toni5Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. Dezember 2024, Teil 10

Susanne Auzinger

Wien (Weltexpresso) - Motto: „In unserem Beruf muss man funktionieren, von Kopf bis zum schlecht operierten Fuß.“
Christine Ostermayer wie würden Sie Ihre Figur der Helene beschreiben?

Als eigenwillige, selbstbewußte, mutige alte Frau.


Margarethe Tiesel, wie würden Sie Ihre Figur der Toni charakterisieren?

Eine freche, viele Schicksalsschläge ertragende, aber noch immer Humor besitzende Frau.



Was sind für euch die zentralen Themen des Films?

MT: Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Mut, Freiheitsdrang.

CO: Es ist mir selten passiert, dass in einem Film so viele Dinge gesagt werden und geschehen, die
auch mein Leben betreffen.


Bei TONI UND HELENE drängt sich die Assoziation mit „Thelma & Louise“ auf….

CO: Ich kannte natürlich den Titel, habe den Film aber nicht gesehen.

MT: Ich kannte den Film und hab mich ein bissl geschreckt, weil die sterben ja dann alle zum Schluss.
Aber so ist es – eine Rolle, ein Spiel.



Wo wurde überall gedreht?

MT: In Oberlaa, Lienz, Hall in Tirol, in Zürich, in Deutschland. Am Großglockner. Die
Großglocknerstraße! Furchtbar! Mein Mann beneidet mich immer, dass ich mit diesem Auto (Jaguar)
fahren durfte, ich fand’s ja ehrlich gesagt furchtbar anstrengend. Das ist so ein Klassiker von Jaguar, wo jeder Mann sagt, toll! Aber es war so unbequem…

CO: Schrecklich!

MT: Man musste reinschlupfen und weit unten sitzen. Anstrengend! Einsteigen, aussteigen, einsteigen, aussteigen!



Ihr seid selbst gefahren und wart einmal Fahrerin, einmal Beifahrerin. Wie ist es, eine Szene während des Autofahrens zu drehen?

CO: Das ist wie im wirklichen Leben, dass man Schwierigkeiten hat als Beifahrer, wenn man selber
Autofahrerin ist.

MT: Also hast du dich gefürchtet, als du mit mir mitgefahren bist?

CO: Nein, überhaupt nicht – aber ich habe deine Anspannung gespürt. Es war etwas leichtfertig von der Produktion, die Autofahrten so früh zu planen. Eine neue Arbeit, ein neues Auto, eine schwierige Straße und viel Text – das bedeutet, es braucht viel Konzentration und das ist anstrengend.

MT: Einmal hatte ich eine Stuntfrau, die das Auto fahren sollte, aber sie hat es verkehrt bergauf nicht
geschafft, dann musste ich doch selber fahren. Bin stolz drauf! (lacht)



Wie komfortabel kann so ein locationreicher Dreh sein?

MT: Ist schon anstrengend, muss man ehrlich sagen. Aber man gewöhnt sich auch dran. Vor allem, wenn du jeden Tag drehst, gibt es eine gewisse Routine, man ist gelassener. Das ist von Vorteil.

CO: Ja. Und man sieht die Welt, man lernt die Welt kennen. Das ist wie eine Tournee, immer woanders schlafen. Man freut sich über eine gute Matratze!



Welche Eigenschaften eurer Figuren schätzt ihr besonders, welche nerven euch?

CO: Da geht mir nichts auf die Nerven. Schwere Kostüme anhaben zu müssen, ständig rauchen oder
essen zu müssen – das sind Dinge, die behindern, aber sonst kann man doch nur Freude haben. Je
mehr Fleisch auf den Knochen, desto spannender wird die Figur für mich.

MT: Was mich persönlich an meiner Figur genervt hat, dass sie nie über sich spricht, wie es ihr geht.
Das ist mir schon ein bissl auf die Nerven gegangen. Dass sie immer drübergeht, „alles ist wunderbar, das geht schon, passt eh“….

CO: Aber das ist doch oft so!

MT: Ja natürlich, aber wenn du diese Frau spielst, denkst du dir: „Na, jetzt sag doch was!“ – und sie
sagt wieder nix! Andererseits bewundere ich sie für ihren Mut, dass die da ohne Führerschein losfährt, dass sie so neugierig auf andere Menschen ist und dass sie sich einfach nix schei*t. Sie geht da hin und sagt: „Ich will ein Autogramm von Ihnen!“ Ich glaube, ich bin privat nicht so mutig wie diese Person, die ich spiele.

