Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Januar 2025, Teil 10
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es lohnt immer, wenn man Regisseure und/oder Schauspieler über ihre Filme sprechen hört, vor allem, wenn man diesen Film gerade gesehen hat und als Publikum auch mitsprechen darf, was meist FRAGEN und ANTWORTEN heißt. Regisseur und Drehbuchschreiber Florian Frerichs hatte seinen Hauptdarsteller Nikolai Kinski mitgebracht und auch die Darstellerin der jungen Prostituierten Mizzi: Nora Islei. Der angekündigte Bruno Eyron war nicht dabei, leider, denn seine Rolle hätte für uns noch gewichtiger ausfallen dürfen, mit mehr Einsätzen, er ist im Film eine interessante Figur.
Erstaunlich, wie lebhaft das Publikum Fragen stellte, auch Rückfragen, weil es auf das Gesagte einging. Wie wichtig Regisseur und Drehbuchschreiber Florian Frerichs die Diskussion mit dem Publikum nimmt, konnte man spüren, denn Filme werden ja für Menschen gemacht, von denen man hofft, daß sie damit etwas anfangen können, daß das Gesehene in ihnen etwas auslöst. An diesem Abend ging diese Erwartung für den Filmemacher, den Hauptdarsteller und die wichtige Protagonistin Mizzi auf. Erst einmal erzählten diese von den Dreharbeiten, die kurz sein mußten, des geringen Budgets wegen und wie sie in Berlin die Lokalitäten gefunden hatten.
Natürlich gab es auch Fragen zur Geschichte, die sich enger als beispielsweise EYES WIDE SHUT von Stanley Kubrick Ende der 90er Jahre an die Novelle von Schnitzler hält. Gute Gelegenheit, die beiden Verkörperungen der männlichen Hauptfigur zu vergleichen. Etwas Somnambules zeichnet beide aus. Muß es auch, denn sie sind ja die Verführten, die erst mal im Interesse eines anderen handeln. Daß dies bei Frerichs stärker zum Tragen kommt, hat mit der Spielweise von Nikolai Kinski zu tun. Was ihm als starr oder sogar unbeteiligt in seinem Mienenspiel vorgeworfen wurde, ist ja genau das, worum es geht. Er ist Spielball, will selbst etwas erfahren, aber als Außenseiter, als jemand, der abschöpfen will, aber nicht als der, der sich auf Teufel komm raus jetzt einer Parallelwelt ausliefert. Dazu bleibt dieser Arzt Jacob viel zu sehr Wissenschaftler, distanziert also, er möchte Erfahrung sammeln, aber nicht solche, die ihn belasten könnte. Seine Sympathie für Mizzi ist vorhanden, aber seine Gefühle für seine Frau verhindern das Liebesspiel. Das ist glaubhaft und nicht kalt.
Diese Mizzi hat es in sich. Denn ihr wird er auf der geheimen Orgie wiederbegegnen. Beide erkenne sich trotz Maske. Wir Zuschauer auch, denn die auffällige Tätowierung zwischen ihren Brüsten ist dafür Symbol. Er wird auf dieser Ausschweifung zwecks höheren Zwecks, von dem niemand weiß, als Eindringling entdeckt, denn er hatte seinem alten Freund Nachtigall das Codewort entlockt, besser: gegen dessen erlassene Schulden abgekauft, doch jetzt stellt sich heraus: „Verdi“ galt nur für den Eingang, nicht für den geheimen Saal, in dem es nun ums Eingemachte geht. So ein wenig erinnert das tatsächlich an einen Geheimbund wie in Mozarts ZAUBERFLÖTE, wenn Mizzi Angebot, sich jetzt für Jacob zu opfern, angenommen wird und dieser heil hinausgeworfen wird.
Beide Schauspieler gehen auf ihre jeweiligen Rollen ein. Seine als die eines hinter die Dinge blicken wollenden Ehemanns, sie als sehr junge Prostituierte, am Anfang ihrer ‚Karriere‘. Psychologisch haut das hin. Hier muß die Prostituierte einfach jung sein, unerfahren auch, aber mit dem Habitus einer Erfahrenen spielend. Sie fühlt sich mit Recht von Jacob zurückgewiesen, schließlich hat er ja bezahlt und ist ihr auf’s Zimmer gefolgt, aber sie achtet seine Motive, auch wenn’s weh tut.
An dieser Stelle fällt auf, wie sehr Florian Frerichs die Ehefrau aus dem Blick gerät. Schon bei Schnitzler spielt sie keine große Rolle, aber eine so geringe wie hier, eben auch nicht. Alles erlaubt, denn Adaptionen müssen nicht 1:1 übersetzt werden. Aber darüber zu reflektieren ist wichtig.
Auffällig die Aufsichten auf die belebten Straßen Berlins, die man so nicht kennt. Daß ihm genau das wichtig war, erläutert der Filmemacher. Das Vertraute und das Noch-nicht-Gesehen, diese Mischung ist spannend, wenngleich alles Äußere doch eine geringere Rolle spielt als die Vorgänge im Inneren, die bei Jacob dazu führen, ‚Danke‘ zu sagen, zu dieser obskuren versteckten Welt und es lieber mit seiner Frau zu versuchen, ernsthaft zu versuchen.
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