffen. Ziel war es, Pemas Innenleben widerzuspiegeln. Die sich langsam verändernde Landschaft, die wir in kontemplativen Bildern eingefangen haben, lädt das Publikum dazu ein, Pemas emotionale Landschaften zu entdecken, ihre Einsamkeit und Selbstreflektion aus erster Hand mitzuerleben.
Der Film ist von der buddhistischen Philosophie inspiriert, vor allem von den Vorstellungen von Vergänglichkeit und Achtsamkeit. Diese philosophischen Grundsätze finden in der visuellen Sprache des Films ihr Echo, z. B. in der stillen Ästhetik der Gebetsfähnchen und in den Bildern des ständig wechselnden Gebirgspanoramas. Aber man kann nicht von einer strengen Einhaltung von buddhistischen Dogmen sprechen, sondern von einer Fusion verschiedener Einflüsse, die sich schließlich im visuellen Stil des Films niederschlägt. So entstand eine Bildsprache, die dem Himalaya eigen, aber auch zutiefst persönlich ist und eine große Sogkraft besitzt.
Wie hat die nepalesische Gesellschaft mit ihrer Mischung aus Tradition und Moderne den Film beeinflusst?
SHAMBHALA verwebt verschiedene Motive, wie Liebe, Ehe, Aufopferung und Reinkarnation miteinander und stellt dabei die Tradition der Moderne gegenüber. Diese Motive sind stark mit dem aktuellen sozialen Gefüge Nepals verknüpft. Sie reflektieren die Spannungen und die Dynamik, denen sich die nepalesische Gesellschaft derzeit gegenübersieht. Althergebrachte soziale Normen werden hinterfragt. Pemas Geschichte steht exemplarisch für diese Entwicklung.
SHAMBHALA nutzt die Fähigkeit des Kinos, Themen anzustoßen, zum gesellschaftlichen Dialog anzuregen und das Publikum aufzufordern, sich auch mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Foto:
©Verleih
Info:
von Min Bahadur Bham | Nepal / Frankreich / Norwegen / Hongkong, China / Türkei / Taiwan / USA / Katar 2024Tibetisch, Nepali, Untertitel: Englisch, Deutsch150'Weltpremiere
Stab
Regie Min Bahadur Bham
Buch. Min Bahadur Bham, Abinash Bikram Shah
Kamera. Aziz Zhambakiyev
Besetzung
Thinley Lhamo (Pema)
Sonam Topden (Karma)
abdruc k aus dem PresseheftTenzin Dalha (Tashi)
Karma Wangyal Gurung (Dawa)
Karma Shakya (Ram Sir)
Loten Namling (Rinpoche)
Tsering Lhamo Gurung (Pemas Freund)
Janga Bahadur Lama (Schäfer)
150 Minuten
Abdruck aus dem Presseheft