diffSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. Dezember 2024, Teil 5

Redaktion

Hollywood  (Weltexpresso) – Ein früher Fan von Schimbergs Drehbuch war der Schauspieler Sebastian Stan, der Marvel-Fans durch seine Rolle als Winter Soldier im Marvel Cinematic Universe (MCU) bekannt ist und bei der Wahl seiner Projekte stets Mut beweist. Er spielte unter anderem den Kriminellen und Ex-Ehemann Jeff Gillooly in der Filmbiografie I, Tonya, den Schlagzeuger der Band Mötley Crüe- Tommy Lee in Pam & Tommy und das kannibalistische Date aus der Hölle in dem Thriller Fresh. Von Anfang an war Stan bei A DIFFERENT MAN zu hundert Prozent integriert.

Er kam als Produzent an Bord und übernahm die beiden Hauptrollen, die miteinander verbunden und verflochten sind, aber jeweils ihre eigenen existenziellen Ängste besitzen. Während Edward außerordentlich schüchtern und emotional zurückhaltend ist, wird der erfolgreiche Guy zwar umschwärmt, ist aber insgeheim unsicher und zieht sich zunehmend zurück.

Die Herausforderungen beim Dreh waren für Stan vielfältig. Zum einen musste er während der Dreharbeiten im schwülen New Yorker Sommer eine vollständige Gesichtsprothese tragen. Auflerdem musste er in die komplizierte Psyche eines Mannes eintauchen, dessen Wunsch, sein Leben zu ändern, ihn auf einen Pfad unerwarteter Erniedrigung und Zerstörung führt.

Stan stürzte sich sofort in die Rolle. „Von seiner ersten Leseprobe an schien dieser Film etwas zu sein, das Sebastian machen wollte“, bemerkt Schimberg. „Er war ein Mann auf einer Mission.“

Stan beschreibt das Drehbuch für A DIFFERENT MAN als einzigartige Geschichte, die er so noch nie gelesen hat. Es passiert so selten, dass ihm Projekte dieser Art überhaupt vorgelegt werden. „Niemand hat mir je ein vergleichbares Projekt geschickt“, sagt er. „In den letzten fünf Jahren habe ich mich immer zu Arbeiten hingezogen gefühlt, die eine Herausforderung darstellen und ein transformatives Element enthalten. In diesem Fall war die Verwandlung auf emotionaler Ebene absolutes Neuland. Dabei konnte ich mich regelrecht in der Figur verlieren.“

Wenn man Schimberg fragt, gibt es jedoch etwas noch Tieferes und psychologisch Faszinierenderes an Stans Anziehungskraft. „Ich glaube, Sebastian war in der Lage, einen Teil seines Selbst zu zeigen, den er in anderen Rollen nicht zum Ausdruck bringen kann“, sagt der Regisseur, der vom totalen Engagement des Schauspielers beeindruckt ist. „Sebastian wird oft nach seinem Äußeren beurteilt. Es ist offensichtlich, wenn man mit ihm die Straße entlanggeht. Die Leute sehen ihn und projizieren bestimmte Dinge auf ihn. Natürlich würden viele Leute diesen Umstand als etwas Positives und Erstrebenswertes sehen. Aber berühmt zu sein und gut auszusehen, ist auch einschränkend.“
                         
In einer ungewöhnlichen, aber aufschlussreichen Regieanweisung ließ Schimberg Stan über seinen eigenen Ruhm nachdenken, um die soziale Objektivierung zu untersuchen, die Edward täglich erfährt. Sebastian erinnert sich: „Aaron sagte zu mir, dass ich mich darauf konzentrieren soll, wie es sich anfühlt, eine Berühmtheit zu sein. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich dem Thema aus diesem Blickwinkel zu n‰hern. Er erinnerte mich jedoch daran, dass ich selbst in der Situation bin, als ˆffentliches Eigentum angesehen zu werden.“ Um Edwards Erfahrung besser verstehen zu kˆnnen, konsultierte Stan einen Neurofibromatose-Spezialisten an der NYU und sprach mit betroffenen Menschen ¸ber ihre persˆnlichen Erfahrungsberichte. Am wertvollsten f¸r die Darstellung von Guy, sagt er, war ein Gespr‰ch mit der Schriftstellerin und Podcasterin für die Radiosendung „This American Life“, Elna Baker, die im College 130 Kilo wog und danach in einer Klinik 55 Kilo abnahm. Die Vorteile ihres neuen Aussehens waren komplizierter, als sie es sich vorgestellt hatte.
 
