Redaktion
Paris (Weltexpresso) - Warum hat Dich der Stoff des Theaterstücks DAS KLEINE PONY von Paco Bezerra für eine filmische Erzählung motiviert bzw. gereizt?
Beim Lesen des Theaterstücks von Paco Bezerra hat mich beeindruckt, wie sehr die Polarisierung der Charaktere rund um den Mobbing-Vorfall in der Schule das zentrale Element des Werkes darstellt. Der Sohn und das, was in der Klasse geschieht, wird ausschließlich durch die Eltern erzählt, die darauf völlig gegensätzlich reagieren. Diese Erzählweise minderte in keiner Weise die Gewalt der Ereignisse – durch das Fehlen des Protagonisten fehlt auch die Möglichkeit, sich mit dem Opfer identifizieren zu können – und damit wird die Geschichte universeller. Als Leserin war ich vollständig den Eltern ausgeliefert, hin- und hergerissen zwischen zwei Denkweisen. In ihnen erkannte ich mich wieder, nahm Partei, verstand ihre Schwächen und tiefen Instinkte, auch wenn ich sie nicht immer teilte.
Ich war schon immer eine Liebhaberin des Theaters. Meine ersten selbstgewählten Lektüren waren keine Romane, sondern Theaterstücke, insbesondere aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Ibsen war meine erste Entdeckung, gefolgt von der modernen Dramatik, die mich schließlich dazu brachte, Theater zu studieren. In Paco Bezerras Stück fand ich den Geschmack und die Struktur eines klassischen Textes wieder, kombiniert mit einem höchst aktuellen Thema: die Vielfalt und die Verantwortung, sie zu schützen, damit sie nicht von Normen und der Gewalt erstickt wird, die auf diejenigen ausgeübt wird, die sich von diesen Normen nicht angesprochen fühlen. Ich wollte diese Geschichte aus den Theaterkulissen herausholen und ihren Charakteren einen Körper geben – um ihren Konflikt zu untersuchen und so der Spannung eine Stimme zu geben, die dieses Thema in der heutigen Gesellschaft hervorruft.
Worin bestanden die besonderen Herausforderungen bei der Adaption für den Film ES GEHT UM LUIS?
Die große Herausforderung bestand darin, den richtigen Ort zu finden, ohne zwingend in einer Wohnung zu bleiben, wie es im Theaterstück der Fall ist. Dennoch wollte ich den Fokus auf die Perspektive der
Eltern beibehalten und nicht dem Drang nachgeben, Luis zeigen zu wollen, damit er weiterhin das Symbol der Vielfalt bleibt und eine universelle Dimension annimmt. Es ging darum, einen Ort zu finden, der die gleiche Intimität wie ein Zimmer bietet, aber in Bewegung ist. Ein Fenster zur Welt, wobei die Welt zu einem Ort wird, der den Wandel beobachtet und mit dem man interagieren kann. Ein Ort, der die Instinkte der Menschen widerspiegelt und offenbart. Ein Ort, der dieselbe Klaustrophobie erzeugt, von dem man sich aber auch kurz entfernen kann, um dem Zuschauer eine Atempause zu geben. So entstand meine Idee des Taxis, der Nachtschichten von Jens, des Treffens in den Pausen oder vor der Schule. Damit entstand die Ästhetik des gesamten Projekts, die dem Theaterstoff jene notwendige Visualisierung verschafft, die ein Film braucht.
Foto:
©Verleih
Info:
BESETZUNG
Jessica/Rabia. Megan Northam
Madame Lubna Azabal
Laïla Natacha Krief
Uum Mikail Klara Wördemann
Uum Mansour. Maria Wördemann
Uum Maryam. Lena Lauzemis
Der Kämpfer. Andranic Manet
Uum Zayd. Lena Urzendowsky
STAB
Regie. Mareike Engelhardt
Drehbuch. Mareike Engelhardt, Co-Autor Samuel Doux
TECHNISCHE DATEN
Produktionsland. Frankreich, Deutschland und Belgien
Jahr 2024
Filmlänge. 94 Minuten
Format. 1:1,85