CO: Ich glaube, dass gerade deine Figur dem Publikum viel Kraft geben kann.



Was schätzt ihr aneinander?

MT: Ich hab‘ sie während dem Drehen immer sehr für ihre Disziplin bewundert. Man war manchmal
schon müde, aber die Christine ist da durchgegangen, wenn’s lang geworden ist. Und da dachte ich:
„Na bumm, ob ich das auch einmal so schaffe?“ Ich war teilweise viel müder als sie. Da warst du schon sehr konsequent und konzentriert.

CO: Ich habe etwas Komisches erlebt, das mir noch nie bewusst geworden ist. Ich dachte, dass ich
durchhalte. Am letzten Drehtag in Zürich in großer Hitze mit vielen Touristen hatte ich das Gefühl, es ist alles wie immer, ich mache meine Arbeit. Doch beim Synchronisieren dieser Szene Wochen später
habe ich eine erschöpfte Schauspielerin gesehen, die zwar den Text sagt und er passt genau, weil ich zur Sterbehilfe fahre, aber ich war sprachlos, weil ich dachte, ich habe Kraft. Nix hatte ich.

MT: Aber das passt doch für die Szene.

CO: Ja, aber Bild sagt die Wahrheit.



Es ist ein Film über letzte Fragen. Wie herausfordernd ist es, das als Komödie anzulegen?

MT: Ich glaube, es geht gar nicht anders als komödiantisch. Wenn man nicht will, dass der Zuschauer
zumacht und sagt: „Ich will davon nichts hören!“ Die Beschäftigung mit diesem Thema ist wichtig – und ich selbst schiebe es ja auch vor mir her. Ich finde die Form toll, weil man durch das Mittel der Komödie das Thema annehmen kann.

CO: Ja, viel besser. Das Drama machen wir ein anderes Mal.

MT: Das Thema an sich ist ja ein Drama, oder? Die Buddhisten sagen das, glaube ich: „Jeden Tag soll man an den Tod denken, damit man gut leben kann.“ Das ist gar nicht blöd, denn es gehört ja zum Leben dazu und wenn man sich jeden Tag der Sterblichkeit bewusst wird, lebt man anders. So probier‘ ich’s ein bisschen.

CO: Es ist wie im wirklichen Leben – es ist komisch und ernst, es ist dramatisch, aber man kann auch
lachen.



Eure Einstellung zur Sterbehilfe:

MT: Ich hab‘ immer Angst, dass mich jemand fragt, „was ist Ihre Meinung dazu?“ Ich kann’s nicht
sagen. Manchmal denk ich mir, es kommt auf die Situation an. Ich weiß einfach keine Antwort. Möchtest du einmal Sterbehilfe in Anspruch nehmen?

CO: Ich bin eindeutig dafür. Das war auch mit ein Grund, warum ich zum Drehbuch sehr erfreut ja
gesagt habe, weil das zurzeit mein Lebensthema ist. So wie ich für selbstbestimmtes Leben bin, bin ich für Sterbehilfe. Und ich kann nur hoffen, dass jeder von uns einen gescheiten Menschen findet, der uns hilft. Allein geht es nicht.

MT: Das Gesetz ist jetzt novelliert worden – dass assistierte Sterbehilfe nicht mehr strafbar ist.



Was sind die Vorteile des Älterwerdens?

MT: Es ist schon herrlich, wenn man nicht mehr dauernd was beweisen muss. Konkret in meinem Beruf. Es ist ein toller Zustand, nicht mehr diesen Druck haben zu müssen und sich zu fragen, was denkt der/die über mich, dass man einfach machen kann, ganz locker.


 
War das ein fließender Prozess oder hast du auf einmal gemerkt, das gelingt dir jetzt?

MT: Ein bisschen fließend schon. Ich hab auch noch immer Angst davor, dass mich jemand nicht gut
findet – das verletzt mich noch immer.

CO: Deswegen lese ich keine Kritiken! Weil wir im Theater ja die 2. Vorstellung auch spielen müssen –
und mit einem Verriss kann ich das nicht gut. Aber ich muss auch sagen, das Alter, die Rente ist
wunderbar. Man kommt endlich zu den Dingen, für die man früher nie Zeit hatte.