„Elna sprach mit mir dar¸ber, was mit ihr geschah, als sie plˆtzlich wie jeder andere Mensch auf die Strafle gehen konnte“, sagt Stan. „Ein Teil ihrer Identit‰t ging verloren, auch wenn es zun‰chst so aussah, als h‰tte sie ein grofles St¸ck Freiheit gewonnen, die es zuvor nicht gab. Aber schnell entwickelte sich alles zu etwas Monotonem. Es gab ein berauschendes Hoch, wie Edward es erlebt, als er zu Guy wird, und dann einen heftigen Absturz.“

Die Figur in A DIFFERENT MAN, die sowohl Edward als auch Guy kennenlernt, ist Ingrid. Sie ist die zug‰ngliche und lebensfrohe neue Nachbarin, die eine verbl¸ffende, beunruhigende Freude in sein Leben bringt, indem sie sich ihm gegen¸ber ˆffnet und ihn an ihrem Wunsch, Theaterautorin zu werden, teilhaben l‰sst. Nachdem sie ein St¸ck geschrieben hat, das auf ihrer Begegnung mit Edward basiert, wird Ingrid Guys Regisseurin. Sie f¸hlt sich zu dem attraktiven Schauspieler hingezogen, der auf geheimnisvolle Weise den Schmerz der Figur zu verstehen scheint, die auf ihrem plˆtzlich verschwundenen fr¸heren Freund basiert.

Schimberg und Stan hatten beide zuvor die erstaunliche Darstellung der Norwegerin Renate Reinsve in Der schlimmste Mensch der Welt gesehen und kamen gleichzeitig auf die Idee, sie zu besetzen. Schimberg fragte, ob es sich ¸berhaupt lohne, es zu versuchen, da sie sehr gefragt sei. Sebastian Stan entgegnete, dass es immer einen Versuch wert ist, wenn es das ist, was du willst. Sie schickten ihr das Drehbuch und wenige Tage sp‰ter erhielten sie ihre Zusage. „Ich war so ¸berw‰ltigt von ihrer Darstellung in diesem Film“, erinnert sich Stan. „Ich dachte nur, wir sollten sie anrufen – und sie hat wirklich zugesagt.“

„Ich liebte das Drehbuch“, sagt Reinsve ¸ber ihr erstes englischsprachiges Projekt. „Ich kannte Aaron ¸berhaupt nicht, aber ich fand es toll, dass er den dunklen Humor auf eine ungewˆhnlich warme Art und Weise aufgriff. Als ich Chained for Life sah, dachte ich: Das ist eine ganz andere Art des Filmemachens. Ich liebe es, an Projekten mitzuwirken, die interessante Fragen stellen.“ Schimberg bezeichnet Ingrid als die schwierigste Rolle in dem Film und ist begeistert, dass er in Renate eine Schauspielerin fand, die sich dieser Herausforderung stellte. „Ich glaube, Renate genoss es, die H¸terin von Ingrids Geheimnissen zu sein“, sagt der Filmemacher. „In einem Moment ist sie verf¸hrerisch, sarkastisch, abweisend und in einem anderen Augenblick verunsichert. Wie kann ein Mensch all diese Eigenschaften verkˆrpern? Renate hat das geschafft.“

„Ich sehe Ingrid als jemanden, der versucht, seinen Weg im Leben zu finden“, beschreibt Reinsve ihre Rolle. „Als echte Norwegerin ist sie zudem ein wenig sch¸chtern und glaubt nicht wirklich an sich selbst.“
Verhalten sich Norweger wirklich so? „Oh, ja“, best‰tigt sie. „In Amerika sagt man dir dein ganzes Leben lang, dass du alles sein kannst, was du willst. In Norwegen wird dir dein ganzes Leben lang gesagt, dass du nicht besser als andere Menschen bist und zu einer groflen Gruppe gehˆrst. In mancher Hinsicht ist diese Einstellung gut, aber auch einschr‰nkend. Vielleicht ist Ingrid nach Amerika gekommen, um etwas Selbstvertrauen zu bekommen. Als sie diese Schreibmaschine erh‰lt, bekommt sie einen kleinen Einblick in Edwards Leben, was sie für sich zu nutzen weiß.“ Reinsve griff Ingrids uners‰ttlichen Hunger nach Beziehungen und ihre impulsive Neugier auf. Mit diesen Eigenschaften hatte sie sich schon in ihrem vorherigen Film Der schlimmste Mensch der Welt besch‰ftigt. „Ingrid ist sehr unsicher. Ich glaube, sie erkennt etwas in Edward, das ihr ein Gef¸hl der Geborgenheit gibt“, sagt Reinsve. „Sie verliebt sich in Edward, aber ich glaube nicht, dass sie es sich jemals eingesteht. Dadurch entsteht der Impuls, ¸ber Edward zu schreiben. Als sie Guy trifft, weifl sie nicht, warum seine Darstellung sie so sehr ber¸hrt, aber wir als Zuschauer wissen es. Alles spielt sich unbewusst zwischen den beiden ab.“

Die ironisch angehauchte Romanze zwischen Edward/Guy und Ingrid entwickelt sich zu einer komplexeren Art von Die Schˆne und das Biest, w‰hrend sie sich gleichzeitig mit den krassen modernen Realit‰ten von performativer Identit‰t und sexueller Verwirrung auseinandersetzt. Doch die radikalste Kreation Schimbergs steht zwischen den beiden: Oswald, der Schauspieler, der Edward ‰hnelt, aber mit seiner k¸hlen Selbstbeherrschung eine ¸berw‰ltigende Ausstrahlung hat. Schimberg schrieb die Rolle des Oswald mit seinem Star aus Chained for Life- Adam Pearson im Hinterkopf. Der witzige, in Groflbritannien geborene und mit Neurofibromatose lebende Pearson fiel Schimberg erstmals durch sein auflergewˆhnliches Deb¸t an der Seite von Scarlett Johansson in Jonathan Glazers Science-Fiction-Kracher Under The Skin auf.

