hundsSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Februar 2025, Teil 1

Redaktion 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Vor HUNDSCHULDIG haben Sie sich bereits für nicht-menschliche Arten interessiert. In Ihrer Performance „Hate" (2020) teilten Sie sich die Bühne mit dem Pferd Corazón und inihrer Show "Radio Arbres" (2021) stellten Sie sich eine Radioshow für Bäume vor. Was bemerken Sie, wenn Sie dieses Anderssein näher betrachten?


Die Umweltkrise beunruhigt mich sehr, und ich bin auf der suche nach einer Rolle, die die Kultur in diesem Zusammenhang spielen kann. Für mich ist diese Krise größtenteils auf Unwissenheit und Gefühllosigkeit gegenüber anderen Arten in unserem Okosystem zurückzuführen. Ich wollte dies dokumentieren, um die Neugier des Publikums zu wecken und seine vorgefassten Meinungen zu hinterfragen. Zum Beispiel betrachten wir Tiere oft als Objekte. Nach dem Schweizer Gesetz gilt der Hund Cosmos in HUNDSCHULDIG als Sache und nicht als Individuum, und wenn er eingeschläfert wird, „tötet man ihn nicht, man zerstört ihn". Diese Idee der Objektivierung von Tieren ist genau das, was es uns erlaubt, sie zu essen. Sie haben keinen anderen Wert, als für uns nützlich zu sein. Ich denke viel über dieses Thema nach, und das liegt wahrscheinlich daran, dass ich eine Frau bin. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich bestimmten Konventionen anpassen muss, um einen Zweck zu erfüllen.

Wahrscheinlich schätze ich deshalb Menschen, die nicht so richtig dariuh, der Besier von Cosmos, gespielen rangois amiens, int sehbehindert und ein Außenseiter. Dann ist da Avrils punkiger Nachbar, ein Kind, das Gewalt erfährt. Und schließlich Lorene, gespielt von Anabela Moreira, eine portugiesische Putztrau, die von dem Hund ins Gesicht gebissen wurde und sich datür entscheidet, ihre Narben zu behalten und die Normen abzulehnen. Sie verkörpert eine der feministischen Ideen des Films.


Was hat Sie dazu bewogen, sich hinter die Kamera zu stellen und Regie zu führen?


Zunächst war es einfach der Wunsch, als Zuschauer eine bestimmte Art von Film im Kino zu sehen: eine ungehemmte, beunruhigende Komödie, die wichtige Themen anspricht und ständig den Ton wechselt. Ich wolIte auch in einem solchen Film mitspielen. Aber es war mir nie in den Sinn gekommen, selbst Regie zu führen. Im Leben passieren mir die Dinge einfach. Mein Schweizer Produzent Lionel Baier kam, um sich „Hate" - mein Stück mit dem Pferd - anzusehen.
Aut dem Weg nach draußen sagte er zu mir: „Wenn du das kannst, dann kannst du auch bei einem Film Regie führen." Und ich habe ihm geglaubt, obwohl ich jetzt weiß, daß das ncihts miteinander zu tun hat. Ein paar Tage später wurde mir eine Geschichte über einen Gerichtsprozeß um einen Hund erzählt. Und ich hatte das Gefühl, dass das meine Art von Komödie wird: absurd, verworren und viele Fragen aufwerfend.
  
 
Sie treiben das Absurde so weit, dass Sie den Hund Cosmos zum Angeklagten in einem Prozess machen. Wollten Sie auch die Grenzen des Rechts ausloten?
 
Wenn Wälder und Flüsse einen rechtlichen Status haben können, sind wir heute nicht weit von diesen Grenzen entfernt. Menschen können in ihrem Namen Klage erheben, und ihnen kann der Status eines Opters zuerkannt werden - aber nicht der eines Schuldigen. Gleichheit unter den Arten würde bedeuten, dass ein Feigenbaum, ein Hund oder ein Mensch gleichermaßen schuldig oder unschuldig sein könnte. Das wäre absurd.

Was mich zum Lachen gebracht hat, war die Tatsache, dass alles sofort surreal wurde, als sich der Status des Hundes änderte - er war nicht länger eine Sache, sondern eine Person. Plötzlich wird ein Hund in den Zeugenstand gerufen, zusammen mit Menschen, die völlig hilflos sind, ihn zu verurteilen.

Ich war oft im Gericht, um mir Verhandlungen anzusehen. Ich bewundere, wie wichtig das Zuhören dort ist: Man hört geduldig den Zeugen zu, stellt Fragen, bildet sich eine fundierte Meinung, um der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen, bevor ein Urteil gefällt wird. Für mich ist die Justiz sehr wertvoll. Sie ist unser Kompass, auch wenn sie unvollkommen ist. Das  beruhigt mich in einer Zeit der vorschnellen Urteile. In diesem Prozess gibt sich der Richter große Mühe, den Hund zu verstehen: Er zieht Geistliche sowie Hightech- Übersetzungsmaschinen zwischen Hund und Mensch zurate ... Das ist alles absurd, aber auch wunderschön.


