venSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. November 2024, Teil 14

Svenja Vanhoefer

Berlin (Weltexpresso) - „Die gesellschaftliche Selbstbestimmung sieht vor, dass wir, wenn wir nur wollen, alles werden und erreichen können. Dem Einzelnen wird die Freiheit zugesprochen, für sein Glück eigens zuständig zu sein. Der Segen der Freiheit ist ebenso bekannt wie ihr Fluch. Inwieweit können wir selbst entscheiden, welche Rolle wir in einem sozialen Gefüge einnehmen und welche Erfahrungen unsere Persönlichkeit prägen?

VENA rückt eine marginale Gruppe in den Fokus und verfolgt den Ansatz, einen lebensnahen Einblick in die Welt einer schwangeren Inhaftierten zu geben. Welche emotionalen Konsequenzen entstehen für Frauen, die keinen Mutter-Kind-Platz in einer JVA während ihrer Haftstrafe bekommen und ihre Babys direkt nach der Geburt abgeben müssen? VENA bricht mit dem Stereotyp straffälliger Mütter und schafft mit der Protagonistin Jenny eine Identifikationsfigur, die trotz aller Verdrängung und schädlichem Drogenkonsum eine innige Liebe zu ihrem Baby empfindet. Jenny schafft es trotz ihrer erdrückenden Lebensrealität, sich aus ihrem Bindungstrauma und aus ihrem toxischen Umfeld zu emanzipieren und lernt durch den Kontakt zur Familienhebamme Marla, sich selbst zu respektieren. Zugleich stellt VENA Fragen an das System: Wie traumatisierend darf Strafe sein und wie legitimiert sich die Trennung von Mutter und Kind, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung und Rehabilitierung?

Die Inszenierung von Chiara Fleischhacker zeigt einen respektvollen Umgang mit den Themen Drogenkonsum, toxische Abhängigkeit innerhalb einer Beziehung und macht die Risse in einem gesellschaftlichen System deutlich, ohne dabei jemandem die Schuld zuzuweisen. Die Schauspielführung ist sensibel und lässt durch die vielen fast schon dokumentarischen Details tiefe Einblicke in die ambivalente Gefühlswelt von Jenny zu. Diese pure Authentizität und Schönheit der Natur spiegelt sich auch in den realistischen Einblicken in die Schwangerschaft und Geburt wider. Durch die emotionale Nähe wird Jenny eine vielschichtige, weibliche Identifikationsfigur, die Hoffnung und Mut macht, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. VENA ist ein Film über Verantwortung, Schuld und die Frage nach weiblicher Selbstbestimmung zwischen Drogensucht und Strafvollzug.

Ein Film, der zeigt, dass werdende Mütter im Strafvollzug entmündigt werden und ausgelöste Prozesse unumkehrbar sind. VENA soll keine Antworten liefern, sondern einen Hoffnungsfunken für eine längst überfällige Debatte über das Versagen des Systems entfachen.“ 

Foto:
©Verleih

Info:
STAB
REGIE & DREHBUCH Chiara Fleischhacker
KAMERA Lisa Jilg

BESETZUNG
JENNY.     Emma Nova 
BOLLE      Paul Wollin
MARLA     Friederike Becht
RENATE    Barbara Philipp
CLARA     Edith Stehfest

Abdruck aus dem Presseheft