Eine aufschlußreiche, auch peinliche Dokumentation über das Haus Hannover in der ARD, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man mußte zwar, wie oft bei wichtigen Beiträgen, bis 23 Uhr warten, was wegen der überraschenden Fußballergebnisse in der ersten Pokalrunde ( 5 Bundesligavereine ausgeschieden! Kickers Offenbach aus der 4. Liga schmeißt den Zweitligisten FC Ingolstadt, Drittligist Dynamo Dresden den diesjährigen

Champions League Teilnehmer Schalke 04 aus dem Pokal!) dann noch viel länger dauerte, aber erträglich war. Das Warten lohnte sich angesichts der spannenden Sendung absolut!

 

Was wissen wir über die Welfen? - abgesehen davon, daß der einzige Nachkomme, der oft in den Zeitungen steht, die wir nicht lesen, den bunten Blättern, als gewalttätig verschrien ist, was auch ihm, dem Ernst August von Hannover als derzeitigen Familienoberhaupt des ehemaligen Königreichs Hannover nicht zu gefallen scheint. Auf jeden Fall, das war die zweite Information im nächtlichen Film von Michael Wech und Thomas Schuhbauer, war er nicht bereit zum Thema beizutragen und mit den Autoren zu sprechen. Im Film hieß es: „Er bedankt sich für das Interesse, steht aber nicht der Kamera zur Verfügung“ und wollte auch keine schriftliche Stellungnahme zu den Rechercheergebnissen abgeben.

 

In dieser Funktion sahen wir dann den nachgeborenen Bruder, Heinrich von Hannover, dessen Name uns heftig an den schlagkräftigen und unerschrockenen Juristen Heinrich Hannover erinnerte – auweia, das ist natürlich ein anderes intellektuelles und moralisches Kaliber. Der Bruder beantwortete einige der Fragen derartig blauäugig, daß man gar nicht mehr weiterfragen wollte, weil das Problembewußtsein nicht vorhanden scheint und einem das wie Fremdschämen peinlich wird. Da redet er flockig von marktwirtschaftlichem Gebaren seines Großvaters, der wie der derzeitige Chef und wie dessen Sohn auch Ernst August von Hannover heißt, als dieser 1938 in Österreich sich an der 'Arisierung' beteiligte und zu billigen Preisen sich an der „Betriebsentjudung“ reicher machte, ein Wort, was auf dem Blatt steht, was im Bild auf dem Fernsehschirm erscheint. Und sein Großvater habe sich in der Nazizeit „ungeheuer diplomatisch und menschlich“ verhalten. Ja, dann.

 

Noch einmal, was wissen wir über die Welfen? Denn wie die Aufnahmen zeigen, haben zwei Historikerinnen in Österreich drei Jahre lang Recherche betrieben und auch einiges in verschiedenen Archiven gefunden, was unbekannt war, wie diese Aneignung der Firma FMW(flugzeug- und Metallbauwerke Wels), wo die beiden Autoren dann noch zwei ehemalige Lehrlinge als Zeitzeugen auftrieben, Glücksmomente für Filmemacher. „Zusätzliche Recherchen im oberösterreichischen Landesarchiv brachten weitere Erkenntnisse. Dort gab es einen Hinweis auf die Verlagerung der Tankdeckelproduktion der Welfenfirma FMW für das Düsenflugzeug Me 262 nach Grein. Alle Mauthausen-Forscher wissen, daß es in Grein ein KZ-Außenlager gegeben hatte. Bislang war aber unklar, für welche Firma. Transportlisten aus dem Museum des Konzentrationslagers Auschwitz belegen, daß auch 'Aeromechaniker' in das KZ_Außenlager nach Grein geschickt wurde.“, erzählt Michael Wech, so daß auch fast 70 Jahre nach dem Kriegsende immer noch wie in einem Puzzle uns neue Teile geliefert werden, die die Verflechtung solch wichtiger Herrschaften in den NS-Sumpf deutlich machen.