„Ich hˆrte, dass seine Szenen improvisiert waren, also wusste ich nicht, welche schauspielerischen F‰higkeiten er besafl“, erinnert sich der Regisseur. „Aber als ich Adam traf, fand ich schnell heraus, dass er sehr extrovertiert ist. Er f¸hlt sich wohl, wenn er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, er ist unglaublich charmant und scharfsinnig. Ich entdeckte, dass er in der Lage war, etwas Komplexeres zu spielen als in Chained for Life. Es inspirierte mich, eine Rolle zu schreiben, die seine Vielseitigkeit zur Geltung bringt und auch eine Art Hommage an ihn ist.“

Pearson, ein BBC-Moderator und Behindertenaktivist, sagt, er sei durch Zufall zur Schauspielerei gekommen, als er sich aus Spafl f¸r Glazers Film bewarb. „Es lief erschreckend gut oder gleichzeitig erschreckend schlecht – je nachdem, wen man fragt“,scherzt er. Die Zusammenarbeit mit Schimberg f¸hrte zu einer Darstellung, auf die er besonders stolz ist. „Diese Rolle entspricht am ehesten dem, was ich auflerhalb des verr¸ckten, wunderschˆnen Zirkus bin, der sich Kunst nennt“, sagt Pearson ¸ber Oswald. „Aaron weifl, wie er f¸r mich schreiben muss, und er weifl, wie ich im wirklichen Leben bin. Es ist immer gut, sein Portfolio an Charakteren zu erweitern – als behinderter Schauspieler l‰uft man ohnehin Gefahr, typisiert zu werden. Es war eine wahre Freude, daran mitzuwirken und alle Beteiligten wieder
zusammenzubringen.“
 
Der Schauspieler ist gespannt darauf, welche Gespr‰che A DIFFERENT MAN auslˆsen wird. „Identit‰t ist ein so tiefes und reichhaltiges Thema, mit dem man erz‰hlerisch spielen kann“, sagt er. „Wer sind wir f¸r die Gesellschaft? Wer sind wir im Inneren? Was passiert, wenn diese beiden Welten nicht unbedingt gleichberechtigt sind? Ich bin kein grofler Fan davon, dass Kino dem Publikum die Hand h‰lt. Das Publikum ist viel intelligenter, als man es ihm zutraut, und Aaron macht das Beste daraus.“

Schimberg beschreibt seine Verbindung zu Pearson in ungewˆhnlich persˆnlichen Worten, als jemanden, der sein Leben tief ber¸hrt hat. „Adam hat meine Sichtweise auf die eigene Fehlbildung ver‰ndert, denn ich habe immer in Angst vor dem Urteil anderer gelebt“, sagt der Regisseur. „Es gab immer ein gewisses Gefühl der Scham. Adam ¸bernimmt die Kontrolle ¸ber die Art und Weise, wie er wahrgenommen werden mˆchte. Dieser Ansatz beeindruckt mich. A DIFFERENT MAN g‰be es ohne ihn nicht! Wenn Adam nicht eingewilligt h‰tte, den Film mit mir zu machen, w‰re das Projekt im Sande verlaufen.“
Renate Reinsve sagt ¸ber Pearson: „Adam ist so witzig, so klug und bringt so viel Energie mit. Er dominiert jeden Raum, den er betritt, aber er hat auch eine aufrichtige Bescheidenheit. Wir hatten einfach so viel Spafl zusammen.“

Das ungewˆhnliche Verh‰ltnis zwischen Guy und Oswald, das aus einer brisanten Mischung aus Anerkennung, Ressentiments und Was-w‰re-wenn-Fragen entstand, sorgte f¸r knisternde Spannung am Set und war der unverzichtbare Schl¸ssel zu dem von Schimberg angestrebten Ergebnis. „Am Ende des Films glaubt man, dass Sebastian Stan eifers¸chtig auf Adam Pearson ist. Es ist nachvollziehbar, man versteht das“, sagt Schimberg. „Ich glaube, das ist etwas noch nie Dagewesenes.“


Foto:
©Verleih

Info:
Stab

Regie       AARON SCHIMBERG
Drehbuch.     AARON SCHIMBERG  
Besetzung
Rolle.         Schauspieler*in
Edward      SEBASTIAN STAN
Ingrid         RENATE REINSVE
Oswald      ADAM PEARSON

TECHNISCHE DATEN

Hauptfilm:A DIFFERENT
MAN
Tonformat: Dolby 5.1
Bildformat:Flat 1.85 4KSprachfassungen:
OV & OmU
Laufzeit: 112 Min 24 Sek
FSK:Freigegeben ab 12 Jahren, ff