Sie spielen Avril, eine Anwältin, die Fälle vertritt, die als hoffnungslos gelten. Wie sind Sie auf diese Figur gekommen?

In diesem Film geht es in erster Linie um den Werdegang einer Frau. Avril ist eine 40-jährige Frau, die zwischen zwei Epochen gefangen ist, der alten Welt und #MeToo, und die nach ihrer eigenen Stimme sucht: einer Stimme aus dem Off, einer abwesenden Stimme, einer tiefen Stimme, einer kratzenden Stimme ... Sie ähnelt Cosmos, dem Hund, der sein Bestes gibt, um sein Wolfsgeheul wiederzuerlangen, das die Jahre der Domestizierung ausgelöscht haben. Cosmos ist ihr Spiegelbild. Indem sie versucht, ihn zu retten, wird sie ihre eigene Kraft finden. Und damit auch ihren Platz in der Welt.


Warum haben Sie eine Komödie für Ihren ersten Spielfilm gewählt?

Es war eine wunderbare Herausforderung, und ich hätte dieses Thema nicht anders angehen wollen. Lachen ist für mich essenziell, und die Komödie ist eine edle Kunst, die für jeden zugänglich ist. Ich finde es großartig, die Zuschauer zu unterhalten,  vor allem wenn man über tiefgründige, ernste Themen sprechen will. Aus diesen Gründen bin ich ein Fan der Filme von Pierre Salvadori oder der Serie „Fleabag“ von Phoebe Waller-Bridge. Es ist ein Genre, das mehr Beachtung finden sollte, weil es wirklich dazu beitragen kann, das Leben lebenswerter zu machen.

Ein großer Teil der Komik des Films liegt darin, dass Menschen den Fehler machen, viel von sich selbst auf Tiere zu projizieren. Wie stehen Sie zum Anthropomorphismus?

Das Interessanteste war für mich, herauszufinden, wie ich Kodi, der den Hund Cosmos spielt, darstellen kann. Ich wollte nicht, dass er ein Komödienhund wie Beethoven ist, der im richtigen Moment ein niedliches Gesicht macht, um uns entweder zu rühren oder zum Lachen zu bringen. Aber ich wollte auch nicht in das andere Extrem eines wilden, unverständlichen Tieres verfallen. Was ich an Haustieren so schön finde, ist, dass sie halb bei uns und halb woanders sind. Und es ist lustig, wie sie uns sehen: unsere Extreme, unsere Dummheit.
Kodi ist ein artistischer Hund und Zirkusakrobat. Ursprünglich hatte ich einige unglaubliche Choreografien für ihn geschrieben, aber das meiste davon habe ich weggelassen. Im Film ist er kein Zirkustier. Bewegend sind die Aufnahmen, in denen er einfach nur da ist, in denen wir versucht haben, sein Inneres, seine Gefühle einzufangen. Wir haben ein paar Aufnahmen von ihm, die jedem großen Schauspieler würdig sind. Dieser Hund ähnelt eher Patrick Dewaere als Christian Clavier! (lacht)


Sie schildern auch die Schnelligkeit, mit der Menschen heute auf Gerichtsprozesse reagieren. Was fanden Sie daran so interessant?

Der Film wurde von realen Ereignissen inspiriert. Ich hatte von einem Hundebesitzer gehört, der vor Gericht gestellt wurde, weil sein Hund wiederholt Menschen gebissen haben soll. Das führte dazu, dass eine ganze Stadt in Aufruhr geriet. Die Menschen begannen, Petitionen einzureichen, sich zu engagieren, sich gegenseitig zu konfrontieren ...Es erinnerte mich an die Zeit, als die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert wurde. Wenn ein Umdenken einsetzt, gibt es sofort eine
feindselige Reaktion, weil eine Unklarheit oder Verwirrung entsteht, die die Menschen nur schwer akzeptieren können. Die Tatsache, dass in solchen Momenten alles enorme Ausmaße annehmen und sehr schnell ausarten kann, macht mir Angst, denn in solchen Momenten braucht man ein ruhiges Tempo, Zeit, Nuancen, Gespräche ... Wenn wir uns doch nur alle an einen Tisch setzen und die Dinge besprechen könnten.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
©Verleih

Info:
Stab

REGIE.     Lætitia Dosch
DREHBUCH    Lætitia Dosch, Anne Sophie Bailly


Besetzung 
Avril Lucciani.      Lætitia Dosch
Dariuch Michovski       François Damiens
Marc                   Jean-Pascal Zadi
Roseline Bruckenheimer         Anne Dorval
Lorene Furtado                 Anabela Moreira
Joachim                           Tom Fiszelson
Richter                              Mathieu Demy
Jérôme                              Pierre Deladonchamps
Hund Cosmos                   Kodi

Abdruck aus dem Presseheft