 

Was wissen wir also über die Welfen, die Geschichte der Welfen? Österreich? Eigentlich sind die Welfen ein fränkisches Adelsgeschlecht, das seit dem 9. Jahrhundert bekannt ist und mit den regierenden Karolingern verwandt, verschwistert, verschwägert und wenn's paßte, verfeindet war, all die 12 Jahrhunderte hindurch. Bekannt in der deutschen Geschichte wurden sie als die Herzöge von Bayern, später auch die von Sachsen und seit 1235 sind sie die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Sie waren im 12. Jahrhundert Konkurrenten der regierenden Staufer, der berühmteste Welfe bleibt Heinrich der Löwe (1129-1195). Die vergangenen Staufer haben die Welfen auch durch Heirat überlebt und besetzten dann mit den Kurfürsten von Hannover durch Erbe der Stuarts den Thron des Vereinigten Englischen Königreichs – bis 1901. Seit 1814 wurde das Kurfürstentum durch den Wiener Kongreß zum Königreich Hannover, dazu regierte eine Nebenlinie das Herzogtums Braunschweig, das nach seinem Aussterben von der im österreichischen Exil lebenden hannoverschen Linie übernommen wurde, was alles in der Novemberrevolution 1918 geendet hat. Interessant auch, daß die 1981 gestorbene Königin Friederike von Griechenland als Tochter des 1918 entthronten Braunschweiger Herzogs die letzte lebende Welfenregentin war. Das derzeitige Oberhaupt der Familie, Ernst August von Hannover ist Ehemann von Prinzessin Caroline von Monaco.

 

Inwieweit der Name Welfen von Wölfen kommt, darüber gibt es eine umfangreiche Aufarbeitung, was naheliegt, weil das lateinische Sprichwort homo homini lupus für jedes jahrhundertelang regierende Adelsgeschlecht die Frage nach dem Überleben der Familie, sprich den Methoden des Machterhalts stellt, nämlich wie viel Dreck am Stecken des hochedlen Adelsgeschlechts dies möglich machte, inwiefern der Welfe im besonderem dem Menschen ein Wolf sei.

 

Auf jeden Fall ist jetzt klar, daß Österreich ein Rückzugsgebiet der Welfen war und die Dokumentation sich stark damit beschäftigt, ob dieser Adel sich als Opfer sieht und gar Widerstand für sich beansprucht, oder als Täter (Fall Elbogen)anzusehen ist. Die Bilder im Film zeigen, daß schon vor 1933 in Braunschweig die besten Beziehungen zur NSDAP herrschten, die an politischen Regierungsbündnissen beteiligt war, bis dann im Mai 1933 das Bekenntnis dieses Ernst Augusts zu 'wahrer Volksgemeinschaft' und Hitler“ folgen.

 

Wie die Welfen vom Adelshaus zum Wirtschaftsunternehmen mutieren und auf welche Weise sie jüdischen Eigentum zu ihrem machen, soll in einem zweiten Artikel detailliert weitergegeben werden, in dem auch die unglaublichen Vorgänge um den Verkauf des Evangeliars Heinrich des Löwen für umgerechnet 17 Millionen Euro an die Deutschen, sprich den deutschen Steuerzahler eine Rolle spielt, denn offiziell sei das nicht mehr Eigentum der Welfen gewesen, sagt die Familie, die Recherchen sprechen eine andere Sprache. Fortsetzung folgt also.

P.S.:Unsere Überschrift spricht von einer "auch peinlichen Dokumentation". Peinlich für die Welfen, denn die Filmemacher zeigen die Fakten, wir Zuschauer können gar nicht anders, als dies zu werten. Dazu sind solche Dokumentationen ja da, denen man die Mühe der Recherchearbeit anmerkt. Noch im letzten Jahrhundert hatte  Familienchef Ernst August versprochen, eine hausinterne Aufarbeitung der Nazivergangenheit durch eine Kommission einzurichten. Was nicht geschah.