Welchen Rat geben Sie jüngeren Kollegen?

CO: Den Beruf zu lernen. Den kann man nicht, wenn man ein Abschlusszeugnis hat. Als ich
angefangen habe, sagten die Regisseure zu mir: „Sprich lauter, die letzte Reihe hat auch bezahlt!“ Wie das geht, hat mir keiner gesagt – das kann man nur durch Üben, Üben, Üben lernen, am besten im Jahresvertrag an einem kleinen Theater.



Im Film fällt der Satz: „Leute in meinem Alter sind schwierig, sie reden nur über Krankheiten.“ Glaubt ihr, dass Freundschaften zwischen älteren und jüngeren Menschen möglich sind?

MT: Man darf nicht denken, dass die Jungen automatisch auf einen zugehen. Bei mir gegenüber sind
z.B. jüngere Leute in eine WG gezogen. Ich wäre damals hingegangen, hätte angeklopft, „guten Tag,
wir sind da jetzt eingezogen“ – das machen sie heute nicht mehr. Ich musste zu ihnen hingehen und sie begrüßen, was ein bisschen Überwindung gekostet hat, aber jetzt haben wir Kontakt und alles passt. Man muss immer auf die Leute zugehen.



Seid ihr der Meinung, dass eine neue Freundschaft im Alter überhaupt noch möglich ist?

Beide: Natürlich!



Wie ist die Lage für ältere Frauen im Fernsehen und im Kino?

CO: Ich bin das beste Beispiel, dass die Lage nicht hoffnungslos ist.

MT: Und es gibt jetzt schon Bemühungen, dass mehr Drehbücher für ältere Frauen geschrieben
werden.



Zudem ist dieser Film ist eine erfreuliche Ausnahme. Glaubt ihr, dass er etwas verändern kann?

CO: Nein, aber er wird hoffentlich vielen gefallen und sie werden sehen, dass es auch anders geht.



Gibt es noch Rollen, die Sie, Christine, gern spielen würden?

CO: Nein. Ich habe das große Glück gehabt, viele Frauenleben zu spielen. Jetzt bin ich in der Situation, das Alter zu verstehen und natürlich zu spüren. In unserem Beruf muss man funktionieren, von Kopf bis zum schlecht operierten Fuß. Das heißt, man sollte den Arbeitsfluss nicht behindern.



Und du, liebe Margarethe:

MT: Ich möchte gern mal eine Kommissarin spielen, so eine Miss Marple, das würde mir gefallen.
(lacht)



Mit welchen Gefühlen soll das Publikum aus dem Kinosaal rausgehen?

CO: Wenn ich aus einem guten, schönen Film hinausgehe, gehe ich wie auf Wolken. Dann geht‘s mir
gut, auch wenn‘s mir vorher schlecht gegangen ist. Das hat eine große Wirkung.

MT: Ich denke mir, es wäre schön, wenn man rausgeht, über dieses Thema ein bisschen nachdenkt
und mit der Familie diskutiert.

CO (schmunzelt): Du bist noch zu jung…

MT: Naja….

CO: Ich habe jetzt nur mehr solche Gespräche. Ich würde sagen, ab 80 spricht man nur mehr darüber.

MT: Aber weißt du, meine Oma zum Beispiel hätte die Möglichkeit der Sterbehilfe bejaht, nur damit sie niemandem auf die Nerven geht. Die würde das dann in Anspruch nehmen, nur damit man nicht so viel Geld für ihre Pflege ausgeben muss.

CO: Aber es kann ja auch eine Erlösung sein! Es gibt schwer kranke Patienten, die überhaupt keine Chance haben, selbständig ihr Leben zu beenden. Ich möchte bitte, wenn es so weit ist und ich mir nicht mehr selber helfen kann, dass mir jemand hilft, ohne ins Gefängnis zu kommen. Aber so weit sind wir ja schon. 

Foto:
©Verleih

Info:
Besetzung
Helene.   Christine Ostermayer
Toni.        Margarethe Tiesel
Thea.       Julia Koschitz
Josef.      Manuel Rubey
Ferdinand.   Thomas Mraz
Heimleiterin Petra Morzé

Stab
Regie und Drehbuch.     Sabine Hiebler und Gerhard Ertl
Dramaturgie.    Karoline Bochdansky

Interview:Juni 2024
Abdruck aus dem Presseheft